James Patterson – Tagebuch für Nikolas (Lesung)

Ein Frau bekommt von ihrem Geliebten, der sie verlassen hat, einen Brief und ein Tagebuch geschickt. Schock! Was sie nie wusste: Er war die ganze Zeit verheiratet und hatte ein Kind. Warum sie ihm trotzdem verzeihen kann, erzählt das Buch auf bewegende Weise.

Der Autor

James Patterson ist einer der erfolgreichsten US-Krimiautoren. Mit seinen Alex-Cross-Romanen, von denen einige bereits verfilmt wurden („Im Netz der Spinne“, „Denn zum Küssen sind sie da“), schrieb er sich in die erste Reihe der Thrillerautoren. „Tagebuch für Nikolas“ ist sein ungewöhnlichstes Buch, aber wenn man sich die Familienschicksale in den Thrillern vor Augen hält, so spricht daraus die gleiche mitfühlende und furchtlose Anteilnahme wie im „Tagebuch“.

Die Aufnahme von „Tagebuch für Nikolas“ ist ungekürzt und 294 Minuten lang, also knapp fünf Stunden.

Die Sprecherin

Franziska Pigulla, geboren 1964, hat bereits mit Joachim Kerzel Ken Folletts Hörbuch „Die Leopardin“ gesprochen, ebenso „das Mädchen“ von Stephen King, „Die Kinder von Eden“ von Ken Follett, diverses von Patricia D. Cornwell und einige Dutzend anderer Produktionen. Während ihrer Schauspielausbildung in Berlin trat sie als Sprecherin im Hörfunk hervor. Später war sie Moderatorin und Sprecherin bei SAT.1, n-tv, SFB, Deutsche Welle TV und bei der BBC. Sie hat u. a. Demi Moore („Ein unmoralisches Angebot“) und Sharon Stone („Begegnungen“, „Basic Instinct“) synchronisiert sowie natürlich Gillian Anderson („Akte X“).

Ihre Tonaufnahme ist von erstaunlicher Präsenz und sehr deutlich gesprochen. Sie verfügt über ein beeindruckendes Gespür für Dramatik: Ganz gleich, ob sie sanft und weich Liebeserklärungen haucht, mit knurrendem Grollen droht oder mit größter Lautstärke Befehle oder Flüche brüllt – stets kommt sie völlig glaubwürdig und lebendig herüber.

Handlung

Leseprobe:

„Mein geliebter kleiner Junge,

stellt dir vor, das Leben wäre ein Spiel, in dem es darum geht, fünf Bälle zu jonglieren. Ich nenne sie Arbeit, Familie, Gesundheit, Freunde und Rechtschaffenheit. Du bemühst dich, sie alle in der Luft zu halten. Bis du eines Tages begreifst: Der Ball, der die Arbeit verkörpert, ist aus Gummi; er wird immer wieder hochschnellen. Die übrigen aber – sie sind aus Glas. Lässt du einen davon fallen, ist er beschädigt, abgestoßen, ja vielleicht sogar für immer in tausend Stücke zersprungen. Denk immer daran!“

(aus dem Tagebuch)

In der erzählten Gegenwart, der Rahmenhandlung, erhält Katie Wilkinson, eine attraktive Verlagslektorin in New York City, eine Briefsendung von Matt Harrison, einem von ihr betreuten Dichter, der in Neuengland lebt. In all der Zeit, als Matt ihr Geliebter gewesen war, hat sie ihn nie in seinem Domizil auf der Insel Martha’s Vineyard besuchen dürfen. Aus gutem Grund, wie sie nun erfährt: Matt ist verheiratet und hat ein Kind. Diese Nachricht bricht Katie das Herz, denn Matt war der einzige Mann, den sie je aus tiefstem Herzen geliebt hat.

Und nun dies: ein Tagebuch und Matts Bitte, es zu lesen. Es gehört Suzanne, Matts Ehefrau. Eigentlich sollte Katie wütend auf Suzanne sein, doch ringt sich dazu durch, Matts Bitte zu entsprechen. Das Buch trägt den Titel „Tagebuch für Nikolas“ und die darin geschilderten Ereignisse werden in der Binnenhandlung erzählt.

Suzanne Bedford ist eine schwer gestresste 35-jährige Ärztin am Massachusetts General Hospital in Boston, als das Schicksal zuschlägt: Bei einem ganz normalen Spaziergang erleidet sie eine Herzinfarkt, doch sie überlebt und erhält einen Bypass. In den zwei Monaten Pause vom Beruf überdenkt sie ihre Lebensziele sowie die Freundschaft zu Dr. Michael Bernstein. Sie erinnert sich an die „Geschichte von den fünf Kugeln“, die ich oben in der Leseprobe zitierte: „Der Ball, der die Arbeit verkörpert, ist aus Gummi; er wird immer wieder hochschnellen. Die übrigen aber – sie sind aus Glas.“

Nachdem sich Bernstein auf schmerzhafte Weise von ihr getrennt hat, beschließt sie, auf Martha’s Vineyard, ihrer alten Heimat, eine Praxis als Landärztin aufzumachen und im Krankenhaus auszuhelfen. Sie trifft einen Jugendfreund wieder: Matt Wolfe ist Anwalt und Kunsthändler. Bei Ausbesserungsarbeiten an ihrem neuen alten Haus lernt sie den unkonventionellen Maler Matt Harrison kennen und verliebt sich in ihn, nachdem ihr „Picasso“ eine Liebeserklärung geschickt hat. Die Hochzeit folgt bereits an Silvester, bald ist Suzanne schwanger und feiert ihren 36. Geburtstag.

