Laurell K. Hamilton – Finsteres Verlangen (Anita Blake 13)

„Finsteres Verlangen“, der dreizehnte Band der Anita-Blake-Reihe geht richtig gut, weil klassisch, los: Anita sitzt in ihrem Büro bei Animators Inc. einem Kunden gegenüber, der eine sehr gefährliche Aura ausstrahlt und einen Vorfahren erweckt haben will. Dieser Einstieg lässt hoffen, stellt sich dieser Kunde doch als Auftragskiller heraus, was zu allen möglichen Verwicklungen und Schießereien führen könnte. Könnte, denn Laurell K. Hamilton entscheidet sich stattdessen dafür, den viel versprechenden Auftakt für die nächsten paar Hundert Seiten unter den Tisch fallen zu lassen, um erst am Schluss wieder darauf zurückzukommen. Vielmehr füllt sie den gesamten Mittelteil des Romans mit Bettgeschichten und Machtspielchen, wobei sich die Bettgeschichten in vielen Fällen unter Machtspielchen subsumieren lassen. Belle Mortes Stellvertreterin Musette ist nämlich in St. Louis eingetroffen, um etwas Unruhe zu stiften. Scheinbar ist Belle Mortes Ego angekratzt, weil zwei Männer (Jean-Claude und Asher) sie verlassen haben und auch kein Interesse daran zeigen, zu ihr zurückzukehren. Diese Tatsache scheint ihr erst einige Jahrhunderte nach dem tatsächlichen Ereignis aufzufallen, aber dafür ist sie jetzt eben besonders eingeschnappt. Und eingeschnappte Vampire sind nie ein Vergnügen.

Vor allem nicht für den Leser. Denn wie schon im vorangegangenen Band spielt sich der Hauptteil der Handlung (wobei „Handlung“ hier wohl ein Euphemismus ist) zwischen irgendwelchen Laken ab. Immer noch muss Anita ständig ihre Ardeur befriedigen. Und wenn die Ardeur nicht als Begründung für eine Sexszene herhalten kann, dann ist es eben die Tatsache, dass Anita mit einem Mann schläft, nur damit Musette ihn nicht haben kann. Laurell K. Hamilton ergeht sich in endlosen Ergüssen darüber, wer mit wem und warum oder warum eben nicht. Und wenn gerade niemand Sex hat, dann wird ein großes Vampirbankett für Musette vorbereitet, bei dem – man ahnt es – sich letztlich alle entweder abschlachten oder abschlabbern. Dass die Vampire sich in Seide, Leder, Rüschen und sonstigen Töfftöff werfen, um sich gegenseitig zu beeindrucken, trägt nur noch zur Lächerlichkeit bei. Hamilton hat ein fatales Faible für kitschigen Neobarock und lässt ihre untoten Charaktere herumlaufen wie Models für historische Liebesromane. Wie so viel Glitter beim Gegenüber Eindruck schinden oder gar Furcht hervorrufen soll, wird wohl auf ewig Hamiltons Geheimnis bleiben.

Nicht nur in Sachen Kleidungsstil hat Hamilton längst die Grenze des guten Geschmacks überschritten. Das Problem an „Finsteres Verlangen“ ist die Tatsache, dass es meilenweit von den ersten Anita-Blake-Romanen entfernt ist. Damals schrieb Laurell K. Hamilton Urban Fantasy – Geschichten über eine toughe Heldin, bei denen es ordentlich zur Sache ging. Die sich nicht nur gegen die Monster, sondern auch gegen die Männer in ihrem Leben behaupten konnte. Da wurde geschossen und gestorben, dass es eine Freude war. Mittlerweile hat Hamilton allerdings das Genre gewechselt und so geht es jetzt anderweitig zur Sache: Nachsichtige Gemüter mögen den Roman unter „Erotica“ einsortieren. Weniger Zartbesaitete werden wohl schlicht das Wort mit „P“ benutzen, um „Finsteres Verlangen“ zu beschreiben. Als langjähriger Leser der Reihe fühlt man sich zwangsläufig ums Lesevergnügen gebracht, denn man bekommt definitiv nicht mehr das, was vor Jahren dafür gesorgt hat, dass man überhaupt Fan der Reihe wurde. Dabei kann es Hamilton noch. Der starke Anfang und selbst der recht flott zusammengeschusterte Schluss lassen erkennen, dass Anita noch Tote erwecken und übernatürliche Verbrechen lösen kann. Warum sich Autorin Hamilton stattdessen immer und immer wieder in endlosen Sex-Gewaltfantasien ergeht, möchte man als Leser eigentlich gar nicht so genau wissen. Die Antwort kann nur noch mehr enttäuschen.

Und so ist „Finsteres Verlangen“ nur solchen Lesern zu empfehlen, denen es nichts ausmacht, dass ein Roman kaum Handlung vorzuweisen hat. Auch ist es von Vorteil, die ersten Romane der Reihe nicht zu kennen – denn dann weiß man zumindest nicht, was man verpasst. Solche Leser mögen vielleicht sogar Vergnügen an den ewig wechselnden Sexualpartnern und ständig variierenden Bettgeschichtchen haben. Große Literatur sollte man aber auch hier nicht erwarten. Hamilton ist als Autorin von Erotica höchstens Mittelmaß und das liegt zu großen Teilen leider auch daran, dass sie sich selbst ein Bein stellt: Sex ist immer nur ein Mittel, etwas, das aus diesem oder jenem Grund jetzt einfach sein muss. Ihre ständigen Versuche, die unzähligen Sexszenen irgendwie durch die Handlung – oder die interne Logik ihres Universums – zu legitimieren wirken auf Dauer enervierend, bemüht und schlicht lächerlich. Erotisch ist es jedenfalls nicht. Um diesen Effekt zu erreichen, könnte es Hamilton mal mit folgendem spektakulärem Gedankenspiel versuchen: Wie wäre es, wenn die Charaktere auch mal Sex hätten, weil sie schlicht Lust drauf haben? Vielleicht weil sie sich lieben? Oder sich wenigstens attraktiv finden? Das wäre im Universum von Anita Blake mittlerweile ein so ungewöhnliches Ereignis, dass es den geneigten Leser praktisch umhauen könnte. Und zwar ausnahmsweise mal im positiven Sinne.

Taschenbuch: 624 Seiten
Originaltitel: Cerulean Sins
ISBN 13: 978-3404166770
luebbe.de
laurellkhamilton.org

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