Silvana de Mari – Der letzte Elf (Lesung)


Lehrreiches Fantasyabenteuer, mitreißender Vortrag

Elf und Mensch, das passt nicht zusammen! So viel weiß Yorsch, der Unlängstgeborene, auch wenn er sonst noch fast nichts über die Welt weiß. Doch ausgerechnet zwei Menschen nehmen sich seiner an, als er verwaist und einsam zurückbleibt – er, der letzte Elf der Welt. Und der letzte Elf ist dazu bestimmt, die Welt aus dem dunklen Zeitalter der Kälte und des ewigen Regens, in dem sie zu versinken droht, zu befreien. Damit dies gelingt, muss Yorsch aber zuerst ein anderes verwaistes Wesen auffinden – den letzten Drachen!

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 10 Jahren.

Die Autorin

Silvana de Mari lebt mit ihrer Familie und einem riesigen Hund nahe Turin. Sie arbeitete als Ärztin in Italien und Afrika, bevor sie sich zur Psychotherapeutin ausbilden ließ. Nachdem sie schon kürzere Texte in Zeitschriften publiziert hatte, landete sie mit ihrem ersten Kinderbuch „Der letzte Elf“ einen internationalen Bestsellererfolg. (Verlagsinfo) Inzwischen hat sie auch „Der letzte Ork“ veröffentlicht.

Die Sprecherin

Jasmin Tabatabai, geboren 1967, ist Schauspielerin, Musikerin und leidenschaftliche Vorleserin. Sie hatte ihren schauspielerischen Durchbruch 1997 mit Katja von Garniers Musikfilm „Bandits“, für den sie auch den Soundtrack komponierte. Für den Film „Fremde Haut“ war sie als beste Hauptdarstellerin für den Deutschen Filmpreis nominiert. Sie spielt Theater – 2007 verkörperte sie bei den Nibelungenfestspielen in Worms die Kriemhild. Sie lebt mit ihrer Tochter in Berlin.

Regie führte Astrid Roth, die auch die gekürzte Lesefassung erstellte. Die Aufnahme in den |d.c. Studios|, Berlin, leitete Silvan Oschmann.

Handlung

Der kleine Elf erwacht, und weil es regnet, bittet er um eine Frau in einer Hütte um Obdach. Nach einigen Missverständnissen über das Zaubernkönnen von Elfen raufen sich die beiden zusammen. Weil er so einen elend langen Namen hat, nennt sie ihn der Einfachheit halber Yorsch und stellt sich selbst als Saira vor. Am nächsten Morgen begibt sie sich auf eine Wanderschaft, und Yorsch darf mitkommen.

Sie begegnen einem Jäger, der sie um ihr Feuer bittet, damit er ein Kaninchen braten kann. Doch der Elf hat Mitleid mit allen Tieren, denn er kann ihre Seelen und Gedanken lesen. Er erweckt das Kaninchen wieder zum Leben, so dass es davonhoppelt. Der Jäger ist davon nicht sonderlich erbaut. Aber einem Elfen wie Yorsch kann auch Monsa nicht lange böse sein.

Gefangen!

Der Weg der drei führt sie zu der Menschenstadt Dalidar, die vor langer Zeit von Elfen errichtet und beherrscht wurde, doch nun gibt es hier nur Menschen. Die Regierung hat alle Elfen verboten, und der Stadtwache sieht Yorsch ziemlich verdächtig aus. Als er auf dem Marktplatz ein getötetes Huhn wieder zum Leben erweckt, bricht unter den Leuten Panik aus. Der Verwaltungsrichter lässt das verdächtige Trio in den Kerker werfen. Hurra, freut sich Yorsch. Endlich trocken und warm!

Weil er die Gedanken der Ratten im Kerker lesen und lenken kann, ist er schon bald im Besitz des Bunds Schlüssel, der ihre Zellentür öffnet. Sie fliehen durch die alten, von Elfen erbauten Gänge. An einer Wand entdeckt Yorsch die Runen seines Volkes und liest eine Prophezeiung: „Erst wenn der letzte Elf und der letzte Drache einander finden, werden die Menschen ihr Schicksal überwinden.“ Und dann steht noch was von einer Verfinsterung der Sonne. Aber er muss weitereilen. Sie entkommen der Stadtwache, durch das Stadttor, über die Zugbrücke und den Fluss.

