Pierre Bottero – Das achte Tor (Der Andere, Band 1)

Die Kinder- und Jugendliteratur ist seit dem Auftauchen Harry Potters wahrlich auferstanden, und nicht nur junge Menschen lesen sie gerne – auch der eine oder andere junggebliebene Erwachsene greift gerne zu dieser Literaturgattung, um ein Stück weit in die Welt der Fantasy einzutauchen.

Die Protagonisten sind meistens Kinder oder Jugendliche, die in einer Extremsituation über sich hinauswachsen und zauberhafte, teils unmenschliche Kräfte entwickeln, natürlich nur, um diese erwartungsgemäß für das Gute einzusetzen – so auch in dem phantastischen Jugendroman „Das achte Tor“ von Pierre Bottero.

Inhalt

Nathan ist gerade erst sechzehn Jahre jung, aber hochbegabt. Für das grundlegende Erlernen einer Sportart benötigt Nathan im Grunde nur wenige Tage, um es dann kurz darauf zu einer Profileistung zu bringen. Aber gerade diese sportlichen Höchstleistungen in der Schule machen es Nathan und seinen Eltern schwer, länger an einem Ort zu bleiben. Aufzufallen ist das Letzte, was die kleine Familie will, aber das ist gar nicht so einfach. Und so wechseln sie innerhalb von Kanadas Grenzen häufig ihren Wohnort.

Auch Shae, ein etwa gleichaltriges Mädchen, ist eine Einzelgängerin. Sie ist unruhig in ihrem Wesen, aber wachsam, und sie hat immer wieder das Gefühl, sie könne sich nicht kontrollieren. Als sie von ein paar Jugendlichen bedrängt und bedroht wird, offenbart sie für Sekundenbruchteile ihr zweites Wesen: Sie ist in der Lage, ihr Äußeres zu wechseln, und ihre physische Gestalt und Kraft wandelt sich zu einem Raubtier, das scheinbar nur seinen Instinkten folgt – unberechenbar und unbezähmbar.

Nathan hat inzwischen ganz andere Probleme: Er ist sich sicher, dass er von zwei Männern verfolgt wird. In der darauffolgenden Nacht, als er dabei ist, aus seinem Elternhaus zu gehen, um einen Spaziergang zu unternehmen, explodiert in das Haus einem Feuerball. Nathan ist nun auf sich alleine gestellt, denn seine Eltern wurden das Opfer eines Sprengstoffanschlages, und der Junge flieht Hals über Kopf aus seinem brennenden und zerstörten Zuhause. Plötzlich klingelt unverhofft Nathans Handy und die Stimme seines ermordeten Vaters gibt ihm eilige Ratschläge für die Flucht nach Marseille.

Auf der Flucht lernt er Shae kennen und verliebt sich in die junge Frau. In Marseille finden die beiden Schicksalsgenossen Nathans Großvater, der das Geheimnis seiner Familie und seiner sonderbaren Kräfte offenbaren kann: Nathan ist ein Nachkomme einer beutenden Familie, auch seine Eltern verfügten über besondere Kräfte mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Insgesamt gibt es sieben Familien, die jede für sich einzigartig sind. Sie leben schon seit Jahrtausenden unerkannt unter den gewöhnlichen Menschen.

In der Zeit der Sumerer haben sich die sieben Familien gegen eine „andere Macht“ behaupten können, die ihre Existenz bedrohte, und sie konnten dieses Wesen in einen „Würfel“ verbannen. Dieser wurde nun leider in einer brasilianischen Höhle gefunden und gewaltsam aufgebrochen, und einzig und allein Nathan und Shae mit ihren Gaben können den Kampf gegen den „Anderen“ aufnehmen …

Kritik

Pierre Bottero hat mit „Das achte Tor“ einen phantastischen Roman für Jugendliche geschrieben. Seine Mischung aus Fantasy, Action und Mystik ist temporeich und spannend, doch bleibt die Geschichte um Nathan und Shae selbst oberflächlich. In der Folge beschleicht den Leser das Gefühl, als würde „Das achte Tor“ nur einen kleinen Plot aus einer großen Geschichte präsentieren. Der Sinn der ganzen Unternehmung bleibt bislang völlig im Dunklen, ebenso wie der Leser, der sich nicht zurechtfindet und vergeblich nach dem roten Faden sucht.

Die grundsätzliche Botschaft dieses Jugendromans ist ja recht deutlich, aber schon auf den ersten Seiten addieren sich die Fragen zu einem wahren Berg; das Tragische daran ist, dass diese auch nicht im Entferntesten geklärt und aufgelöst werden.

Die Charaktere sind schlicht und simpel gezeichnet. Wahre Persönlichkeitstiefen oder Potenzial, das sich im Laufe der Handlung mit den Figuren entwickeln könnte, sucht man vergeblich. Das ganze Schema ist so einfach gezeichnet, dass es schwerfällt, den Roman irgendwann überhaupt weiterzulesen. Über die einzigartigen Familien, ihre Herkunft, ihr Schicksal und ihre Gegenwart erfährt man viel zu wenig; diese Anknüpfungspunkte gehen einfach in wirrem Nebel unter.

Fazit

Botteros Motivation, mit „Das achte Tor“ den Grundstein einer Reihe von Geschichten zu legen und die Neugierde des Lesers zu wecken, ist hier gründlich danebengegangen. Rudimentärer und oberflächlicher kann man einen Fantasyroman kaum schreiben – auch wenn dieser für Jugendliche gedacht ist, kann er die Erwartungshaltung nicht erfüllen.

Da „Das achte Tor“ den Auftakt zu einer eigenen Reihe darstellt, ist dem Autor zu wünschen, dass er sich das nächste Mal mehr Zeit nimmt, um die Charaktere zu entwickeln sowie die Handlung und die Vergangenheit klar zu strukturieren. Auch ein Jugendroman darf in seiner Ausführung nicht zu einem Schulaufsatz mutieren.

Der Autor

Pierre Bottero, 1964 geboren, war lange Zeit Grundschullehrer und hat zahlreiche Jugendbücher geschrieben. Sein größter Erfolg waren die beiden Kinder-Fantasy-Trilogien um die junge Heldin Ewilan, von denen in Frankreich 450.000 Bücher verkauft wurden. Er lebt mit seiner Familie in der Provence.

336 Seiten, kartoniert
Originaltitel: L’Autre – Le souffle de la hyene
Aus dem Französischen von Wolfgang Renz
www.ullstein-taschenbuch.de