John Sinclair – Die Teufelsuhr (Folge 45)

Kreisch! Die Großvateruhr ist des Teufels!

Um 1908 beerdigen die Männer des Dorfes Miltonbury drei Kinder und einen Mann in ungeweihter Erde unter eine Eiche, die hinter einem Herrenhaus liegt. Die Zeit deckte den Mantel des Vergessens über den seltsamen Vorgang. Bald weiß niemand mehr von der Lage der Gräber, doch die Familie des Bürgermeisters wahrt das Geheimnis ihrer Existenz. 2008: Hundert Jahre später zeigt sich, dass der Fluch auf dem herrenhaus, dem die Dörfler nur munkelten, existiert und seine ersten blutigen Opfer fordert – die Kinder und der Mann kehren zurück, gerufen von einer Teufelsuhr im Haus…

Die Story erschien erstmals als Band 155 der Bastei-Romanserie.

Der Autor

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 – also vor 32 Jahren – eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem Hause Bastei. Inzwischen sind über 1700 John-Sinclair-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

_Die Inszenierung_

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino, Christopher Walken, Kevin Kostner, Jeremy Irons, Pierce Brosnan und vielen mehr.
Jane Collins: Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Gillian „Scully“ Anderson
Suko: Martin May
Nadine Berger: Elisabeth Günther (Liv Tyler)
Don Mitchell: Dietmar Wunder (Cuba Gooding jr., Adam Sandler, Daniel Graig)
Marion Mitchell: Manja Doering (Reese Witherspoon, Natalie Portman)
Patrick Kiboran: Ernst August Schepmann
Mr. Crawford: Philipp Schepmann
Pfarrer: Hans-Jürgen Wolf (Chazz Palminteri, Hugo ‚Agent Smith‘ Weaving)
George Wood: Lutz Mackensy (Al Pacino, Christopher Lloyd)
Mr. Scott: Wolfgang Ziffer (‚Johnny 5‘, C-3PO)
Harry Kiboran: Helmut Krauss (Marlon Brando, James Earl Jones)
Rick Holloway: Udo Schenk (Ray Liotta, Ralph Fiennes, Gary Oldman, Kevin Bacon …)

Und viele weitere, u. a. für die Kinderstimmen.

Der Produzent ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der John-Sinclair-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes Sinclair-Spezial-Hörspiel [„Der Anfang“ 1818 hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Regieassistenz: Patrick Simon
Hörspielmusik: Christian Hagitte, Simon Bertling, Florian Göbels
Tontechnik: Arne Denneler
Produktion: Alex Stelkens (|WortArt|) und Marc Sieper (|Lübbe Audio|)

_Handlung_

Anno 1908 beklagen die führenden Bürger der walisischen Stadt Miltonbury das Verschwinden dreier Kinder: Shelley Tucker, Phil Russell und nun auch Josh Whitaker. Es gehe bereits das Gerücht um, der Teufel treibe sein Unwesen, erfährt Lehrer Crawford vom Pfarrer, und dass ein Fluch auf der Stadt liege. Der Pfarrer verweist auf das verdächtige Fernbleiben von Rick Holloway beim Gottesdienst. Holloway ist der Verwalter jenes abgelegenen Herrenhauses, das einem Geschäftsmann in London gehört und direkt an den Klippen der Küste liegt. Die Männer, die der Pfarrer zusammengerufen hat, beschließen, dem Haus einen Besuch abzustatten.

In einem Gewitter brechen sie in das Haus ein, denn Holloway ist offenbar in seiner eigenen Hütte. In der Eingangshalle stoßen sie auf wertvolle Kunstobjekte, doch dann entdecken sie eine Tür, die zu einer Kellertreppe führt. An der Wand des Kellers stehen drei Särge, aus denen Modergeruch emporsteigt. Crawford bringt den Mut auf, einen der Särge zu öffnen …

|Hundert Jahre später.|

Vier Gräber befinden sich unter der Eiche unweit des Herrenhauses, drei für die Kinder und eines für Rick Holloway, den George Wood seinerzeit erschoss. Sie sind in ungeweihter, unheiliger Erde bestattet, und nun ist es an der Zeit, dass der Fluch, der auf ihnen liegt, sich erfüllt.