Der Letzte

Riesen und Trolle wollen das Trio gefangen nehmen, doch Yorsch bringt sie auf andere Gedanken, und so verlassen die Räuber sie wieder, um lohnendere Beute zu ergattern. Das Trio grübelt über die Prophezeiung nach. Sie ist allen ein Rätsel. Die Drachen sind längst ausgestorben. Und bis auf Yorsch sind auch alle Elfen verschwunden. Wenn also in der Weissagung vom letzten Elf die Rede ist, dann ist kein anderer als Yorsch gemeint. Schluck!

In einem verlassenen Turm gesellt sich ein Hund zu Yorsch, der ihn Treu nennt. Er leert seine Taschen und Beutel. Da ist eine Landkarte seines Vaters, der getötet wurde. Auf der Karte ist der Pass über die Schattenberge eingezeichnet, an dem angeblich Drachen leben sollen. Unsinn, oder? Mit den drei Goldstücken aus seines Vaters Beutel kaufen die drei ein Boot von Dörflern, denen Yorschs Vater einst einen Kessel des Überflusses verkaufte. Yorsch bekommt sogar neue Kleider, prima!

Zum Drachenberg

Hinter der Flussschlucht legen sie am Fuß einer Treppe an. Die Treppe führt den ganzen Berg hoch – meine Güte! – bis zum Pass. Dort rauscht ein Wasserfall, und im nächsten Tal können sie den Weg hinunter ans Meer sehen. Aus einer Höhle am Pass erscheint auf einmal ein richtiger, lebendiger Drache. Die Menschen werden sehr beklommen, doch Monsa stellt sich und den Elf vor. Erst will der Drache sie wegscheuchen, doch dann stellt sich heraus, dass er die alte Prophezeiung kennt und bloß Angst vor ihnen hat. Er lässt sie in seine Höhle, die wirklich kuschelig warm und voller Bücher ist: das gesammelte Wissen der Welt. Auch über Magie.

Hier entdeckt Yorsch die Ursache für den ständigen Regen auf der Welt: Es ist der Dampf, der aus dem Vulkan quillt, der den Hintergrund für die Höhle bildet. Yorsch überredet den uralten Drachen, der die Bibliothek hütet, dazu, den Schlot zu verschließen. Der Regen stoppt, und draußen wird es wieder trocken. Die Tage vergehen, und die Menschen wollen fort. Der Drache gibt ihnen Gold zum Abschied. Monsa schlägt Saira vor, sich zusammenzutun, denn er wünscht sich eine Tochter, die so heißen soll wie jene, die man ihm geraubt hat: Rosalba.

Lehrmeister?!

Nachdem sie fort sind, offenbart der alte Drache Yorsch seine nächste Aufgabe: Er soll das Ei, dass er 13 Jahre lange bebrütet hat, öffnen und den jungen Drachen aufziehen – nachdem er selbst sich verabschiedet und ins Meer gestürzt hat. Yorsch wird zwar durch die Geschichte von Draconis darauf vorbereitet, wundert aber sich dennoch: Ein Elf soll einem Drachen das Fliegen beibringen? Wie soll das denn gehen? Doch die Ereignisse überschlagen sich: Das Ei reißt und ein smaragdgrüner Jungdrache schlüpft. Er schaut Yorsch neugierig an, der ihn Ebrow nennt. Aber vielleicht hat Ebrow auch bloß Hunger …

Mein Eindruck

So weit also der knappe Abriss des ersten Buchteils, doch es folgen ja noch zwei weitere. Darin tritt die zwölfjährige Waise Robi auf, die mit anderen Waisenkinder in einer Art Arbeits- und Umerziehungslager schuften muss. Ihr Leben ist ohne Hoffnung auf Besserung, wie ihr scheint, und alles, was ihr das Leben angenehmer machen oder verschönern könnte, wird ihr von den Aufsehern, den „Hyänen“, sofort weggenommen. Es ist eine Dickensianische Szenerie, die an „Oliver Twist“ und ähnliche Kinderdramen erinnert.

Doch als Robi eines Tages einen smaragdgrünen Drachen am Himmel erblickt, schöpft sie neue Hoffnung. Drachen sind zwar schon längst ausgestorben, wie man ihr immer wieder sagt, aber der Augenschein trügt nicht. Und wo es ein Wunder gibt, kann es auch ein zweites geben. Vielleicht wird sich ihr Los in ferner Zukunft einmal bessern?

Vieles liegt im Argen im Land, aus dem man die Elfen vertrieben hat. Sie, die einst der Segen des Landes waren, wurden nach dem Beginn des Regens, den offenbar der Vulkan verursacht, für das Hochwasser, die schlechten Ernten, die folgenden Krankheiten und überhaupt alles mögliche Unheil verantwortlich gemacht. In den Katakomben der Stadtburg stößt Yorsch auf ihre letzten Spuren, welche die Menschen noch nicht haben tilgen können. Einst muss die Herrschaft der Elfen prächtig gewesen sein.

