Jilliane Hoffman – Morpheus

Jilliane Hofmann weiß, wovon sie spricht, wenn sie ihre Heldin C.J. Townsend in den Gerichtssaal schickt. Hofmann war selbst stellvertretende Staatsanwältin von Florida, doch man kann ihr nur wünschen, dass sie nicht mit solchen Fällen zu tun hatte wie C.J.

In „Cupido“, dem Vorgängerbuch, hatte C.J. damit zu tun, einen Serienmörder, der sie während ihres Studiums brutal vergewaltigt hatte, hinter Gitter zu bringen. Dass sie ihre Anklage darauf stützte, dass sie Beweise zurückbehielt, kostet nun die drei Polizisten, die als Einzige neben ihr vom entlastenden Tonband wussten, das Leben. Ein Mörder zieht durch die Straßen Miamis – und er hat es auf Polizisten abgesehen, die Dreck am Stecken haben.

C.J., die mit Special Agent Dominick Falconetti mittlerweile verbandelt ist, gehen diese Morde sehr nahe, und sie glaubt, eine Verbindung zum Cupido-Fall zu sehen. Tatsächlich verfolgt sie dieser aufsehenerregende Prozess immer noch, und zwar nicht mehr nur in ihren Träumen. Der verurteilte Bill Bantling legt Berufung ein – weil seine Anwältin ihm entlastende Beweise vorenthalten hat. C.J. weiß, auf welch wackligen Füßen die Verurteilung steht, und sie weiß auch, dass Bill Bantling geschworen hat, sie umzubringen, wenn er jemals freikommen sollte …

„Morpheus“ verbindet erneut einen Kriminalfall mit einem Prozessthriller, allerdings viel stärker verwoben als zuvor, denn während bei „Cupido“ eins nach dem anderen kam, vermischt Hoffman die beiden Stränge in diesem Fall.

Der Anfang des Buches gelingt der Autorin sehr gut. Auch ohne Vorwissen des ersten Bandes kann man dem linearen, zügig fortschreitenden Plot gut folgen. Hoffman lässt dem Leser kaum Luft zum Atmen. Sie serviert ihm einen Mord nach dem anderen in kurzen Kapiteln und ohne unnötigen Ballast. Die sehr bildliche Darstellung von Wetter, Ort, Situation oder auch den blutigen Tatorten überrascht durch ihre knappen, aber präzisen Worte, die beinahe schon Drehbuchcharakter haben und sehr plastisch im Kopf des Lesers wirken. Trotz der Wortknappheit schafft Hoffman es, Details wie zum Beispiel die Zahlencodes in den Funksprüchen der Polizei zu erklären, ohne den Leser mit Informationen zu überfordern. Ihre beste Waffe sind allerdings die zwei Perspektiven, die jeden Mordfall umrahmen: einmal die des Opfers und zudem die des Täters. Ohne zu viel über den Täter zu verraten, verfüttert sie dem Leser immer wieder kleine Häppchen, die ihn den gemutmaßten Verdächtigenkreis einengen lassen.

Leider fährt das Buch auf dieser Schiene nicht bis zur Endstation. Die Mordserie wird von Bantlings Berufungsverhandlung unterbrochen, die zwar ebenfalls ihre Höhepunkte hat, sich dabei aber sehr stark auf das labyrinthische amerikanische Rechtssystem stützt. Hoffman tut ihr Bestes, um den |Williams Rule| und Ähnliches zu erklären, doch die Masse an trockenen Informationen und die ebenfalls etwas nüchtern geratene Gerichtsverhandlung bescheren der Geschichte einen Durchhänger auf halber Wegstrecke.

C.J. Townsend ist eine durchdachte, aber nicht unbedingt originelle Figur. Sie hat zwar ihre Vergangenheit, doch viel Platz, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln, bekommt sie in diesem Buch nicht zugestanden. Dadurch, dass es viele andere Perspektiven gibt, liegt der Fokus nicht auf ihrer Person, und die Verbindung zwischen ihr und dem Mordfall wirkt etwas mühsam. Diese hat kaum Platz, um sich zu entwickeln, und dadurch geht dem Thriller einiges an Spannung verloren.

„Morpheus“ ist insofern bemerkenswert, als es der Autorin sehr gut gelingt, eine Brücke zu ihrem ersten Buch zu schlagen. Sie verwertet den Inhalt von „Cupido“ auf ganz eigene Weise und verbindet ihn mit einem weiteren Serienmord. Allerdings ermüdet das Buch nach der Hälfte etwas, weil der Prozess unnötig streckt. Der Schreibstil mit seiner knappen und treffenden Wortwahl bekommt alle Sympathien, aber die Protagonistin, die im ersten Buch noch im Mittelpunkt stand, hat hier nur wenig Raum zur Entfaltung, was sehr schade ist.

Taschenbuch: 400 Seiten
Originaltitel: Last Witness
Besprochene Auflage: November 2006
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