Arthur C. Clarke – 2001 – Odyssee im Weltraum

SF-Klassiker: Der Weltraum als mystische Erfahrung

Dieser Roman erschien im gleichen Jahr wie der zugehörige Film: 1968. Aber die literarische Idee ist viel älter. Schon 1948 formulierte Clarke in seiner Kurzgeschichte „Der Wächter“ (The Sentinel) den Einfall, dass ein Sternenvolk der Menschheit zu Intelligenz verholfen habe und nach dem Ausgraben des Wächtersteins auf dem Mond erfahren würde, dass die Menschen die Raumfahrt entwickelt hätten.

Der Autor

Sir Arthur C. Clarke, geboren 1917 in England, lebt seit den fünfziger Jahren in Sri Lanka. Seine besten und bekanntesten Werke sind „Die letzte Generation “ (Childhood’s End) und „2001 – Odyssee im Weltraum“. Ebenfalls empfehlenswert ist der Startband des RAMA-Zyklus: „Rendezvous mit 31/149“ (Rendezvous with Rama), von dem Morgan Freemans Filmproduktionsfirma seit Jahren eine Verfilmung vorbereitet. Er hat aber auch als Ingenieur Schlagzeilen gemacht, als er das Modell für einen künstlichen Satelliten entwarf. Das war immerhin schon 1947.

– 2001 – Odyssee im Weltraum
– 2010 – Das Jahr in dem wir Kontakt aufnehmen
– 2061 – Odyssee III
– 3001 – Die letzte Odyssee

Handlung

Der Anfang

Am Anfang ist die Erde „wüst und leer“, wie es in der Genesis heißt. Schließlich ein Menschenaffe und seine wenigen Artgenossen, die als friedliche Pflanzenfresser neben Tapiren koexistieren (das wird sich ändern). Diese Sippe ist die von Alphamännchen Mond-Schauer. Seinen Namen erfahren wir aus dem Roman von Arthur C. Clarke, nicht aus dem Film. Die Menschenaffen verständigen sich zwar, aber Sprache würde man das nicht nennen. Eingesetzt wird diese Kommunikation aus Beschwichtigungs-, Droh- und Wutschreien besonders dann, als Mond-Schauers Sippe vom einzigen Wasserloch weit und breit verjagt wird und eine andere, wildere Sippe das Loch übernimmt.

Mond-Schauers Sippe ist ganz klar vom Aussterben bedroht, und die Angst vor dem nächsten Angriff des Leoparden ist in seinen Augen abzulesen. Am nächsten Morgen steht ein schwarzer Monolith von perfekter Glätte aufrecht vor ihm. Ligetis Requiem aus atonalen Stimmen steigert sich bedrohlich. Dem anfänglichen Schrecken weicht die Berührung dieses unnatürlichen – und in der Tat außerirdischen – Objektes: Es ist eine Lernmaschine.

Mond-Schauer und seine Leute wandeln sich von Menschenaffen zu Affenmenschen: Die Entdeckung eines Oberschenkelknochens als Werkzeug und Waffe ist ein Triumph, der im Film mit Richard Strauß‘ „Also sprach Zarathustra“ gebührend gefeiert wird.

Schon bald triumphiert Mond-Schauer über die Tapire, schmeckt Blut, isst Fleisch und besiegt die feindliche Sippe im Kampf um das Wasserloch, Brudermord inklusive. Die Geschichte der Menschheit ist offensichtlich eine Geschichte der Gewalt, des Mordens – und der dabei eingesetzten Technik. Mond-Schauer wirft sein Werkzeug des Sieges in die Luft, den Knochen.

Vier Millionen Jahre später.

Der Knochen hat sich in eine Raumfähre verwandelt. Heywood Floyd, ein führender Bürokrat der Nationalen Raumfahrtbehörde, befindet sich auf dem |PanAm|-Flug der „Orion“ zur halb fertigen Orbitalstation, die von zwei Satelliten von ferne begleitet wird (einer zeigt die deutsche Flagge!). Neben ihm schwebt sein Füllfederhalter: ein weiterer Knochen.

