Alan Dean Foster – Die Eissegler von Tran-ky-ky (Icerigger 1)

Humorvolles Planetenabenteuer mit Tiefgang

Die auf einem Eisplaneten gestrandeten Passagiere eines Rettungsbootes treffen auf eine Kultur von großwüchsigen Humanoiden, die auf einer mittelalterlichen Stufe eine Feudalgesellschaft aufgebaut haben. Und die sind scharf auf das Metall des Fliegers. Dafür gewähren sie Gastfreundschaft. Doch wenn die Schiffbrüchigen zum nächsten Stützpunkt der Menschen weiterreisen wollen, gibt es eine kleine Bedingung: Sie sollen helfen, den alljährlichen Angriff einer Barbarenhorde abzuwehren. Zunächst sieht das für die Menschen wie ein Klacks aus, doch der Eisplanet hat seine Tücken.

Der Autor

Alan Dean Foster, geboren 1946 und aufgewachsen in Los Angeles, begann bereits 1971, phantastische Erzählungen zu veröffentlichen. Am bekanntesten ist er für seine Future History des Humanx Commonwealth, eine Gemeinschaft von Welten, in der Menschen (human) und die insektoiden, aber friedliebenden Thranx koexistieren. Dabei müssen sich sich der echsenartigen Aann erwehren, die in das Commonwealth eindringen wollen.

Der erste Roman, „Das Tar Aiym-Krang“, erschien 1972. Eine der Hauptfiguren der losen Serie ist der Junge Flinx. Noch heute schreibt Foster Romane, die in diesem Privatkosmos spielen. Foster ist einer der bekanntesten Verfasser von Romanfassungen (novelizations) bekannter SF-Filme, darunter „Star Wars“, „Alien“, „Outland“ und zehn „Star Trek Logs“.

Auch der vorliegende Roman spielt im Humanx Commonwealth und ist der Startband einer losen Trilogie aus folgenden Romanen

– Die Eissegler von Tran-ky-ky (1974, O-Titel: Icerigger)
– Die Moulokin-Mission (1979, The Moulokin Mission)
– Die Fahrt der Slanderscree (1987, The Deluge Drivers)

Die drei Romane gibt es in einem Sammelband und als E-Book. Weitere empfehlenswerte Humanx-Romane sind „Cachalot“ und „Midworld“ (1979, dt. Titel: „Die denkenden Wälder“), die beide bei Heyne erschienen.

Handlung

Der Sternenkreuzer „Antares“ ist unterwegs zwischen den Welten, als es zu einem folgenschweren Zwischenfall kommt. Drei Kidnapper haben es auf den schwerreichen Industriekapitän Hellespont Du Kane und seine Tochter Colette abgesehen. Sie packen das Paar in ein Rettungsboot, als sich die „Antares“ dem Eispalaneten Tran-ky-ky nähert, um sie dort von der Bodenstation Brass Monkey aus wieder zurück zur Erde zu schaffen und Lösegeld zu fordern. Die drei Entführer stoßen auf einige unerwartete Schwierigkeiten, so etwa die, dass sie noch zwei weitere Passagiere mitnehmen müssen: den Handelsvertreter Ethan Fortune und den Lehrer Milliken Williams. Sie sind unwillkommene Augenzeugen und sollen erschossen werden.

Als sie im Rettungsboot ablegen, merken sie zu ihrer Verwunderung, dass darin bereits ein Passagier schläft: Skua September. Der Riese, der im Boot seinen Rausch ausschlafen sollte, ist gar übellaunig ob der Ruhestörung und erfasst die Lage sofort. Als er angegriffen wird, setzt er sich tatkräftig zur Wehr. Leider stören die aggressiven Aktivitäten die Kurssteuerung des Rettungsbootes dergestalt, dass es vom Kurs abkommt und abstürzt. Von den drei Entführern überlebt nur der mickrige Walther, den September genügend einschüchtert, dass er die Klappe hält. Selbstredend ist das Funkgerät zerstört, so dass keine Möglichkeit besteht, die Station Asurdun alias Brass Monkey zu Hilfe zu rufen.

Tran-ky-ky

Auf Tran-ky-ky ist es ganz schön kühl. Für die Einheimischen herrschen wohltemperierte 60 °C unter dem Gefrierpunkt, doch für Menschenwesen fühlt es sich wie eine Tiefkühltruhe an. Orkane heulen, gegen die sich ein Hurrikan wie ein laues Frühlingslüftchen anfühlt, und die hiesige Fauna legt einen gesunden Appetit an den Tag. Der „Donnerfresser“ oder Skavanzer, wie ihn die Einhemischen nennen, betrachtet das Rettungsboot als eine Art Fleischbüchse, zu der er den Dosenöffner darstellt. Allerdings hat das eingedoste Frischfleisch etwas gegen das Gefressenwerden und entwickelt Strategien, um sich der zudringlichen Annäherungsversuche des in der Nacht zuschlagenden Riesenwurms zu erwehren. Skua September hat den vollen Durchblick und macht seinen Schicksalsgenossen klar, dass sie hier wegmüssen und zwar prestissimo.

