Lloyd Alexander – Taran – Der Spiegel von Llunet (Taran 4) (Hörspiel)

Taran in Not: das Horn der Zwerge erklingt

„Der Spiegel von Llunet“ (auch: „Der Zauberspiegel“ bzw. „Taran und der Zauberspiegel“) ist das vierte Hörspiel eines fünfbändigen Fantasy-Zyklus, der es vielleicht nicht mit Tolkiens „Herr der Ringe“ aufnehmen kann, aber ebenso stark auf Mythen und Fantasythemen zurückgreift. Und die Hauptfigur Taran, die im Laufe des Zyklus eindrucksvoll heranreift, lieferte wie Tolkiens „Herr der Ringe“ die Vorlage zu einem Zeichentrickfilm. Diesmal sucht Taran nach den Wurzeln seiner Herkunft – er ist nämlich Vollwaise.

Der Autor

Lloyd Alexander, geboren 1924, ist der Autor der „Chroniken von Prydain“ (= Britannien). Ähnlich wie bei Tolkien, der mit [„The Hobbit“ 481 (1937) zunächst eine Fantasy für Kinder schrieb, beginnt auch Alexander mit einer leichtfüßigen Kinder-Fantasy, um dann jedoch schnell auf tiefere, dunklere Themen sprechen zu kommen. Der erste und Teile des zweiten Bandes fanden Eingang in einen gleichnamigen Zeichentrickfilm aus dem Jahr 1985: „Taran und der Zauberkessel“.

Der Taran-Zyklus:

1. „Taran und das Zauberschwein“ bzw. „Das Buch der Drei“ (engl. The Book of Three) (1964)
2. „Taran und der Zauberkessel“ bzw. „Der schwarze Kessel“ (engl. The Black Cauldron) (1965)
3. „Taran und die Zauberkatze“ bzw. „Die Prinzessin von Llyr“ (engl. The Castle of Llyr) (1966)
4. „Taran und der Zauberspiegel“ bzw. „Der Spiegel von Llunet“ (engl. Taran Wanderer) (1967)
5. „Taran und das Zauberschwert“ bzw. „Der Fürst des Todes“ (engl. The High King) (1968) – Gewinner der Newbery Medal, 1969
6. „Der Findling und andere Geschichten aus Prydain“ (engl. The Foundling) (1973) – Sammlung von Kurzgeschichten, die in Tarans Welt Prydain spielen

Die Sprecher/Die Inszenierung

„Der Zauberspiegel“ ist eine Produktion des Südwestrundfunks Baden-Baden aus dem Jahr 2004. Die Hörspielbearbeitung besorgte Henriette Jagemann, die Dramaturgie Klaus Schmitz, die Regie führte Robert Schoen. Die stilechte Musik trug „der deutung und das ro“ bei (Tobias Unterberg & Robert Beckmann von den |Inchtabokatables|). Für die sicherlich komplizierte Tonmischung sorgte Daniel Senger, für den Schnitt Judith Rübenach.

Die Namen der Sprecher sind mir leider nicht vertraut, eine Ausnahme bieten lediglich Tommi Piper (Fürst Gwydion) und Christian Rode (König Rhuddlum). Doch die eine oder andere Stimme habe ich bereits in Fernsehproduktionen gehört, so etwa Rolf Schult als deutsche Stimme von Anthony Hopkins und Robert Redford. Er spricht den Zauberer Dallben.

Erzähler: Jürgen Hentsch
Taran, Hilfsschweinehirt: Tim Sander
Prinzessin Eilonwy: Natalie Spinell (Aussprache: e’lónwi)
Zauberer Dallben: Rolf Schult ( da[stimmloses th]ben)
Harfner Fflewdur Fflam: Jens Harzer ( flodjir flam)
Gurgi: Joachim Kaps
Zwerg Doli: Michael Habeck
Annlaw, Töpfer: Michael Hanemann
Hevydd, Schmied: Claus Boysen
Dwyvach, Weberin: Juliane Koren
Hexen (Nornen): Eva Weißenborn
Smoit, König: Rainer Basedow
Morda, Zauberer: Joachim Hall
Craddoc: Schafhirte: Walter Renneisen

Handlung

Endlich will sich Taran auf die Socken machen, um herauszufinden, wer seine Eltern sind. Das wurde aber auch höchste Zeit, denn Prinzessin Eilonwy, seine Angebetete, wird sicherlich keinen Hilfsschweinehirten zum Mann haben wollen. Taran hofft daher auf eine edle Abkunft. Auf dieser Wanderung begleitet ihn zunächst lediglich der freundliche Tiermensch Gurgi, der sein treuester Begleiter geworden ist. Zunächst zieht Taran zu Gurgis Entsetzen zu den drei weisen Frauen, die in den Marschen von Morva leben. Orddu rät ihm, sich im „Spiegel von Llunet“ (ausgesprochen: lünet) selbst zu erkennen, der im östlichen Gebirge zu finden sei.