Die Geburt ihres Sohnes Nikolas stellt sich für Suzanne als lebensgefährlich heraus. Sie leidet an den Folgen ihres Herzinfarkts, und bei einer späteren Untersuchung stellt sich heraus, dass zwei ihrer Herzkammern beschädigt sind. Dennoch riskiert sie eine zweite Schwangerschaft.

Währenddessen hat Matt über und für Suzanne und seinen Sohn Nikolas „den Krieger“ Gedichte geschrieben, die er in New York City mit Hilfe von Katie Wilkinson veröffentlichen kann. Er verliebt sich in die junge Lektorin.

Nachdem Katie das Tagebuch gelesen hat, fährt sie nach Martha’s Vineyard, um Matt zu suchen. Sie trifft nur die Nachbarin, doch eine Woche später taucht Matt direkt vor ihrem Verlagsgebäude auf. Er kniet den ganzen Tag auf dem Boden! Was zum Geier soll das denn, fragt sie sich. Sie hat festgestellt, dass sie selbst schwanger ist. Soll sie sich wirklich dazu herablassen, zu einem Mann zurückzukehren, der sie monatelang nach Strich und Faden belogen und betrogen hat? Aber vielleicht lernt auch Katie die Lektion der fünf Kugeln.

Mein Eindruck

Wir wissen, dass James Patterson ein ausgefuchster Routinier im Erzählen von spannenden Geschichten ist. Und daher wird auch aus dem harmlos klingenden „Tagebuch für Nikolas“ unter Pattersons Händen eine äußerst raffiniert erzählte Geschichte, die dem Zuhörer einige Aufmerksamkeit abverlangt. Sowohl die Zeitebenen wechseln ständig und mit ihnen die Hauptfiguren, als auch das Medium, mit dem erzählt wird: Brief, Tagebuch, Anrufe, direktes Geschehen – alles ist da. Und mit diesen Mitteln baut Patterson eine Spannung auf, die erst gegen Schluss das zentrale Geheimnis enthüllt, auf dem die Spannung aufbaut. (Ich hüte mich, auch nur Andeutungen zu machen, aber erfahrene Leser können es sich an fünf Fingern ausrechnen.) Die Abwechslung sorgt dafür, dass das Hörbuch an keiner Stelle langweilig wird.

Natürlich ist die ganze Story ein Fall für die Tränendrüsen. Am besten hat man sich bereits vor dem Beginn des Hörbuchs eine große Familienpackung Papiertaschentücher bereitgelegt, um sie im Notfall einzusetzen. Dieser Notfall tritt mit der Zunahme der dramatischen Ereignisse ebenso zunehmend häufiger auf. Wenigstens wirkt der Ausklang der Geschichte wie Balsam für die romantische Seele. Dabei drückt sich der hartgesottene Autor nicht einmal so geschwollen aus wie einer der berüchtigten Julia-Groschenromane, sondern sagt alles Wichtige mit möglichst einfachen Worten. Und das kann manchmal eben das Schwierigste sein.

Die Sprecherin

Pigulla ist seit „Die Leopardin“ eine meiner bevorzugten Sprecherinnen. Bei „Tagebuch für Nikolas“ ist mir ihre dunkle, samtweiche Stimme wirklich unter die Haut gegangen. Ich möchte nicht mehr über die ausgelösten Gefühle sagen, aber wer gar nichts bei diesem Vortrag empfindet, der ist bereits tot.

Unterm Strich

„Tagebuch für Nikolas“ ist eine sehr bewegende Geschichte, die von Franziska Pigulla ausgezeichnet und in völlig ungekürzter Form vorgetragen wird. Ich könnte mir vorstellen, dass sogar die Sprecherin ihre Momente hatte, in denen ihr die geschilderten Szenen fast das Herz brachen. Feststeht, dass sich die Geschichte in mein Gedächtnis eingegraben hat. Zynische Zeitgeister werden die Story wohl als weinerlichen Groschenroman abtun, aber Zyniker können eben nicht anders, als damit über ihre eigene Gefühlswüste hinwegzutäuschen.

4 Audio-CDs
Sprecherin: Franziska Pigulla
ISBN-13: 978-3785712634

www.luebbe.de