Da taucht eines Morgens eine Delegation der Einheimischen auf, und die sind wirklich eine Schau. Diese Tran, wie sie sich nennen, haben ihre Körper optimal an die Umweltbedingungen angepasst. Ihre Füße, die Chivs, sind zum Gleiten auf Eis mit einer Art Kufen und Bremsklauen ausgestattet, zwischen ihrem hohen Oberkörper und den Armen weisen die Tran eine Flügelhaut auf, mit der sie den Wind einfangen und sich somit windgetrieben fortbewegen lassen können. Ansonsten sind sie erstaunlich humanoid. Ritter Hunnar und seine tapferen Begleiter schauen sich die Eindringlinge in das Königreich Sofold mal genauer an. Sie selbst tragen Speere, Schwerter und Bögen, sind also recht wehrhaft, wohingegen die Eindringlinge nichts dergleichen vorzuweisen haben.

Skua September

Skua September ist weiß Gott nicht der geborene Diplomat, und in seiner unendlichen Weisheit überlässt er die Verhandlungen dem Handelsvertreter Ethan Fortune. Ethans Perspektive ist auch die unsere, und so verfolgen wir mit Interesse, wie es ihm gelingt, sich verständlich zu machen. Als Geschäftsmann mit einer Nase für einen neuen Markt merkt er schnell, dass die Tran eines nicht haben, was er gerade mitgebracht hat: Metall. Er sagt ihnen zu, dass sie den Metallberg des Rettungsbootes bekommen, wenn sie ihm und seinen Gefährten Schutz gewähren. Topp, der Handel gilt!

In Wannome, der Festung und Hauptstadt des sofoldianischen Königreichs, regiert der Landgraf Torsk Kurdagh-Vlata. Wannome umschließt einen großen Handelshafen – aus Eis, versteht sich. Händler aller Länder auf dem Eisplaneten laufen ihn regelmäßig an. Ethan hat sich mit Hilfe von Hypnobändern unterrichten lassen und erkennt, auf welcher Kulturstufe sich das Volk von Wannome befindet: auf der des europäischen Mittelalters. Es gibt hier sogar einen Hofzauberer, mit dem sich der Schulmeister Williams sogleich gutstellt. Wie sich erweisen wird, ist das der Beginn einer wunderbaren und sehr erfolgreichen Freundschaft.

Die Tischsitten sind, wie nicht anders zu erwarten, die des Mittelalters, und die Ratssitzungen ebenfalls. Damit können sich September und Ethan gut anfreunden. Sogar eine Prinzessin gibt es hier: Efta sieht aus wie eine Walküre und auch ihre amourösen Annäherungsversuche werden von Ethan als die einer Walküre empfunden. Unter Aufbietung allen diplomatischen Geschicks entfernt er sie aus seiner Kemenate. Dass es auch Meuchelmörder in der Burg gibt, entdeckt er zu seinem Schrecken am nächsten Morgen. Zum Glück kann sein Eingreifen Schlimmeres verhindern, und so rettet er das Leben des Landgrafen. Dass dieser ihm nun zu Dank verpflichtet ist, wird sich später, bei der Weiterreise nach Asurdun, auszahlen.

Gefahr im Verzug

Doch zuvor gilt es ein weiteres Hindernis zu beseitigen. Die HORDE hat ihr Kommen angekündigt. Diese Barbaren fordern von allen besuchten Siedlungen alljährlich Tribut oder selbige werden dem Erdboden gleichgemacht. Nachdem Sofold in den letzten Jahren auf diese demütigenden Forderungen eingegangen ist, fordern die jungen Krieger dieses Jahr, sich dem Hordenanführer zu widersetzen und dem schmachvollen Treiben ein Ende zu setzen. Sir Hunnar gelingt es, auch die Erdlinge für sein Vorhaben zu gewinnen, und September hat auch schon eine Idee, wie dies zu bewerkstelligen sei. Dafür brauchen sie allerdings bessere Waffen als die vorhandenen. An diesem Punkt kommen Williams und der Zauberer ins Spiel …

Mein Eindruck

„Eissegler“ ist ein Planetenabenteuer reinsten Wassers. Es ist packend, bunt und humorvoll erzählt. Seien es packende Actionszenen oder die Begegnung mit einer verliebten Prinzessin – stets gewinnt der Autor dem Dargestellten eine witzige, meist ironisch erzählte Seite ab. Es gibt kaum einen Satz von Bedeutung, der nicht auch eine humorvolle Wendung nimmt.