Nun leidet das Land und mit ihm seine Bewohner. Räuber und Banditen streifen umher, die Waisenkinder schuften im Arbeitslager, und der Willkürherrschaft steht nichts entgegen. Es ist kaum vorstellbar, dass ein junger Elf und ein ebenso junger Drache, wie sie in der Prophezeiung erwähnt werden, das Schicksal der Menschen ändern könnten.

Doch sie tun es, denn Yorsch ist ein Wesen, das mit größtem Mitgefühl ausgestattet ist, empathisch die Gedanken und Gefühle von Tieren liest und sogar kleine Tiere wieder zum Leben erweckt – vielfach zur Konsternation der menschlichen Zeugen. Und auch Ebrow verfügt über gewisse Kräfte, von seinem enzyklopädischen Wissensschatz ganz abgesehen, auf den er sehr stolz ist. Vielleicht zu stolz, würde Yorsch meinen. Aber Wissen über die Geschichte und Weisheit der Alten hat noch nie geschadet, wie die beiden ungleichen Schicksalsgenossen herausfinden.

Über kurz oder lang mischen sich die beiden ein, und es kommt zu einem Befreiungskampf, in dem sowohl Einfallsreichtum als auch Stärke gefordert sind. Und Überzeugungskraft, denn manche Menschen wollen gar nicht befreit werden. Wer weiß, was sie in der versprochenen Freiheit erwartet – womöglich noch mehr Hunger und Not. Doch Robi folgt den beiden Befreiern. Sie sieht im Drachen weiterhin ihre Hoffnung.

Kampf und Befreiung münden in einen Exodus. Das gemahnt an biblische Szenen mit Moses und dem Roten Meer. Aber die Autorin handelt die Ereignisse viel prosaischer ab, denn wer sollte den Leuten auf dem Exodus irgendetwas verheißen haben außer Freiheit und Frieden? Nur Yorsch und Ebrow wissen, dass hinter dem Pass über die Schattenberge das Meer liegt, wo eine Kolonie freier Menschen bereit wäre, die Exilanten aufzunehmen.

Ohne es jemals zu sagen, zeigt die Autorin ganz deutlich auf, wie Schicksal und Bestimmung das Handeln der beiden Helden festlegen. Einfach durch ihr Sosein müssen sie das werden, was sie sein können. Ein Elf hat eben „magische“ Fähigkeiten, ein Drache hat eben großes Wissen und die Fähigkeit zu fliegen und zu kämpfen.

Deshalb funktioniert auch die Prophezeiung einwandfrei: „Erst wenn der letzte Elf und der letzte Drache einander finden, werden die Menschen ihr Schicksal überwinden.“ Es werden keine Namen genannt, weil das unnötig ist. Hauptsache, diese zwei magischen Wesen kommen zusammen, dann ergibt sich der Rest von alleine. Das mag wie ein Märchen klingen, und Yorsch wie auch Ebrow weisen wie im Märchen keine eigenständige Psychologie auf. Aber sie erfüllen alle Merkmale von Fabelwesen. Dass diese nicht ganz mit den traditionellen Merkmalen übereinstimmen, macht aber die Geschichte gerade so interessant.

Die Geschichte lebt ganz klar vom Zusammenspiel dieser beiden magischen Wesen, und manchmal hatte ich den Eindruck, der Rest sei nur um diese beiden herumgeschrieben worden. Das würde aber dem Handlungsstrang um das Waisenmädchen Robi Unrecht tun. Sie ist eine eigenständige Figur mit einem eigenen Schicksal. Doch ungeduldig wartete ich stets darauf, dass die Geschichte zu den Eskapaden von Yorsch und Ebrow zurückkehren möge. Sie sorgen vielfach für unschuldige Heiterkeit. Auch wenn sie die Leser von „Die unendliche Geschichte“ vielleicht ein wenig an den tapferen Jungen Atréju und seinen Drachen Fuchur erinnert. Etliche Auseinandersetzungen und Fluchten sorgen regelmäßigen Abständen für Spannung.

