del Toro, Guillermo / Hogan, Chuck – Saat, Die

Ein Flugzeug aus Berlin befindet sich im Landeanflug auf New York. Pilot und Tower tauschen letzte Instruktionen aus, bevor die Maschine Kurs auf die Landebahn nimmt. Die Worte des Piloten, „ist doch immer wieder schön, nach Hause zu kommen“, sind die letzten, die gesprochen werden. Das Flugzeug landet planmäßig, doch danach bricht der Funkverkehr ab. Die Maschine hat sich offensichtlich komplett abgeschaltet – kein Licht, kein Funkverkehr, und auch keine panischen Anrufe von den Passagieren im Inneren. Sie steht einfach still und tot auf dem Rollfeld. Nachdem sich das Flughafenpersonal die Situation nicht erklären kann, schlagen sofort Notfallpläne an, schließlich geht man im Moment von einem terroristischen Anschlag aus – 9/11 ist gerade in New York immer noch gegenwärtig. Außerdem ruft man die CDC, die Seuchenschutzbehörde hinzu, schließlich könnte es auch sein, dass mit dem Flug irgendetwas Biologisches eingeschleppt wurde.

Und so tritt Ephraim Goodweather auf den Plan, der eigentlich ein Wochenende mit seinem Sohn verbringen wollte. Stattdessen findet er sich auf dem Flughafen wieder, wo er in voller Schutzmontur dabei ist, das Flugzeug zu betreten. Er und seine Kollegin können die Passagiere nur noch tot bergen – bis auf vier Ausnahmen, die sofort ins Krankenhaus zur Untersuchung geschafft werden. Der Rest der Insassen zeigt keinerlei Anzeichen eines Kampfes oder gar Angst. Alle scheinen so schnell gestorben zu sein, dass für derlei keine Zeit blieb.

Niemand kann sich auf diese seltsame Geschichte einen Reim machen. Zwar ist es verdächtig, dass sich im Frachtraum eine riesige, mit Erde gefüllte Holzkiste findet. Doch bevor man diese näher untersuchen kann, ist sie auch schon verschwunden. Und da man sich auch nicht in der Lage sieht, die vier Überlebenden unter Quarantäne zu stellen, sind die bald auf dem Weg zu ihren Familien. Ein fataler Fehler, wie sich schnell heraus stellt. Denn mit dem Flieger ist tatsächlich eine Seuche eingeschleppt worden – eine vampirische nämlich. Und während die Passagiere des Flugzeugs sich langsam in bluthungrige Untote verwandeln, verfolgt der Besitzer der Holzkiste offensichtlich eine größere Agenda. Und aufhalten können ihn nur Ephraim und seine Mannen.

„Die Saat“, der erste Teil einer Trilogie, stammt aus der Feder von Guillermo del Toro und Chuck Hogan. Wobei man natürlich nur spekulieren kann, wer wie viel Schreibarbeit übernommen hat, schließlich ist del Toro eher als Regisseur und Produzent bekannt geworden. Kein Zweifel allerdings besteht darüber, wer die zentralen Ideen für den Romanstoff geliefert hat. Das Buch ist eindeutig in del Toros Ideenwelt angesiedelt und es ist nicht schwer, Motive zu identifizieren, die del Toro auch in seinen Filmen immer wieder anzitiert. Besonders deutlich wird das, wenn man den Film [„Blade II“]http://www.powermetal.de/video/review-299.html kennt, bei dem del Toro seinerzeit Regie führte. Beim Lesen von „Die Saat“ fühlt man sich immer wieder an die mutierten Vampire aus „Blade II“ erinnert und es ist nahe liegend anzunehmen, dass del Toro dieses Romanprojekt dazu genutzt hat, Ideen, die er für den Film hatte, auszuformulieren und weiter zu führen. Allerdings bleibt er, wie in „Blade II“ auch, eher an der Oberfläche und konzentriert sich aufs Herumrennen und Abknallen, anstatt seinen Figuren Tiefe und Dreidimensionalität zu verleihen.

Sowohl im Film als auch im vorliegenden Buch sind Vampire weder romantisch noch anziehend. Stattdessen sind sie fast zombiehafte Kreaturen, die es nach Blut gelüstet – bei dessen Beschaffung sie selbstverständlich über Leichen gehen. Sie sind kahlköpfig, blass, haben rotglühende Augen und weisen einige physische Veränderungen auf. Denn Vampirismus ist eine hochansteckende Seuche, sie wird durch Kontakt mit dem Blut eines Vampirs übertragen. Wie ein Krebsgeschwür bilden sich daraufhin im Körper des Wirts neue Organe, während andere verkümmern.

