Hennig von Lange, Alexa – Ich habe einfach Glück

Alexa ist Hannoveranin, im Jahre 1973 geboren. Ihren ersten Roman veröffentlichte sie 1997, die Rede ist vom Bestseller „Relax“. Danach folgten die mehr oder weniger guten Romane „Mai 3D“ und „Ich bin’s“. „Ich habe einfach Glück“ erschien 2002 und wurde mit dem Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.
Wir kennen Alexa aber auch aus dem TV. So moderierte sie eine lange Zeit die Kindersendung „Bim Bam Bino“ und tauchte schon einige Male bei Harald Schmidt auf. Wer diese Auftritte gesehen hat, wird Alexa kennen, da es mit ihr doch sehr lustig und skandalös zuging.
Mittlerweile ist Alexa übrigens mit Autor Joachim Bessing verheiratet und Mutter zweier Kinder.

_Über Magersucht, Sexentzug und Neurosen_

Alexa Hennig von Lange nimmt uns in „Ich habe einfach Glück“ mit in eine deutsche Vorstadtidylle. Wir lernen eine nach außen hin völlig normale und intakte Familie kennen. Protagonistin und Ich- Erzählerin ist die 15 Jahre junge Lelle. Ihre Schwester ist Gotsch, steht nach Aussage ihrer kleinen Schwester „auf rumbumsen“ und grenzt sich weitgehend aus der Familie aus. Sie fühlt sich ungeliebt, zertrümmert gerne mal ihre Geige und droht der Familie mit Selbstmord. Außerdem hasst sie ihren Vater, der sich geschickt aus allem raushält und nach der Arbeit schnell im Keller verschwindet, um Schuhe zu putzen. Die Mutter macht in dieser neurotischen Familie keine Ausnahme. Sie hat panische Angst vor Bakterien, zwingt ihre Kinder sich umzuziehen, wenn sie von draußen ins Haus kommen, da die Kleidung von Bakterien verseucht sein könnte. Auch sonst hat sie größtenteils Angst. Angst, dass sich Gotsch umbringt oder einfach abhaut, was sie schön öfters getan hat, oder sie verfolgt Lelle bis an die Klotür aus Angst, deren Magersucht könnte zur Brechsucht werden. Seit Kurzem verspürt sie auch immer ein Stechen in der linken Brust, in der Hoffnung, die Kinder würden weniger anstrengend sein, wenn sie mit Herzinfarkt droht.
Einen Handlungsstrang in diesem Minenfeld zu kreieren, ist nicht schwer, und so bringt Hennig von Lange den von den von Eltern als „Stricher“ bezeichneten jugendlichen Nachbarn Arthur mit ins Spiel und lässt Gotsch ohne Nachricht verschwinden. Lelle nimmt die Suche gemeinsam mit ihrem Schwarm Arthur auf.

_Macht das Lesen dieses Buches glücklich?_

Alexa Hennig von Lange schildert hier eine eigentlich brisante Situation aus den Augen eines 15-jährigen Mädchens. Natürlich passiert das in der Sprache der Jugend, völlig unverblümt und zum Teil auch unreflektiert. Deshalb könnte dem einen oder anderen der Sinn des Romans abhanden kommen und dieser einfach als Unterhaltungslektüre abgetan werden. Hinter dem Ganzen verbirgt sich natürlich ein tieferer Sinn. So verhindert Lelle durch ihre Essstörung das Frauwerden, abgemagert ist sie, der körperliche Reifeprozess verzögert. Zudem äußert sie öfters den Wunsch, so dünn zu werden, dass sie einfach verschwindet. Sicherlich um dem Kontrollzwang der überführsorglichen Mutter zu entkommen. Die läuft dem Kind ständig hinterher und liegt ihm mit den Worten „Iss was, sonst fällst du noch tot um!“ ständig in den Ohren. Sie setzt sich mit dem Kind nicht normal auseinander, sucht kein richtiges Gespräch. Der Vater bekommt davon natürlich nichts mit, wenn er nach der Arbeit gleich in den Keller flüchtet, „Mama“ beschwert sich darüber natürlich: „Papa will nicht mehr mit mir Kuscheln“. Man macht sich Gedanken, was die anderen aus der Nachbarschaft über sie denken, der Schein muss gewahrt werden. So ist es geradezu ironisch, dass der Schwarm von Lelle, Arthur, als Asi und Chaot abgetan wird. Sind es doch die Verhältnisse in der eigenen Familie, die chaotisch sind. Völlig zerstört ist da Verhältnis zwischen Gotsch, die sich schon völlig von der Familie entfremdet hat und in Wutausbrüchen auch gerne mal was kaputtschlägt. Mit ihrem Vater hat sie gar nichts am Hut. In einem Brief wollte sie ihm die Meinung sagen, der hat den Brief ungeöffnet weggeschmissen. Dies ist bezeichnend, es finden keine anständigen Gespräche statt, immer nur sehr oberflächlich. Mit dem Vater gibt es keine Kommunikation, die Mutter nervt die Kinder mit ihren Neurosen und den Bemühungen, nach außen hin als heile Familie zu wirken.
Eigentlich ist das alles doch ziemlich tragisch, trotzdem ist die Komik allgegenwärtig, und so ist die Lektüre von „Ich habe einfach Glück“ herrlich unterhaltsam, lustig, aber auch spannend. Seinen Zweck erfüllt der Roman, wenn man am Ende feststellt, dass alle Familien ihren ganz eigenen Knall haben und alles gut ist, solange sich alle lieb haben.