Zusammen gelangen sie an König Smoits Burg, den wir schon aus Band 2, „Der schwarze Kessel“, kennen: ein Bär von einem Mann, aber nicht einer der hellsten Köpfe. Hier trifft Taran auch Fflewdur Fflam (ausgesprochen „flodir flam“) wieder, den Barden mit der wahrheitsliebenden Harfe und der Riesenmiezekatze Llyan.

An einem Sumpf fängt Llyan einen Frosch von sonderbarer Größe. Es ist Dolí, der Zwerg. Und er ist untröstlich! Denn Morda, ein Möchtegern-Weltbeherrscher, hat den Unterirdischen ein magisches Kleinod aus dem Haus der Zauberer von Llyr gestohlen und Doli in einen Frosch verwandelt. Beim Versuch, dem durchgeknallten Morda das Handwerk zu legen, werden Fflewdur und Gurgi verwandelt, doch an Taran scheitert der Irre. Warum nur? Das sei hier nicht verraten.

In einer Bergschlucht stoßen Taran, Fflewdur und Gurgi auf einen verkrüppelten Schafhirten namens Craddoc, der behauptet, Tarans Vater zu sein, denn er habe seinen Sohn einem heilenden Wanderer namens Dallben mitgegeben. Und Dallben ist bekanntlich Tarans Mentor in seinem heimatlichen Caer.

Diese Verwandtschaft kann Taran mangels Geburtsurkunde natürlich nicht widerlegen, und so hilft er dem Alten, seine verfallene Hütte, seine Herde und seine Weiden wieder auf Vordermann zu bringen. Taran schickt Fflewdur zu Dallben, um die Geschichte bestätigen zu lassen, doch Fflewdur kehrt unverrichteter Dinge zurück: Er kommt im Schnee nicht mehr weiter.

Craddoc stöhnt – wie viele andere Reisebekanntschaften – über die Verluste, die Arawn, der Fürst der Unterwelt, in Prydain verursacht hat. Doch als Craddoc schwer stürzt, ertappt sich Taran bei dem Wunsch, der Alte, der ihn hier ein halbes Jahr festgehalten hat, möge sterben, damit Taran wieder frei sein und weiter wandern könne. Ein magisches Geschenk Eilonwys, ein Horn der Zwerge, ruft Hilfe herbei …

Als wichtigste Station erweist sich jedoch das Land der „Freien Commots“. Diese Menschen regieren sich selbst und helfen einander, um in Wohlstand und Zufriedenheit zu leben. Taran lernt, Glück zu erkennen, ein neues Schwert zu schmieden, einen neuen Mantel zu weben und eine Schale zu töpfern. Es sind Wege, die Welt zu erkennen, aber auch sich selbst. Bei einem Ritt zum „Spiegel von Llunet“, einem schönen, spiegelnden See, erkennt Taran schließlich sich selbst.

Mein Eindruck

Das Buch hat eine ganz andere Struktur als die vorhergehende Trilogie: Es besteht aus Episoden. Die Kämpfe sind in der Mehrzahl nicht heroischer Natur, sondern dienen dazu, Taran mehr über sein Inneres mitzuteilen. Der Hilfsschweinehirt erfährt nun, wo sein Platz in der Gesellschaft ist und wozu er alles fähig beziehungsweise nicht fähig ist. Der Zweck der Wanderung ist also ein zweifacher: Selbsterfahrung und Erfahrung der Welt.