Nadine Berger will sich hier mit Don Mitchell verloben, der das Haus geerbt hat, und hat ihren alten Freund John Sinclair von Scotland Yard eingeladen, mit ihr zu feiern. Auf der Fahrt hilft er Marion Matchell, Dons Schwester, aus dem Straßengraben, in dem sie wegen überhöhter Geschwindigkeit gelandet ist. Sie ist offenbar dem Kiffen und Koksen nicht abgeneigt. Der Empfang ist herzlich, doch Nadine ist nervös. Etwas hat sie erschreckt, merkt Sinclair, und befragt sie. Sie hat Angst vor einem bestimmten Zimmer im Obergeschoss. Dort spuke es, denn sie höre unsichtbare Kinder lachen.

Der Bürgermeister erzählt Sinclair gerade von den drei toten Kindern und Rick Holloway, als ein markerschütternder Schrei die festliche Gesellschaft irritiert. Sinclair erblickt die blutüberströmte Marion, neben ihr ein erstickt gurgelnder junger Mann, offenbar ihr Galan. Sinclair eilt sofort zum Ort dieser Szene im Obergeschoss, kann aber nur noch den Tod des Mannes feststellen. Er bringt die völlig hysterische Marion wieder zur Besinnung und versucht von ihr zu erfahren, was geschehen ist. Sie hat eine kleine Gestalt mit einer Kapuze gesehen, die mit einem Messer auf Freddie einstach. Dessen Blut befindet sich auf Marions Kleidern. Aber wo ist das Kind jetzt? Verschwunden.

Nadine Berger zeigt Sinclair die bemerkenswerte Standuhr, die im Mordzimmer steht und deren Ticken ihr neulich so auf die Nerven ging. Ihr Verlobter Don meint, es handle sich um ein sehr altes Erbstück. Als Sinclair sein geweihtes Kreuz daran hält, reagiert die Uhr funkensprühend: Sie ist offenbar schwarzmagisch aufgeladen. Sinclair will nur seinen Werkzeugkoffer mit magischen Objekten aus dem Auto holen, als er unter der Eiche einen Schatten erblickt – ein lachendes Kind. Ein Schlag trifft ihn von hinten, und er fällt in Bewusstlosigkeit.

Als er daraus wieder erwacht, merkt er, dass ihn die Gestalt eines gespenstischen Mannes zu den Klippen schleift, um ihn auf die Felsen hinabzuschleudern …

_Mein Eindruck_

Diese Folge der umfangreichen Serie ist so etwas wie ein Solitär. Hier treten weder Dämonen noch Teufelstöchter noch irgendwelche Angehörigen der Mord-Liga (erst wieder in Folge 46) auf. Vielmehr könnte die Folge ohne größere Änderungen an praktisch jeder Stelle der Reihe stehen. Es handelt sich um eine klassische Horrorgeschichte, die den erprobten ungeschriebenen Gesetzen des Genres gehorcht. Meinen Respekt für den Autor.

Zunächst wird der Grundstein für den Fluch der Vergangenheit gelegt. Warum der Fluch ausgerechnet hundert Jahre braucht, bis er wirksam wird, wird natürlich mit keiner Silbe begründet. Solche haarspalterische Logik liegt dem Horror fern. Jedenfalls befördern die braven Bürger Miltonburys den vom Teufel besessenen Übeltäter vom Leben zum Tode und sorgen für vier Begräbnisse in unheiliger Erde.

Das ist wichtig, denn gemäß dem Volksglauben können die Seelen nun nicht dorthin gehen, wohin sie eigentlich gehören. Sie schmoren sozusagen in der Vorhölle bzw. im Fegefeuer und sind entsprechend mies drauf, als sie wieder zurückkehren können. Dass auch die drei unschuldigen Opfer Rick Holloways kein astreines Begräbnis erhalten, liegt ebenfalls an Holloway: Er hat den Pfarrer erschossen. Manchmal kommt eben zum fehlenden Glück auch noch das Pech hinzu (um mal einen deutschen Fußballer zu zitieren).

Das Böse lauert immer und überall, diesmal in der Großvateruhr, deren Herkunft als Erbstück nicht erklärt wird. Darin wohnt jedoch der Teufel. Na ja, er könnte überall wohnen, sogar in einem Schuhlöffel, warum also nicht in einer simplen Standuhr? Sie hat zudem den Vorzug, um Mitternacht zu schlagen und die Dämonen loszulassen, die die braven Bürger von Miltonbury in Angst und Schrecken versetzen. Natürlich glaubt außerhalb Miltonburys niemand, der noch bei Trost ist, an solchen Unsinn. Das belegt Don Mitchell, ein Zweifler par excellence, wie ihn sich der Teufel nur wünschen kann.