Der Roman beginnt viel versprechend: Das gestrandete Flugzeug erscheint nach ein paar Seiten tatsächlich tot und verlassen und den Autoren gelingt es, eine unheimliche und bedrohliche Stimmung herauf zu beschwören. Auch als Leser weiß man in diesen Momenten noch nicht, wohin die Reise gehen wird. Alles ist ungewiss, und doch dräut das Unglück schon über der Handlung. Diese Szenen sind sehr atmosphärisch und bilden den frühen Höhepunkt des Romans. Dass es danach mit den Erzählkünsten und dem Spannungsbogen nur noch abwärts geht, lässt allerdings schnell Enttäuschung aufkommen. Die ohnehin eher schablonenartigen Hauptcharaktere verlieren sich in einem Wust von Nebencharakteren, Nebenschauplätzen und belanglosen Details.

Del Toro und Hogan haben ihr Buch als großes grauenerregendes Panorama angelegt, doch leider geht diese Rechnung nicht auf. Bei ihrem Versuch, dem Leser in Cinemascope-Manier viele einzelne Szenen zu präsentieren, um so das empfundene Grauen zu potenzieren, verlieren sie über weite Strecken den roten Faden der Handlung aus den Augen. Da wird zwanzig Seiten lang eine Sonnenfinsternis beschrieben, die für den weiteren Verlauf des Romans absolut nicht von Belang ist. Da wird wieder und wieder beschrieben, wie Vampire Menschen angreifen, die sich dann wiederum in Vampire verwandeln anstatt an einem gewissen Punkt einfach einen Schlussstrich zu ziehen und sich mit „und viele Menschen wurden gebissen“ zu begnügen. Da werden dem Protagonisten Eph zu allem Überfluss eine Scheidung und ein Sohn angedichtet, um beim Leser Sympathie hervorzurufen (eine billige Hollywood-Taktik, die eher dazu führt, dass man sich von Ephs zwischenmenschlichen Problemen zunehmend genervt fühlt).

Schlussendlich kann man sich nach der Lektüre des Eindrucks nicht erwehren, trotz der 520 Seiten nicht wirklich viel erfahren zu haben. Der Obervampir Sardu, Grund für die in New York ausbrechende Seuche, wird nur angerissen und bleibt mysteriös. Seine Motive bleiben im Dunkeln, ebenso wie die Frage, warum er Eph immer nur droht, anstatt ihn einfach ins Jenseits zu befördern (der alte Fehler aller billigen Fieslinge). Ebenso ergeht es dem Strippenzieher in den USA, einem Magnaten namens Eldritch Palmer, der zwar immer mal wieder im Roman vorkommt, aber ebenfalls keine tragende Rolle erhält. So fühlt sich „Die Saat“ wie ein besonders langer Prolog an, was der Roman angesichts der geplanten weiteren zwei Teile vielleicht auch ist. Doch stellt man den Roman für sich, lässt er einen unbefriedigt und mit zu vielen Fragen zurück.

Dabei hat das Autorenduo del Toro/Hogan einige interessante Ideen. So gibt es viele Anleihen sowohl bei Bram Stokers [„Dracula“ 210 als auch beim südosteuropäischen Volksglauben zum Thema Vampir. Wie das Flugzeug völlig ohne Lebenszeichen auf der Rollbahn strandet, erinnert stark an die Demeter, das Schiff, mit dem Dracula in Stokers Roman nach England reist, und das mit toter Mannschaft während eines Sturms in den Hafen von Whitby einläuft. Ebenfalls bei Stoker angelehnt ist die Figur des kautzigen, alten Vampirjägers Abraham (!) Setrakians, der in seiner Jugend in einem KZ bereits die Bekanntschaft Sardus machte und seitdem Vampiren den Kampf angesagt hat. Insgesamt können die guten Ideen und versteckten Anspielungen jedoch nicht über die offensichtlichen Längen des Romans hinweg täuschen. Der Roman lohnt sich somit vor allem wegen des wunderbar gelungenen Beginns. Der Rest, die Jagd auf die Vampire und der Versuch, die Seuche einzudämmen oder auszurotten, bleibt leider im Mittelmaß stecken.