Und um diese Welt ist es nicht gut bestellt. Es ist eine Welt unter dem Schatten des Todesfürsten Arawn, der ihr Wissen und Kraft aussaugt und diese Beute für sich selbst hortet. Arawn ist der negative Pol der Schöpfung, und es sieht so aus, als stünde seinem Ent-Wirken keine positive Kraft entgegen. Die menschlichen Herrscher sind untereinander zerstritten oder pervertieren Werte. Taran weiß es noch nicht, doch das |Heilen| der Welt ist seine Aufgabe. Diese wird er im nächsten, dem letzten Band der Chroniken von Prydain, erfüllen. Und wie immer ist der Preis für den Erfolg sehr hoch. Darin gleicht Taran Frodo Beutlin bei Tolkien sowie Alvin Maker bei Orson Scott Card.

Einen gangbaren Weg in ein geheiltes Prydain bieten die Freien Commots an: Hier verwirklicht jeder Handwerker, was seine Gabe ist, sei es das Schmieden von Schwertern, das Weben oder das Töpfern. Und da andere Menschen die Erzeugnisse aus diesem Handwerk benötigen, entwickelt sich ein freier Handel. Zunächst wird allerdings bei diesem Warenhandel eher an Tausch gedacht, denn niemand scheint auf Profit bedacht zu sein. Alle sind gleich arm und gleich bescheiden.

Im Hörspiel fehlen wichtige Aspekte: Diese Genossenschaften der Commots sind natürlich Ziele der Banditen. Und der Überfall, der im Buch das Finale der Handlung bildet, fehlt im Hörspiel völlig. Das bedeutet, dass der Aspekt der sozialen Auseinandersetzung fast völlig unter den Tisch fällt. Nur in der Craddoc-Szene klingt an, dass es Leute gibt, die anderen Land wegnehmen und es deswegen zu Kämpfen und einem Exodus gekommen ist.

Das Hörspiel / Die Inszenierung

Ein Vergleich mit der Buchhandlung macht deutlich, dass für das Hörspiel sehr viel Inhalt gestrichen wurde. Was übrig blieb, ist jedoch ein roter Faden, dem der Zuhörer binnen der knappen Stunde, die jeder Episode zugestanden wird, mit Leichtigkeit folgen kann. Ein zweiter Effekt der Kürzungen besteht darin, dass besonders junge Hörer von Darstellungen brutaler Gewalt verschont bleiben. Diese gibt es in den Taran-Büchern durchaus zu finden.

Zur Einstimmung beginnt das Hörspiel mit einem keltisch anmutenden, möglicherweise walisischen Volkslied. Es wird noch des Öfteren im Hintergrund angespielt. Der Zuhörer mit ein wenig Erfahrung in keltisch inspirierter Folk-Musik fühlt sich sofort in selige Zeiten von |Clannad|-Konzerten zurückversetzt. Wo immer man in Irland, Schottland oder Wales als Tourist hingelangt, kann man diese Art von Musik finden. Denn diese Musik ist nicht einfach Touristenattraktion, sondern ein integraler Teil der Identität der keltischen Völker. In dieser Tonart geht die Musik weiter. Wir sind also schon mal auf der richtigen Baustelle.

Allerdings habe ich meine Anlage gleich mal einen Tick lauter gedreht und die Bassstufe hinzugeschaltet. So erklingt der Ton des Hörspiels gleich viel satter und natürlicher.

Die Sprecher

Die Stimmen der Sprecher finde ich sehr passend und angemessen. Es gibt kein Zögern, keine falschen Töne, so dass die Sätze ganz natürlich klingen und nicht, als hätte man sie ein Dutzend Mal geübt (was vielleicht doch der Fall gewesen sein dürfte). Gurgi gefällt sich darin, alle seine Sätze zu reimen, mit sehr wenigen Ausnahmen, wenn er mal aufgeregt ist. Mir fiel auf, dass es nur zwei Generationen von Figuren gibt: junge wie Taran, Doli, Gurgi und Flewdur Fflam stehen den älteren Herrschaften wie Craddoc und den Handwerkern gegenüber, von den zwei Zauberern und den drei Hexen ganz zu schweigen. Die Hexen bilden zusammen mit der Weberin das ganze weibliche Personal. Eilonwy wird hier schmerzlich vermisst. Ganz besonders widerlich fand ich das Lachen des Zauberers Morda.

Geräusche und Musik

Da es sich um ein voll ausgestaltetes Hörspiel mit echter Dramaturgie handelt, ist auf Geräusche ebenso wenig zu verzichten wie auf Musik. Die Geräusche sorgen für den Realismus, den man normalerweise von jedem Fantasyfilm erwarten darf: Hufgetrappel, Zaumzeugklirren, Vogelgezwitscher und dergleichen. Am Sumpf werden die Geräusche etwas unheimlicher, ist ja klar. Und wenn Llyan, die Riesenmiezekatze, in der Nähe ist, ist auch ein Knurren zu vernehmen.

