Kim Harrison – Blutspiel

Mit „Blutspur“ hat die Amerikanerin Kim Harrison den ersten Band ihrer Dark Fantasy-Reihe um die junge, freche Hexe Rachel Morgan vorgelegt. Der zweite Band, „Blutspiel“, soll die Reihe fortsetzen. Dabei begegnet man vielen bekannten Gesichtern, aber auch einigen neuen. Die Ausgangssituation ist nun allerdings eine andere. Während Rachel im ersten Band noch die Gejagte war und vor ihrem ehemaligen Boss flüchten musste, hat sie in „Blutspiel“ einen knallharten Kriminalfall zu lösen. Das ist Absicht, wie die Autorin im anhängenden Interview erklärt. Sie möchte jedem Buch eine eigene Atmosphäre verleihen, indem sie die Handlung derartig variiert. Ein guter Vorsatz, den man sich auch bei einigen anderen Autoren wünscht. Doch gelingt es der Amerikanerin auch in der Umsetzung ihrer Pläne zu begeistern?

Rachel Morgan, eine chaotische, impulsive Hexe, die ihre Magie hauptsächlich mittels selbstgemachter Amulette anwendet, hat zusammen mit Ivy, einem lebenden Vampir, eine private Kopfgeldjägeragentur. Sie wohnen in Cincinnati in einer Welt, die der unsrigen ähnelt, aber dennoch einen kleinen, aber feinen Unterschied aufweist: Die Menschen sind nicht alleine, sondern müssen ihren Lebensraum mit Tierwesen, Hexen, Vampiren Fairies, Pixies und Dämonen teilen. Außerdem sind sie in der Minderheit, dezimiert durch einen Unfall mit genmanipulierten Tomaten. Während sich die Menschen in die sichere Innenstadt zurückgezogen haben, leben die „Inderländer“ mehr oder weniger alleine in einem Vorort, der The Hollows genannt wird.

Dort ist auch das Büro und gleichzeitig die Wohngemeinschaft von Rachel und Ivy, deren Alltag von dem Problem mit Ivys Vampirinstinkten beherrscht wird. Obwohl sie dem Blut abgeschworen hat – wozu sie als lebender Vampir fähig ist, genau wie zum Betreten von geheiligtem Boden und Leben im Sonnenlicht -, kommt es immer wieder zu Situationen, in denen sie ihre Selbstkontrolle verliert, und daran ist Rachel mit ihrem ungezügelten Temperament nicht immer ganz unschuldig. Eines Tages bekommt die Hexe, die als Beraterin für das FIB, den Sicherheitsdienst der Menschen, arbeitet, den Auftrag, den Hexenjäger zu finden. Dieser ermordet auf brutale Weise Hexen und Hexer, doch die Staatsmacht ist ratlos. Wer steckt dahinter? Rachel findet schon bald eine Spur, und die führt zu ihrem Lieblingsfeind, dem reichen Unternehmer und generösen Wohltäter Trent Kalamack. Leider steht sie mit diesem Verdacht alleine da. Niemand glaubt ihr und nun liegt es an ihr, zu beweisen, dass sie Recht hat. Hat sie das denn überhaupt? Ihre Mörderjagd führt sie in die Tiefen der Hollows hinab …

Eins vorneweg: „Blutspiel“ muss sich hinter seinem Vorgänger nicht verstecken. Erneut ist es allerdings die Handlung, die den Lesegenuss ein wenig schmälert. Zum einen geht es nicht ohne Vorwissen. Der erste Band der Reihe um Rachel Morgan war so umfangreich, dass er sich schlecht durch ein paar Nebensätze oder erklärende Absätze verstehen lässt. Wer den ersten Band nicht kennt, hat daher nicht nur schlechte Karten, sondern verpasst auch einiges. „Blutspiel“ setzt ziemlich genau an den zwischenmenschlichen Baustellen des ersten Bandes an, so dass die Lektüre von diesem das Verständnis vor allem der Personen unheimlich erleichtert. Die Erklärungen, die Harrison dennoch einfließen lässt, sorgen an einigen Stellen für Längen und die Geschichte kommt am Anfang nicht wirklich in Gang. Dieses Manko gab es aber auch schon bei „Blutspur“: Auch hier wirkte der Plot nicht immer ganz ausgereift. Hinzu kommt das Abgleiten in Plaudertonfallphasen, wo nur wenig Relevantes geschieht. Positiv anzumerken ist allerdings, dass dieses Buch ein fulminantes, sehr spannendes Finale aufzuweisen hat. Das Ende kann sich sehen lassen und reißt derartig mit, dass man die Veröffentlichung des dritten Bands hierzulande gar nicht erwarten kann. Im direkten Vergleich wirkt „Blutspiel“ von der Handlung her auf jeden Fall erdachter und weniger wirr, auch wenn einige Längen bleiben.

Wo „Blutspiel“ wirklich überrascht, ist die Zeichnung der Personen. Hier hat sich Harrison beträchtlich gesteigert, indem sie erstens auf eine größere Zahl von Charakteren zurückgreift und zweitens mehr in die Tiefe geht. Der Leser erfährt beispielsweise einiges aus Rachels frühester Vergangenheit. Einige dieser Dinge sind dabei überraschend, da ungewöhnlich, oder erklären bestimmte Dinge in Rachels Leben oder sie legen den Grundstein für weitere Bände. In Amerika erscheint 2008 der sechste Band der Reihe, und obwohl die Bücher in sich abgeschlossen sind, schafft Harrison es, so viele neue, teilweise ungelöste Rätsel einzuführen, dass man mit Spannung dem nächsten Band entgegenfiebert.

Der Schreibstil bleibt dabei der gleiche. Er unterstreicht mit humorvollem, selbstironischem Blick aus Rachels Ich-Perspektive die anderen Komponenten des Buchs und gefällt vor allem durch seine Beweglichkeit. Harrison erinnert mit ihrer frechen Frische ab und an an romantische Frauenromane mit tollpatschigen Helden, kann sich aber dank einer gewissen Schärfe in den Witzen und einer nicht immer politisch korrekten Ausdrucksweise, die im englischen Original noch besser zur Geltung kommt, von solchen Autorinnen abheben.

Harrisons Plan, in jedem Band eine abgewandelte Handlungsart zu benutzen, zahlt sich aus. „Blutspiel“ stellt keine bloße Kopie seines Vorgängers dar, sondern entwickelt einen ganz eigenen Charme. Dabei kann der Dark-Fantasy-Thriller sich bezüglich der Qualität noch steigern. Das ist vor allem der stellenweise sehr spannenden und wirklich gut erdachten Handlung und der verbesserten Personenzeichnung zu verdanken. Dadurch gewinnt nicht nur der Roman, sondern die ganze Reihe an Tiefe und Komplexität und macht mehr noch als der erste Band Hunger auf eine Fortsetzung.

Taschenbuch: 640 Seiten
Originaltitel: The Good, The Bad, and the Undead
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