Was auf dieser unteren Ebene gilt, findet sich auch auf der obersten Ebene wieder: der Handlungsstruktur. Das beginnt schon bei der schiefgegangenen Entführung und endet nicht mit der siegreichen Abwehr der HORDE, ja nicht einmal mit der abenteuerlichen Odyssee den neu gebauten Eisseglers „Slanderscree“. Noch der allerletzte Satz des Romans beinhaltet einen Witz – wenn man in der Lage und willens ist, ihn zu verstehen. Denn jeder Witz hat eine zweite Ebene, sonst würde er nicht funktionieren. Diese zweite Ebene ist manchmal nicht so offensichtlich, wie es aussieht.

Wie auch immer: „Eissegler“ bietet „good, clean fun“, wie er für die mittleren 70er Jahre typisch war. Das ist jene Zeit, als Filme wie „Krieg der Sterne“ entstanden. Und halb erwartete ich auch, in Fosters Roman aus dem Jahr 1974 eine intergalaktische Handels-Station namens Mos Eisley erwähnt zu finden. Doch diese großen Dimensionen sind Fosters Sache nicht, auch nicht das heroische Pathos, das George Lucas‘ Sternenmärchen zugrunde liegt.

Fosters Blickpunkt ist in „Eissegler“ immer nah dran am Geschehen und an den Figuren. Hinzukommt, dass Ethan Fortune (ein sprechender Name) im Grunde ein Hasenfuß ist, der das Kämpfen mit Waffen nicht gelernt hat und einen natürlichen Widerwillen gegen das Töten hat. Verteidigung ist aber in Ordnung. Und wenn die Lage aussichtslos erscheint, fällt dem Zauberer ein Kniff ein, der andere Helfer herbeiruft – beispielsweise „Donnerfresser“ …

Fantasy-Nähe

Allerdings ist dieses Planetenabenteuer auch nah dran an der Fantasy. So gibt es auch die Fabeltiere namens Drachen. Sie starten einen Angriff auf die „Slanderscree“, können aber abgewehrt werden. Auch der Besuch in einer Klosterburg von mittelalterlichen Mönchen ist sehr nah dran an der Fantasy. Das erinnert mich an Gordon Dicksons humorvollen Zeitreiseroman „Die Nacht der Drachen“. Und in der Tat lässt sich die Expedition der Schiffbrüchigen mit einer Zeitreise ins Mittelalter vergleichen. Sie bringen dabei auch neue Technologie mit: Armbrust, Signalspiegel und natürlich das Schwarzpulver.

Entwicklungshilfe

Wenn man will, kann man diese Handlung auch mit einer mehr oder weniger fröhlichen Art von Entwicklungshilfe der Amerikaner für den unterentwickelten Rest der Welt gleichsetzen. Sie sind hier noch die Heilsbringer, weit entfernt vom Horror des Vietnamkrieges. Doch Fosters Erdlinge sitzen keineswegs auf dem hohen Ross, sondern müssen vielmehr die Hilfe der „Eingeborenen“ in Anspruch nehmen, um überleben zu können. Zu guter Letzt ist auch die „Slanderscree“ zu einem guten Teil von tranischen Soldaten besetzt und gesteuert, was sich als großer Vorteil herausstellt, beispielsweise bei der Drachenabwehr und dem Herbeirufen von Donnerfressern.

Homanx Commonwealth

Als der entflohene Kidnapper Walther wieder auftaucht, kommen die Gesetze des Homanx Commonwealth zur Anwendung. Sie sehen vor, dass keine Technologie, erst recht nicht Waffen, an unentwickelte Planetenpopulationen abgegeben werden. Walther schert sich nicht darum, denn wer will das schon überwachen? Er hat vor, der Anführerin der HORDE so viele Waffen zu geben, wie sie braucht, um Sofold dem Erdboden gleichzumachen. Nach ihm die Sintflut. Dabei haben allerdings Ethan und Skua September ein gewichtiges Wörtchen mitzureden.

