Robert A. Heinlein – Gestrandet im Sternenreich

Karriere im All: Vom Tierpfleger zum Kapitän

Dieser Roman gehört in die Reihe ausgezeichnet erzählter Jugendromane, die Heinlein für den Jugendbuchverlag |Scribner’s| verfasste. Sie gehören ohne Zweifel zum Besten, was sowohl Heinlein als auch das Genre hervorgebracht haben, und eignen sich ideal zum Einstieg in die Science-Fiction. Diese 1947 begonnene Reihe beendete Heinlein erst 1959 mit dem unsäglichen [„Starship Troopers“ (ebenfalls bei Bastei Lübbe). |Bastei Lübbe|bringt eine bearbeitete, ergänzte und zum Teil neu übersetzte Ausgabe auf den Markt.

Der Autor

Robert Anson Heinlein (1907-1988) wird in den USA vielfach als Autorenlegende dargestellt, sozusagen der „Vater der modernen Science-Fiction“. Allerdings begann er bereits 1939, die ersten Storys im Science-Fiction-Umfeld zu veröffentlichen. Wie modern kann er also sein?

Wie auch immer: Heinleins beste Werke entstanden zwischen 1949 und 1959, als er für den |Scribner|-Verlag (bei dem auch Stephen King veröffentlicht) eine ganze Reihe von Jugendromanen veröffentlichte, die wirklich lesbar, unterhaltsam und spannend sind. Am vergnüglichsten ist dabei „The Star Beast / Die Sternenbestie“ (1954). Auch diese Romane wurden vielfach zensiert und von |Scribner| gekürzt, so etwa „Red Planet: A Colonial Boy on Mars“ (1949/1989).

Allerdings drang immer mehr Gedankengut des Kalten Krieges in seine Themen ein. Dies gipfelte meiner Ansicht nach in dem militärischen Roman „Starship Troopers“ von 1959. Im Gegensatz zum Film handelt es sich bei Heinleins Roman keineswegs um einen Actionknaller, sondern um eine ziemlich trockene Angelegenheit. Heinlein verbreitete hier erstmals ungehindert seine militaristischen und antidemokratischen Ansichten, die sich keineswegs mit denen der jeweiligen Regierung decken müssen.

Mit dem dicken Roman [„Stranger in a strange Land“ 43 (1961/1990), der einfach nur die Mowgli-Story auf mystisch-fantastische Weise verarbeitet, errang Heinlein endlich auch an den Unis seines Landes Kultstatus, nicht nur wegen der Sexszenen, sondern weil hier mit Jubal Harshaw ein Alter Ego des Autors auftritt, der als Vaterfigur intelligent und kühn klingende Sprüche von sich gibt. „Stranger …“ soll Charles Manson zu seinen Mordaufträgen 1967 im Haus von Sharon Tate motiviert haben. Sharon Tate war die Gattin von Regisseur Roman Polanski und zu diesem Zeitpunkt schwanger.

Als eloquenter Klugscheißer tritt Heinlein noch mehrmals in seinen Büchern auf. Schon die nachfolgenden Romane sind nicht mehr so dolle, so etwa das völlig überbezahlte „The Number of the Beast“ (1980). Einzige Ausnahmen sind „The Moon is a harsh Mistress“ (1966, HUGO), in dem der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg auf dem Mond stattfindet, und „Friday“ (1982), in dem eine weibliche und nicht ganz menschliche Agentin ihre Weisheiten vertreibt.

Größtes Lob hat sich Heinlein mit seiner Future History (1967) verdient, die er seit den Vierzigern in Form von Storys, Novellen und Romanen („Methuselah’s Children“, ab 1941-1958) schrieb. Dieses Modell wurde vielfach kopiert, so etwa von seinem Konkurrenten Isaac Asimov.

Heinleins Werk lässt sich sehr einfach aufteilen. In der ersten Phase verarbeitet er auf anschauliche und lebhafte Weise physikalische und soziologische Fakten, die zweite Phase ab 1947 wurde bis 1958 mit Jugendromanen bestritten, die ebenfalls sehr lesbar sind. Die dritte Phase beginnt etwa ab 1959/1960 und ist vor allem dadurch gekennzeichnet, dass, wie ein Kenner anmerkte, Heinlein Meinungen als Fakten ausgibt. Daher lesen sich diese überlangen Schinken wie Vorlesungen und Traktate statt eine gute Geschichte zu erzählen.

Hinzu kommt, dass Heinlein rekursiv wird: Er klaut bei sich selbst und besucht, etwa in „Die Zahl des Tiers“ (1980), die Universen seiner Zunftkollegen – hier wird die Science-Fiction inzestuös. Das mag für eingefleischte SF-Fans ganz nett sein, die ihre Insider-Gags sicherlich genießen, doch für Outsider ist es einfach nur langweilig zu lesen.

