Robert A. Heinlein – Farnhams Oase. Sechs Amerikaner auf einer Reise in die Zukunft

Versklavte Amerikaner

Farnham, ein umsichtiger Makler, hat vorgesorgt. Er überlebt mit fünf Gefährten einen atomaren Angriff, weil er sich zu Friedenszeiten einen Bunker gebaut hat. Doch sein scheinbar so sicherer Bunker wird in eine Welt der Zukunft gescheudert … (Verlagsinfo)

Dieser Roman ist unter dem Titel „Reise in die Zukunft“ 1967 als Heyne SF 3087 und 1977 als Heyne SF 3535 erschienen. Bastei-Lübbe veröffentlichte 1994 die ungekürzte Fassung.


Der Autor

Robert Anson Heinlein (1907-1988) wird in den USA vielfach als Autorenlegende dargestellt, sozusagen der „Vater der modernen Science Fiction“. Allerdings begann er bereits 1939, die ersten Stories im Science Fiction-Umfeld zu veröffentlichen. Wie modern kann er also sein?

Wie auch immer: Heinleins beste Werke entstanden zwischen 1949 und 1959, als er für den Scribner-Verlag (bei dem auch Stephen King veröffentlicht) eine ganze Reihe von Jugendromanen veröffentlichte, die wirklich lesbar, unterhaltsam und spannend sind. Am vergnüglichsten ist dabei „The Star Beast / Die Sternenbestie“ (1954). Auch diese Romane wurden vielfach zensiert und von Scribner gekürzt, so etwa „Red Planet: A Colonial Boy on Mars“ (1949/1989).

Allerdings drang immer mehr Gedankengut des Kalten Krieges in seine Themen ein. Dies gipfelte meiner Ansicht nach in dem militärischen Roman „Starship Troopers“ von 1959. Im Gegensatz zum Film handelt es sich bei Heinleins Roman keineswegs um einen Actionknaller, sondern um eine ziemlich trockene Angelegenheit. Heinlein verbreitete hier erstmals ungehindert seine militaristischen und antidemokratischen Ansichten, die sich keineswegs mit der der jeweiligen Regierung decken müssen.

Mit dem dicken Roman „Stranger in a strange land“ (1961/1990), der einfach nur die Mowgli-Story auf mystisch-fantastische Weise verarbeitet, errang Heinlein endlich auch an den Unis seines Landes Kultstatus, nicht nur wegen der Sexszenen, sondern weil hier mit Jubal Harshaw ein Alter Ego des Autors auftritt, der als Vaterfigur intelligent und kühn klingende Sprüche von sich gibt. „Stranger“ soll Charles Manson zu seinen Morden 1967 im Haus von Sharon Tate motiviert haben. Sharon Tate war die Gattin von Regisseur Roman Polanski und zu diesem Zeitpunkt schwanger.

Als eloquenter Klugscheißer tritt Heinlein noch mehrmals in seinen Büchern auf. Schon die nachfolgenden Romane sind nicht mehr so dolle, so etwa das völlig überbezahlte „The Number of the Beast“ (1980). Einzige Ausnahmen sind „The moon is a harsh mistress“ (1966, HUGO), in dem der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg auf dem Mond stattfindet, und „Friday“ (1982), in dem eine weibliche und nicht ganz menschliche Agentin ihre Weisheiten vertreibt.

Größtes Lob hat sich Heinlein mit seiner Future History (1967) verdient, die er seit den Vierzigern in Form von Stories, Novellen und Romanen („Methuselah’s Children“, ab 1941-1958) schrieb. Dieses Modell wurde vielfach kopiert, so etwa von seinem Konkurrenten Isaac Asimov.

Heinleins Werk lässt sich sehr einfach aufteilen. In der ersten Phase verarbeitet er auf anschauliche und lebhafte Weise physikalische und soziologische Fakten, die zweite Phase ab 1947 wurde bis 1958 mit Jugendromanen bestritten, die ebenfalls sehr lesbar sind. Die dritte Phase beginnt etwa ab 1959/1960 und ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass, wie ein Kenner anmerkte, Heinlein Meinungen als Fakten ausgibt. Daher lesen sich diese überlangen Schinken wie Vorlesungen und Traktate statt eine gute Geschichte zu erzählen. Hinzukommt, dass Heinlein rekursiv wird: Er klaut bei sich selbst und besucht, etwa in „Die Zahl des Tiers“ (1980), die Universen seiner Zunftkollegen – hier wird die Science Fiction inzestuös. Das mag für eingefleischte SF-Fans ganz nett sein, die ihre Insider-Gags sicherlich genießen, doch für Outsider ist es einfach nur langweilig zu lesen.