Wie man sieht, hat Foster auch den Missbrauch von moderner Technik berücksichtigt und die entsprechenden Verbote in seinen Privatkosmos gleich eingebaut. Das unterscheidet ihn von der US-Militärideologie der fünfziger und sechziger Jahre, als Hilfsvölker rekrutiert, mit US-Waffen versehen und als Hilfstruppen gegen ausgewählte Feinde (Kommunisten, Sozis usw.) eingesetzt wurden. Das ging in Vietnam schief (die Südvietnamesen zählten weit mehr Opfer als die Amerikaner) und dürfte jetzt auch wieder im Irak schiefgehen.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist kongenial gelungen und lässt sich sehr flüssig lesen. Zwar werden Wörter und Phrasen benutzt, die inzwischen, nach fast 30 Jahren, als veraltet gelten dürfen, doch die Verständlichkeit ist sehr hoch, weil kaum Fremdwörter vorkommen. Ich habe mir jedoch das Wörtchen „chivanieren“ (Seite 101ff) angestrichen, weil es nicht erklärt wird. Es erklärt sich aus dem Kontext, eine Neubildung, die so viel wie „das Eisgleiten auf Tranfüßen“ bedeutet.

Landkarten und ein Glossar fehlen, doch sie finden sich in der Humanx-Commonwealth-Konkordanz im |Heyne SF Magazin| 12 von 1985. Wer online sucht, sollte nach den Autoren Robert Teague und Michael Goodwin fahnden.

Unterm Strich

„Die Eissegler von Tran-ky-ky“ ist einer der gelungensten humorvollen Abenteuerromane der Science-Fiction. Sein auf den ersten Blick sorgloses Erscheinungsbild erweist sich aber auf einer zweiten Ebene als ein Modell für die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Völkern, die nicht auf Kontrolle basiert, sondern auf gegenseitigem Vertrauen. Das schließt auch die Proliferation von verbotenen Waffen an skrupellose Machthaber (die Anführerin der HORDE) aus.

Wie man sieht, hat Foster die Fehler des Vietnamkrieges beachtet und vermieden. 1974, als der SF-Roman erschien, war nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen – die Gegenkultur der so genannten Hippies und Marxisten war in die innere Emigration gegangen, nach dem Ende des Vietnamkrieges begann sich der Widerstand der Veteranen zu formieren. Die No-Future-Generation entstand.

Der Autor von „Eissegler“ leugnet diese Probleme in der US-Gesellschaft nicht, sondern entwirft mit dem Humanx Commonwealth eine Alternative: einen Völker-, nein, Rassenbund, quasi eine Art „Vereinte Nationen“, in der die unterschiedlichsten Spezies kooperativ zusammenleben, gemeinsame Bedrohungen abwehren und inneren Gefahren Einhalt gebieten.

Die Regierungsvertreter in Fosters Commonwealth „werden durch rigorose Testprozeduren ausgewählt. Um ihre Eignung für den jeweiligen Posten zu beweisen, müssen sie in periodischen Abständen neue Tests durchlaufen. Dieses System würde ich gerne für unsere Regierungen einführen. Es ist etwas beleidigend Primitives an Regierungen (…), die von jedem ihrer Postbeamten einen Nachweis seiner geistigen Kompetenz fordern, aber keine vergleichbaren Tests für jene vorsehen, die als Präsidenten, Premierminister, Kanzler oder Parteisekretäre eingesetzt werden sollen…“ (zitiert nach „Lexikon der Science Fiction Literatur“, Seite 446f., 1988, ISBN 3-453-02453-2).

Hinweise

Eine Konkordanz des Commonwealth findet sich im |Heyne SF Magazin| Nr. 12, Seite 170-251 (1985). Hier sind Karten von Sternsystemen, Welten und ganzen Galaxien zu finden, aber auch von Abbildungen von Waffen und Kreaturen. Das Glossar ist besonders nützlich, um die verschiedenen fremden Realien – Lebewesen, Orte, Fahrzeuge usw. – zu verstehen.

Eine gewisse Fortsetzung erfuhr „Eissegler“ in dem Flinx-Roman „Der Kollapsar“. Hier wird Skua September zum Vater von Flinx gemacht, dem Serienhelden. Es ist bemerkenswert, dass September bereits in „Eissegler“ als Verursacher eines interplanetaren Krieges bezeichnet wird (d. h. er tut es selbst), welcher 120 Millionen Opfer forderte. Diese Zahl schockt nicht nur Ethan Fortune, unseren Gewährsmann, sondern sollte auch dem „Eissegler“-Leser zu denken geben.

Der humorvolle Erzählstil, der bis zur letzten Zeile auf ironische Weise auch jugendliche Leser zu unterhalten weiß, scheint diese ernstere Bedeutung zu verdecken, aber wer genau hinsieht, kann sie ohne weiteres entdecken.

Taschenbuch: 335 Seiten
Originaltitel: Icerigger, 1974
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel
ISBN-13: 978-3453304970

www.heyne.de