Auf der Station schlendert Floyd nach dem Sicherheitscheck am Hilton-Hotel und Howard-Johnson-Restaurant vorbei, ruft seine Tochter (Vivian Kubrick) an, wimmelt ein paar neugierige Russen ab und trifft endlich beim Anlass seines Besuchs hier ein: eine Sitzung der Verwalter der amerikanischen Zone des Mondes. Die Amis teilen sich die Mondverwaltung mit den Russen.

Seltsame Dinge gehen auf Luna vor sich, und Floyd muss die Maßnahmen rechtfertigen: In seiner Rede erneuert er die Kontrolle, die seine Behörde ausübt, indem er die Tarngeschichte einer Epidemie und die Nachrichtensperre verteidigt. Aber warum das alles? Floyd fliegt mit dem Mondtransporter „Aries“ und zwei Kollegen weiter. Das Ritual des Essens verbindet sie mit Mond-Schauers Sippe.

Der Astrodom der amerikanischen Mondbasis öffnet sich wie eine Blüte. Der Weiterflug führt zum Krater Tycho, wo die Ursache des Aufruhrs und der Anlass für Floyds Reise steht: Es ist eine weitere Ausgabe des schwarzen Monolithen: TMA-1. Der erstaunliche Befund: Er wurde vor vier Millionen Jahren hier verbuddelt, von wem, weiß man nicht. Floyd kann nicht umhin, es Mond-Schauer nachzumachen: Er muss das mysteriöse Objekt berühren. Dieses stößt nicht nur einen schrillen Pfeifton aus, sondern sendet zugleich ein starkes Radiosignal – zum Saturn. Der Monolith ist ein Wachposten. Wen oder was warnt er?

18 Monate später.

Anders als bei Kubrick fliegt die „Discovery“ mit den Astronauten Poole, Bowman und drei weiteren an Bord nicht zum Jupitermond Europa, sondern zum Saturnmond Japetus. Die „Discovery“, ein knochenförmiges (was sonst?) Raumschiff, fliegt auf den Riesenplaneten zu. Die Startvorbereitungen waren natürlich wieder mal supergeheim, so dass weder die zwei wachen Piloten David Bowman (Dullea) und Frank Poole (Lockwood) noch die drei im Kälteschlaf eingesargten Wissenschaftler ahnen, was der wahre Grund ihrer Reise ist. Der Einzige, der ihn kennt, ist kein Mensch, sondern ein „Elektronengehirn“, eine künstliche Intelligenz namens HAL-9000. Dem Paar der zwei wachen Piloten entspricht das Zwillingspaar der beiden HAL-9000s, dem an Bord der „Discovery“ und dem in Houston bei der NAC. Man ist auf Ausfallsicherheit und Kontrolle bedacht. Entsprechend technisch ist der Jargon, in dem man kommuniziert.

Das nützt aber alles nichts, als HAL Dave Bowman bekannt gibt, dass in 72 Stunden ein Bauteil der Außenantenne zu 100 Prozent und mit absoluter Sicherheit ausfallen werde. Der Grund: „ein menschlicher Irrtum/Fehler“. Eine seltsame Begründung für einen neutralen Computer, der ständig seine Verpflichtetheit gegenüber der „Mission“ beteuert. HALs Zwilling kann die Prognose nicht bestätigen. Als auch Bowman an dem ausgebauten Bauteil keine Fehler finden kann und somit HAL widerlegt, überlegen er und Poole, HAL abzuschalten. HAL kann ihre Pläne von ihren Lippen ablesen und ergreift Gegenmaßnahmen.

Beim Wiedereinbau des Bauteils kappt er mit Hilfe der Greifarme des Außenbordmoduls Pooles Luftschlauch, so dass der Astronaut nicht nur erstickt, sondern auch abtreibt. Ein Abfangversuch Bowmans ist zwar erfolgreich, doch HAL weigert sich, das Schleusentor zu öffnen, damit Bowman mit Pooles Leiche an Bord zurückkehren kann. Nach einem extrem riskanten Manöver durch die Notluftschleuse legt Bowman HALs Gedächtnisspeicher lahm. Erstaunt verfolgt er die nun von HAL freigegebene, bislang geheim gehaltene Botschaft von Mission Control, verlesen durch Heywood Floyd: Ziel der Mission war das außerirdische Objekt, das von dessen 4 Millionen Jahre altem Gegenstück im Mondkrater Tycho angefunkt wurde. Clarke macht uns HALs Wahnsinn viel deutlicher klar, als Kubrick es andeutet.

