Brosnan, John – Anderwelt

Die beiden Romane von John Brosnan, die hier in einem Band erscheinen, wurden bereits 1997 unter den Titeln „Verflixt und zugehext“ und „Hokuspokus Hexenkuß“ in der |Allgemeinen Reihe| des |Heyne|-Verlags veröffentlicht. Neben der genialen Himmelsherren-Trilogie, die in der |Heyne|-SF-Reihe herauskam, sind diese beiden Bände leider die einzigen Werke Brosnans, die nach Wissen des Rezensenten auf Deutsch erschienen sind. Bedenkt man die Qualität dieser fünf Bücher, so ist dies um so bedauerlicher, denn vor allem die Trilogie um die Skylords gehörte wohl zum Besten, was die SF der 90er Jahre hervorgebracht hat.

Ganz so überragend sind die beiden hier in einem Band vorliegenden Fantasyromane zwar nicht, aber trotzdem stellen sie blendende Unterhaltungswerke dar, die sich durch frechen und despektierlichen Stil und süffisanten Humor auszeichnen. Im Gegensatz zu anderen Autoren satirischer Bücher gelingt es Brosnan aber, zudem noch eine spannende und wie aus einem Guss wirkende Geschichte zu erzählen und damit die arg dröge wirkenden Nummernrevuen mancher Kollegen zu vermeiden. Dabei pfeift der Autor völlig auf jedwede Political Correctness. Sein Held ist sogar dermaßen despektierlich, dass er sich bei einem Barbarenwettkampf, zu dem er sich gezwungen sieht, als „Travis der politisch nicht Korrekte“ anmelden will, was der Kampfrichter der primitiven Welt, in die es unseren Zeitgenosse Travis verschlagen hat, natürlich nicht versteht. Travis Begründung für seinen Namen: In seiner Welt müsse man schon verdammt heldenhaft sein, um sich als politisch nicht korrekt zu bezeichnen.

Auch sonst lässt der Protagonist verbal ganz schön die Sau raus, zumal er glaubt, sich in einer Computersimulation zu befinden. Dass ihn ein mächtiger Zauberer wirklich in die Parallelwelt namens Samella versetzt hat, will er zuerst nicht wahrhaben.

Denn eigentlich ist Travis Thompson Journalist und hatte einen Artikel über den mächtigen Gideon Leonard Prenderghast schreiben sollen. Bei Travis‘ Interview mit dem Magnaten hatte er diesen allerdings sehr undiplomatisch mit dessen dunklen Machenschaften und schmutzigen Geschäften konfrontiert, ohne zu ahnen, dass Prenderghast ein mächtiger Zauberer aus einer fernen Dimension ist.

Als Strafe findet sich der arme Travis schnell in einer barbarischen Welt voller Magie aber ohne Sanitäranlagen wieder, ausgestattet nur mit einem magischen Revolver, der ihm immerhin einige Macht verleiht. Zudem trifft er den Filmproduzenten Jack deSilva aus L. A., einen Spezialisten für trashige und manchmal auch schlüpfrige C-Filme, der es sich ebenfalls mit Prenderghast verscherzt hat und deshalb „verbannt“ wurde. Allerdings hat der mächtige Zauberer Jack zudem in einen kleinen, schmierigen, ewig Marlboro rauchenden Dämon verwandelt, was gut zu Jacks Charakter passt.

Und so steht der arme Travis plötzlich in einer fremden Welt da, die er zuerst für eine Computersimulation hält, und versucht verzweifelt den Schlüssel zu finden, der ihm die Wiederkehr in seine ursprüngliche Realität ermöglichen könnte, hat bald eine abgehalfterte Prinzessin am Bein, die ihm nur Ärger bringt und ist so richtig ratlos …

So weit, so trivial! Aber was Autor Brosnan aus dieser Ausgangssituation macht, ist aller Ehren wert. Eine schrillere Queste hat die Fantasy kaum je gesehen.

Egal, ob Travis von merkwürdigen Elfen angeschwuchtelt wird, er gegen eine Mischung aus Trollen und englischen Fußballhooligans kämpfen muss oder im zweiten Buch verzweifelt versucht, seine Heimatstadt London nach seiner Rückkehr vor der Verwüstung durch seine samellanischen Begleiter zu schützen – die beiden Romane sind durchgängig äußerst vergnüglich zu lesen.

Anderwelt ist sicherlich kein intellektueller Hochgenuss, aber spritzig und prickelnd wie eine Flasche Champagner ist die hier erzählte Geschichte zweifellos, voller Chuzpe und frech wie Oskar.

Da beginnt ein Kapitel auch schon mal mit der Einleitung: „Um genau 22 Uhr explodierte in einer Seitenstraße neben einem Platz im Londoner East End ein Huhn.“ (S. 300)

Wer sich also auf eine grelle Achterbahnfahrt einlassen möchte und wenigstens ein gerüttelt Maß Humor besitzt, dem sei das vorliegende Buch wärmstens empfohlen.

|Originaltitel: Damned and Fancy / Have Demon, Will Travel|

_Gunther Barnewald_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|