Selbstredend lauert das Böse nur darauf, dass eine Sünde begangen wird, um sich der armen Seele des sündigen Tropfes bemächtigen zu können. Schon mit der Ankunft der zügel- und hemmungslosen Marion Mitchell – sie versucht ausgerechnet den Cop John Sinclair zum Koksen zu verführen – schwant dem Hörer Übles, und es dauert denn auch nicht lange, bis der Sünden-Fall eintritt, ein Schrei ertönt und das erste Blut fließt. Den armen Freddie hat’s diesmal erwischt. Kein Wunder, dass Marion der Verstand flöten geht und sie reif für die Klapse ist.

Doch wie vertreibt man einen Teufel aus seinem angestammten Domizil, zumal, wenn er vier Helferdämonen hat, die ihm zuarbeiten? Es kommt also endlich zum ersehnten Showdown. Mehr soll nicht verraten werden, außer dass sowohl Rick Holloway als auch die drei Horrorkinder sich als sehr untot erweisen und nur mit Mühe an ihren endgültigen Bestimmungsort geschickt werden können. Wie es das Genre verlangt, wurde der Fluch beendet und die Ursache des Übels beseitigt.

The spoils to the victor – der Lohn des Kampfes winkt dem Sieger. Und John Sinclair bekommt das Mädchen. Sie heißt Nadine Berger. Bemerkenswerterweise scheint er auf Entzug zu sein, was sein Liebesleben angeht (Jane liegt im Krankenhaus), und so akzeptiert er dankbar, was sie ihm anzubieten hat (womöglich die Äpfelchen des Paradieses).

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Macher der „Geisterjäger“-Hörspiele suchen ihren Vorteil im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück erledigen Pigulla (diesmal aus dem Off), Kerzel, Glaubrecht und Co. dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

Übertriebene Ausdrucksweisen heben die Figuren in den Bereich von Games- und Comicfiguren. Das kann bei jugendlichen Hörern ein Vorteil sein. Die Figuren schreien wütend, fauchen hasserfüllt oder lachen hämisch. Diesmal sind die Lacher allerdings eher auf Seiten Rick Holloways, und die Opfer wälzen sich unter Kreischen und Gurgeln von der Bühne. Auftritt John Sinclair als spiritus rector und Inkarnation von Güte und Vernunft. Allerdings hängt er schon bald am Rande einer Klippe – Mitbibbern ist angesagt!

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Diesmal herrschen die Geräusche vor, die man im Umfeld von Herrenhäusern zu hören erwartet, sei es drinnen oder draußen: erst Gelächter, dann Gekreisch, und hin und wieder eine tickende Uhr – memento mori. Die Geräuschkulisse ist erstaunlich realistisch, wirkt aber nie überladen, sondern stets erscheinen die Geräusche als notwendig. Ein Markenzeichen der Serie sind Schüsse und Funkdurchsagen. Von beidem gibt es stets jede Menge.

|Musik|

Die Musik gibt ziemlich genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und leitet in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem Orchester eingespielt, und so entsteht der Eindruck, die Begleitmusik zu einem alten Hollywood- oder British-Horror-Movie zu hören. Stets gibt sie sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit einem klassischem Instrumentarium produziert. Mit einer einzigen Ausnahme: Die Titelmelodie der Serie erschallt in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher und die Macher. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 16 Jahren.

_Unterm Strich_

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis. Dabei kommt aber die Action nie zu kurz, auch nicht die Romantik. Nadine Berger wendet sich furchterfüllt an den Retter John Sinclair, der die bösen Dämonen vertreiben wird, oder etwa nicht?

Die Polizei ist dein Freund und Helfer, und zwar auch im Bereich des Übernatürlichen. Das hat den Vorzug, nicht immer logisch sein müssen. Warum erfüllt sich der Fluch erst nach exakt hundert Jahren? Warum sitzt der Teufel in einer Standuhr? Warum tragen die Kinder mit den Messern – sie erinnern an [„Wenn die Gondeln Trauer tragen“ 4438 – die Ziegenfratze, die Satan nur auf uralten Darstellungen präsentiert? Warum können nur die Erzengel Beistand leisten, nicht aber simple Projektilwaffen – weil die Angreifer untot sind. Wenigstens eine Antwort kenne ich.

Darf ich mir jetzt auf die Schulter klopfen? Man darf eine Horrorserie, die sich selbst nicht ganz ernst nimmt, auch nicht als ernst gemeint beurteilen, sonst wäre man entweder ein Beckmesser oder ein Narr. Ich hoffe, weder das eine noch das andere zu sein.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Die Action kommt niemals zu kurz, was die Game-Freunde doch einigermaßen zufriedenstellen sollte.

55 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3370-7
http://www.sinclairhoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.wortart.de