Ein paar schöne Soundeffekte leiten zur Musik über. Als die Gefährten das Brombeergestrüpp Mordas attackieren, sind ein paar pfeifende Klänge zu hören, wie man sie aus Comic-Adaptionen im Fernsehen kennt: als flöge jemand – schwupps! – durch die Luft. Man kann dieses Pfeifen vielleicht auf einer Flöte nachmachen, aber das ist hier hörbar nicht der Fall. Auch das Verschwinden Mordas ist von Effekten begleitet. Ein anderer Effekt ist das „Reißen einer Harfensaite“: ploing! Klingt niedlich. Ist es auch. (Die Saite reißt immer, wenn Fflewdur, der Besitzer der Zauberharfe, gerade flunkert – und er kann es nicht lassen.)

Die Musik dient dazu, die Emotionen des Zuhörers zu steuern und die Stimmung der Szene wiederzugeben. Was mich an dieser Hörspielserie immer wieder überrascht, ist die Fülle an Instrumenten, die dafür Verwendung findet. Die Palette reicht vom Akkordeon über Gitarre, Harfe und Flöte bis hin zum Akkordeon, einer Orgel, Posaunen und – last but not least! – das Zwergenhorn!

Zwar steht zu vermuten, dass der Produzent keine unterirdisch hausenden Zwerge mit einem Schatz kontaktiert hat, aber das Horn steht doch dem, das wir von Boromir kennen, in nichts nach. Es ist einfach ein magischer Klang, der Hoffnung weckt.

Unterm Strich

Die Geschichte ist in diesem Band wider Erwarten nicht weniger spannend als in den Vorgängerbänden. Der Schwerpunkt scheint nun allerdings auf die innere Entwicklung der Hauptfigur verlagert zu sein. Das aber geht nicht ohne dramatische Szenen vor sich, die das Anhören lohnenswert machen. Wie in Band 3 gibt es auch hier wieder Auflockerung in Form von heiteren Szenen.

Das Hörspiel

Auch diese Hörspiel-Folge besticht wieder durch Professionalität, spannende Unterhaltung und sehr gute Audio-Ausstattung. Das bezieht sich allerdings nicht auf die Ausstattung der CD: Lediglich ein dünnes Faltblatt liegt bei, das uns mit Informationen versorgt. Wahrscheinlich hat der Verlag zugunsten eines niedrigen Verkaufspreises gespart. Das Titelbild ist aber ebenso schön wie das des Buches (es stammt von Geoff Taylor).

Für wen sich das Hörspiel eignet

Dieses Hörspiel eignet sich, wie der gesamte Zyklus, für junge Zuhörer. Obwohl bei |Lübbe Audio| grundsätzlich Altersempfehlungen fehlen, würde ich sagen, dass man dieses Hörspiel durchaus schon ab zehn Jahren verstehen kann. Es fehlt zudem gänzlich an körperlicher Gewalt und spannend ist vor allem der Showdown im Finale.

Die Übersetzung

… stammt nun vom dritten Übersetzer, der sich an dem Zyklus versucht. Machte zu Anfang Otfried Preußler einen ausgezeichneten Job, so schrieb Roland Vocke den 3. Band zu einem zeitgenössischen Kindermärchen um, was an sich schon recht fragwürdig war. Aus einem literarischen Meisterwerk wurde eine 08/15-Story.

Im vorliegenden Band 4 war Ulrike Killer als Übersetzer tätig, die etliche Jahre bei |Klett-Cotta| die Hobbitpresse als Lektorin betreute (bis 2003). Im Hörbuch ist von ihren Fähigkeiten oder Fehlern allerdings nichts mehr zu registrieren, denn als Vorlage diente ein völlig umgeschriebenes Skript. Es wäre fehl am Platze, Killer dafür verantwortlich zu machen.

Originaltitel: Taran Wanderer, 1967
54 Minuten auf 1 CD
Aus dem US-Englischen übersetzt von Roland Vocke und Ulrike Killer
ISBN-13: 9783785731949

http://www.luebbe.de/luebbe-audio.de

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