Handlung

Hugh Farnham, ein umsichtiger Immobilienmakler, hat vorgesorgt. Er überlebt mit sechs Gefährten – Männer und Frauen und (wie so oft bei Heinlein) eine Katze – einen atomaren Angriff, weil er sich in Friedenszeiten bereits einen Bunker gebaut hat.

Doch sein scheinbar so sicherer Bunker wird in eine Welt der Zukunft geschleudert. Zunächst glauben die sechs geretteten Amerikaner (plus Katze) das große Los gezogen zu haben: Freie, unberührte Natur breitet sich vor ihnen aus. Da mag man gerne Babys zur Welt bringen, und die junge Tochter Karen tut das auch – ein Kind, das noch in der alten Welt gezeugt wurde. Nicht so hastig: Sie stirbt bei der Geburt, das Kind einen Tag später. Karens Freundin Barbara lässt sich mit Karens Vater ein. Der Alte wendet sich von seiner dem Alkohol ergebenen Frau ab. Diese und ihr gemeinsamer Sohn Duke wollen sich von den anderen trennen, als sich alles ändert.

Sklavenhändler

Eines Tages taucht Ponse mit seinem Schweber auf, ein farbiger Sklavenhändler, und die Zeitreisenden werden in seinen gigantischen Palast geführt – als Gefangene. Dort müssen sie rackern und schuften für einen Hungerlohn, wie all die anderen 2000 Sklaven. Dieser neuen Welt mit ihren gezüchteten Sklaven (Diener, Beischläferinnen, „Bullen“, Kastraten) müssen sie sich anpassen.

Wildes Treiben

Man betet den „Großen Onkel“ an und isst Menschenfleisch. Farnhams Frau wird „Bettwärmer“ des Ponse. Farnhams Sohn Duke kommt nach einiger Zeit auf ihren Wunsch zu ihr; Duke ist kastriert worden, und er ergibt sich dem permanenten Rausch. Barbara, Farnhams Ex-Geliebte, wird von Zwillingen entbunden (die vom alten Farnham sind).

Rückkehr

Hugh Farnham selbst genießt als Übersetzer einiger geretteter Bücher bald Ansehen bei Ponse. Der Ex-Diener Joe wird als Angehöriger der schwarzen Rasse in die Oberschicht aufgenommen. Farnham, Barbara und die Zwillinge wagen einen Fluchtversuch, der jedoch scheitert. Daraufhin werden sie per Zeitmaschine in die Vergangenheit zurückgeschickt.

Sie erleben dort nochmals den Atomkrieg, überleben ihn auch diesmal und schlagen sich in der folgenden Zeit mit einem Krämerladen durch, den sie „Farnhams Oase“ nennen – Schusswaffen verboten.

Mein Eindruck

Dieser Erwachsenenroman stellt die Verhältnisse, wie sie zur Zeit seiner Entstehung Anfang der sechziger Jahre zwischen den Rassen in den USA herrschten, auf den Kopf. Auf diese satirische Weise zeigt Heinlein mit verstecktem moralischen Zeigefinger, worunter die schwarze Bevölkerung im reichsten Land der Erde zu leiden hat. Es ist aber auch ein rassistischer Roman.

Der Roman ist reaktionär, nationalistisch, rassistisch und sexistisch, aber gut lesbar – wenn man von diesen Mängeln mal absieht. Penetrant vertritt Farnhams Figur hier die Law-and-order-Einstellung des weißen amerikanischen Kleinbürgers oder Mittelschichtlers. Andere würden sagen, dass heinlein den Spieß einfach umdreht und den weißen Amerikanern vorführt, wie sich ihre eigenen schwarzen Sklaven vor nicht allzu langer Zeit gefühlt haben müssen.

Alte weiße Männer

Mit diesem Roman zeigt sich auch eine gewisse Obsession bei Heinlein, die von der Vorstellung herrührt, dass die Familie unabdingbar im Zentrum des Lebens eines Menschen stehe – mit einer Vaterfigur als dominierender Konstante. Diese Obsession bedeutet auch, dass Fortpflanzung durch Inzest in Kauf genommen werden muss, bedeutet aber auch Zeitreisen und Alternativwelten, um gesellschaftliche Tabus zu umgehen.

Lazarus Long ist wie Farnham eine solche dominierende Vaterfigur, und daher taucht er in Heinleins Spätwerk etliche Male auf, beispielsweise in „Die Zahl des Tiers“ (1980). Dieser Patriarch weiß alles besser und hat auch noch im Bett Anspruch auf das jüngste Blut – eine traumatische Figur, die sich durch fast alle späten Werke des Autors zieht.

Taschenbuch: 285 Seiten
Originaltitel: Farnham’s freehold, 1964
Aus dem Englischen von Birgit Bohusch und Marcel Bieger.
ISBN-13: 9783404241835

www.luebbe.de

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