Die Sprecherin

Jasmin Tabatabai engagiert sich auf beeindruckende Weise total bei diesem schönen Fantasyabenteuer. Sie liest sehr deutlich vor, so dass man jedes Wort verstehen kann, aber sie gestaltet auch die Figuren ganz individuell. So hat der alte Drache eine hochnäsige und altertümlich deklamierende Ausdrucksweise, der kleine Elf Yorsch hingegen eine junge, hohe Stimme – das kommt natürlich der Stimmlage der Sprecherin entgegen.

Auch der Drache Ebrow hat seine eigene Sprechweise: jung und eifrig, aber auch hochnäsig wie alle von Geburt an weisen Drachen. Er hat eine besondere Ausdrucksweise, indem er beim Feuerspeien ein durchdringendes SQUIIIIEK! ausstößt. Hier sind die Stimmbänder der Sprecherin ganz besonders beansprucht. Und die Trommelfelle ihrer Zuhörer.

Die menschlichen Figuren verblassen gegenüber diesem Star-Duo ein wenig. Aber weil Robi alias Rosalba ihre eigene Geschichte durchlebt, bekommt sie von Elfen und Drachen erst einmal gar nichts mit. Das ändert sich erst am Schluss des Buches, im dritten Teil. Folglich kann Robi durch ihre eigene Ausdrucksweise charakterisiert werden, um sie von anderen Kindern und besonders von den strengen Aufsehern zu differenzieren.

In vielen Szenen sind Emotionen gefragt, um die Figuren richtig zum Leben zu erwecken. Das macht der Sprecherin hörbar sogar noch mehr Spaß als das Charakterisieren, denn hier kann sie sogar richtig kreischen, brüllen, (falsch) singen und deklamieren. Besonders die Fluglernstunde zwischen Yorsch und Ebrow hat sich mir eingeprägt, denn sie ist durch höchste Gefahr belastet: Wird es dem flügellosen Elf wirklich gelingen, dem jungen und übermütigen Drachen das Fliegen beizubringen? So unwahrscheinlich es klingt – aber mehr soll nicht verraten werden.

Unterm Strich

Ich bin sicher, die Autorin kannte Michael EndesUnendliche Geschichte„, als sie ihren Roman schrieb. Sie kannte sicherlich alle Bilder von Elfen und Drachen und wie sie jeweils zu sein hatten. Deshalb erfand sie ihre eigenen Figuren gegen den Strich, gab ihnen „neue“ Eigenschaften und schuf so eine spannungsreiche, lebhafte Kombination aus Elf und Drache. Dieses dynamische Duo könnte noch weitere Abenteuer bestehen, so viel steht fest.

Im Vergleich zu Tolkien tritt der historische Kontext völlig zurück und wird erst nach und nach dazugeliefert, als sei er lästiges Beiwerk. Das Wissen des Drachen ist dabei von entscheidender Bedeutung, wirkt aber wie eine nachträgliche Begründung, die eigentlich gar nicht nötig wäre, um die Story voranzubringen. Auch das Thema Sprache ist gar keines. Elfen, Menschen und Drachen sprechen alle die gleiche Sprache und verstehen sich bestens, was natürlich die Interaktion ungemein erleichtert – genau wie mit Tolkiens Westron-Sprache im „Herrn der Ringe“.

Magie allein genügt nicht, um den Menschen zu helfen, sagt die Autorin mit ihrer Geschichte. Für die Tat ist auch Mitgefühl und Wissen sowie Unternehmungslust vonnöten. Diese Merkmale vereinen Yorsch und Ebrow zur Genüge. Mit ein wenig List und Glück schaffen sie, was ihnen die Prophezeiung vorherbestimmt hat: die Befreiung der Menschen. So erhalten die jugendlichen Leser und Hörer eine wertvolle Lektion mit auf den Weg – und ohne einen einzigen erhobenen Finger.

Das Hörbuch

Jasmin Tabatabai engagiert sich hörbar mit großem Vergnügen beim Vortragen dieser Fantasygeschichte. Auch wenn es keine Geräusche oder Musik gibt, so bestärkt sie doch mit ihrem durchdringenden SQIIIEK! die Überzeugung, dass Geräusche hier völlig überflüssig seien. Die Figuren erwachen auch ohne diese Zutaten zum Leben, und das gilt besonders für den Elf und seinen Drachen. Jedenfalls macht erst Jasmin Tabatabai dieses Hörbuch zu dem schönen Hör-Erlebnis, für das sich Kinder ab zehn Jahren begeistern können.

396 Minuten auf 5 CDs
Originaltitel: L’ultimo Elfo
Originalverlag: Grandi & Associati
Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner
ISBN-13: 978-3-86604-900-0

https://www.penguin.de/Verlag/Random-House-Audio/21000.rhd

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