Wenige Stunden oder Tage später.

Die gesamte Besatzung außer Bowman ist tot. HAL hatte die Kälteschläfer von den lebenserhaltenden Systemen abgeschnitten. Die Katastrophe des technischen Menschen ist perfekt, die Niederlage vollständig. Was bleibt da noch zu tun?

Bowman entdeckt auf dem Saturnmond Japetus ein riesiges weißes Oval, eine Art Auge, das über die Erde wacht. Er nähert sich dem schwarzen Monolithen im Zentrum des Auges und wird durch das Sternentor katapultiert. Er passiert die „Grand Central Station of the Galaxy“ und landet auf der Oberfläche einer roten Sonne, wo er von unbegreiflichen Wesenheiten untersucht wird. Schließlich wird er als „Sternenkind“, als übermenschliches Weltraumwesen wiedergeboren und verhindert den Atomkrieg auf der Erde.

Mein Eindruck

Sobald man sich an Clarkes betulichen Tonfall aus den sechziger Jahren gewöhnt hat – er erklärt alle Geschehnisse ganz genau – macht es richtig Vergnügen, Bowmans Odyssee zum Saturn zu folgen. Der unentrinnbare Konflikt zwischen Mensch und Technik bzw. Maschine beginnt schon mit dem Gebrauch des ersten Werkzeugs durch Mond-Schauer und endet erst, als Bowman HALs Speichermodule deaktiviert – der erste Mord (an einem Rivalen) findet sein Echo in einem letzten Mord (an einer intelligenten Maschine). Dazwischen liegt ein Erwachen. Es beginnt, als Bowman keinen Zutritt zur „Discovery“ erhält. Er soll sterben wie sein Kollege Poole. Denn HAL hat ja den Menschen an sich als Störfaktor und Bedrohung der Mission ausgemacht. Der Mensch muss kämpfen oder aussterben, abgelöst durch eine Maschinen-Evolution. (Diese hat beispielsweise der Science-Fiction-Autor und Physiker Gregory Benford geschildert.)

Das Erwachen und der Mord an HAL führen Bowman zu einer weiteren Stufe des Bewusstseins. Weiterzukommen hilft ihm das Sternentor, das der schwarze Monolith bietet. Durch Stufen der Alterung und des Todes gelangt Bowman – als Vertreter der Menschheit – zu einem Neuanfang: als Sternenkind. Erst jetzt ist der Mensch nicht mehr fremd im Kosmos, sondern ein Teil davon. Und nimmt am Tanz der Himmels-Körper teil. Clarkes Vision von der Zukunft des Menschen kommt sehr deutlich zum Ausdruck: Wer in den Weltraum vorstoßen will, kann nicht wie Heywood Floyd Scheuklappen aufsetzen und Maulkörbe verteilen, sondern muss wie Dave Bowman die Augen öffnen und sich vom großen Outdoors verändern lassen. Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.

Das Vorwort

Neben der ursprünglichen Kurzgeschichte „Der Wächter“ ist dem Band auch ein erstaunlich umfangreiches Vorwort von Stephen Baxter beigefügt. Baxter ist mittlerweile einer der führenden Köpfe der sogenannten Hard-Science-Fiction, die sich auf die Naturwissenschaften stützt, um ihre Geschichten aufzubauen. Er wirft interessante Fragen auf: Sind die Monolithen gute oder böse Maschinenwesen? Und: Wo sind sie alle geblieben, wenn sie uns vor Urzeiten geholfen haben? Er zieht Parallelen zu Romanen von Gregory Benford (Contact-Zyklus) und Fred Saberhagen (Berserker-Zyklus), die Clarke erst in seinem letzten Odysssee-Roman, „3001 – Die letzte Odyssee“, weiterführt und abschließt (mehr oder weniger befriedigend).

Insgesamt ist dieser SF-Roman es wert, in die Sammlung jedes Science-Fiction-Fans aufgenommen zu werden.

Broschiert: 265 Seiten
Originaltitel: 2001 – A Space Odyssey, 1968
Aus dem Englischen übertragen von Egon Eis
www.heyne.de

Interessante Website dazu: www.modemac.com/2001/
Arthur C. Clarke Foundation: ww.clarkefoundation.org