Jean-Patrick Manchette – Blutprinzessin

Einige einleitende Informationen über den Autor und sein Werk findet ihr in der Rezension zu „Volles Leichenhaus“.

Dieser posthum erschienene Roman von Jean-Patrick Manchette ist wie seine anderen Werke von einem rasanten Tempo geprägt. Schon nach drei Seiten geht das Gemetzel los. Eine missglückte Entführung, bei der sich die Verbrecher gegenseitig abknallen, bildet den Beginn der Story. Das Anfangstempo wird eine Weile beibehalten, es werden in Zeitsprüngen und Ortswechseln viele Figuren in die Geschichte eingebracht. Der Roman umfasst die Zeitspanne von kurz nach dem 2. Weltkrieg bis zur Mitte der 50er Jahre und verknüpft die Handlung mit Zeitgeschichte, wie etwa den Aufstand in Ungarn oder die Algerienkrise. Der Stil ist einem Spionageroman nachempfunden, denn die Handlung ist international, die Figuren spielen ein doppeltes Spiel und viele Statisten tauchen auf. Manchette spielt mit diesem Genre, wenn er etwa den Tagesablauf der Protagonistin Ivory Pearl in ihrem einsamen Unterschlupf auf Kuba mit genauen Uhrzeitangaben verbindet, was fern jeglicher Zivilisation absolut irrelevant scheint.

Im Berlin der Nachkriegszeit lernt die noch minderjährige Ivory Pearl den britischen Offizier Samuel Farakhan kennen. Sie ist als Waise mit den alliierten Truppen nach Berlin gekommen. Farakhan kümmert sich um Ivory und bringt sie in einem Internat in der Schweiz unter. Sie wird Fotoreporterin und wie schon damals in Berlin fotografiert sie Kriegsschauplätze. Jedes Jahr am Neujahrstag treffen sich Ivory und Farakhan wieder. Dieses Mal ist Ivory völlig entnervt und Farakhan schlägt ihr vor, sich in der Einsamkeit Kubas von ihrem Job zu erholen. Dort lebt sie im Zelt und fotografiert Tiere. Sie lebt spartanisch und geht bei Bedarf in das mehrere Tagesmärsche entfernte Dorf, um sich mit dem Nötigsten zu versorgen. Etwas merkwürdig an der Beschreibung dieses Einsiedlerlebens ist das mobile Fotolabor, das neben der restlichen Ausstattung ziemlich absurd wirkt. Nach einer gewissen Zeit fühlt sich Ivory beobachtet und in ihrer Abwesenheit wurde ihr Zelt durchsucht. Also legt sie sich auf die Lauer. Nun beginnen die Fäden im Hintergrund deutlicher in Erscheinung zu treten. Was auch immer im Hochland in Kuba passiert, die Entscheidung darüber liegt nicht in der Hand von Ivory. Geschickt verknüpft Manchette die Geschichte um die Fotoreporterin mit politischen Intrigen und Spionagetätigkeiten.

Der Roman war ursprünglich als Zyklus geplant und Manchette wollte darin bei den 50er Jahren beginnend die politische Zeitgeschichte verarbeiten. Leider konnte er sein Vorhaben nicht mehr vollenden, denn Manchette starb 1995, bevor er diesen ersten Roman des Zyklus vollenden konnte. Das Buch unterscheidet sich durch seine internationalen Schauplätze von seinen vorherigen Romanen, die ausschließlich in Frankreich spielen. Sehr gut möglich, dass sich damit Manchette einem größeren Publikum erschlossen hätte. Unverändert ist aber auch in „Blutprinzessin“ sein unverkennbarer Stil: kurz und prägnant, auf das Wesentliche reduziert.
Dem unvollendeten Roman sind nach den Arbeitsnotizen des Autors die Fortsetzung und der Ausgang der Geschichte angefügt. Wer noch nie Manchette gelesen hat, sollte nicht unbedingt mit diesem unvollendeten Werk beginnen. Wer aber Manchette bereits kennt, sollte sich davon nicht abschrecken lassen; auch wenn die Notizen am Ende sehr trocken aneinander gereiht werden, so wird doch zumindest das Ende erzählt.

Taschenbuch: 203 Seiten

Maggy
Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins X-Zine veröffentlicht.