Handlung

Max Jones, ein junger Mann auf einer übervölkerten Erde, hat den inständigen Wunsch, Sternenfahrer zu werden, obwohl er auf einem Bauernhof in den Ozark Mountains aufwächst. Aber sein Onkel Chet war Astrogator und hat ihm Handbücher hinterlassen, die Max inzwischen alle auswendig kennt. Als seine Mutter einen neuen Mann heiratet und dieser ihn im Suff zu misshandeln versucht, macht sich Max lieber mitsamt seinen Büchern aus dem Staub.

Der erste Mensch, dem er sich anvertraut, ist der Landstreicher Sam Anderson. Doch obwohl Sam ihm gute Tipps gibt, klaut er ihm auch die Bücher und seinen Personalausweis. Er findet Sam in Earthport wieder, dem Raumflughafen, und zwar unweit des Gildenhauses der Raumfahrer. Dort hat Sam versucht, sich als Max auszugeben, was natürlich schiefgehen musste. Die Bücher musste er da lassen. Als Max nun selbst beim Gildensekretär vorspricht, wird er zwar ebenfalls abgelehnt, bekommt aber eine hohe Kaution zurückgezahlt, die sein Onkel für die Handbücher zurückgelegt hat.

Sam macht Max ein Angebot, wie sie beide trotzdem an Bord der demnächst abfliegenden |Asgard| anheuern könnten, einem der größten Raumschiffe der Erde. Mit Hilfe gefälschter Papiere und anderer Tricks, die Sam als ehemaliger Raumfahrer kennt, gelangen sie an Bord und dürfen sofort mit Arbeit loslegen – in der untersten Klasse. Aber sie arbeiten sich hoch. Max schadet es beispielsweise nicht, dass er Ellie, die 17-jährige Tochter eines Gouverneurs, kennen lernt und ihr 3D-Schach beibringt. Sie verwendet sich für ihn, so dass er auf dem Deck der Offiziere dienen darf.

Hier entdecken die Offiziere, die im Kommandoraum Dienst tun, dass er nicht nur über bemerkenswerte mathematische Fähigkeiten verfügt, sondern auch ein fotografisches Gedächtnis hat. Er kennt sämtliche Tabellen aus Onkel Chets Sternenhandbüchern auswendig. Das erweist sich als nützlich, als er den Astrogatoren bei ihrer riskanten Arbeit helfen darf, mit der sie das Sternenschiff und seine hochgestellten Passagiere durch die Falten des Raums steuern. Verpasst das Schiff einen Übergangspunkt, würde es in einem unbekannten Sternensektor des Universums stranden.

Genau dies passiert, weil eines der Astrogatoren stirbt und sein Ersatzmann ein arroganter Schnösel ist, der es selbst zum Kapitän bringen möchte. Mr. Simes nimmt eine Kurskorrektur vor, die nicht annähernd den Fehler ausgleicht, den der Kapitän verursacht hat. Sie landen im unkartografierten Nirgendwo, allerdings in der Nähe einer G3-Sonne, die über zwei erdähnliche Planeten verfügt. Während die Offiziere noch die Fahrgäste beruhigen, leiten sie, unter ihnen der erneut beförderte Hilfsastrogator Max Jones, die Landung auf dem vierten Planeten ein.

Die Passagiere und Mannschaften richten sich darauf ein, eine Kolonie zu gründen. Es gibt nur ein kleines Problem, das man leider zu lange ignoriert hat: Der Planet wird bereits von Lebewesen beherrscht, die in Symbiose miteinander leben. Und gegen unerwünschten Besuch haben sie etwas. Die zentaurenähnlichen Wesen entführen Max zusammen mit Ellie. Doch Max ist die einzige Chance für die |Asgard|, wieder nach Hause zu kommen. In seinem Kopf sind die einzigen Sternentabellen, die das Schiff noch hat. Alle anderen hat Mr. Simes bereits vernichtet …

Mein Eindruck

Die vollständige Fassung der aktuellen, überarbeiteten Übersetzung bietet endlich den kompletten Text. So kann sich der Leser endlich ein gültiges Urteil über das Buch bilden, von dem bis 1997 nur eine verstümmelte Version vorlag. Allerdings macht die Ergänzungsarbeit des Bastei Lübbe-Verlags die Vorlage dadurch auch nicht viel besser. Es ist eine wahre Achterbahn, die der Autor bietet.

Zunächst beginnt die Geschichte von Maximilian Jones anschaulich und nachvollziehbar mit einem Familienstreit, dem die Trennung folgt. Er trifft einen weisen Mann namens Sam, dem er zu sehr vertraut, was er bereut, als er bestohlen wird. Doch wie gesagt, gelangt Max mit Sams Hilfe doch noch an den eigentlichen Schauplatz des Romans: ins Sternenschiff |Asgard|.

An Bord eines Schiffes, sei es eine Rakete oder ein Ozeandampfer, ist der Autor Heinlein zu Hause, denn er besuchte fünf Jahre lang die Navy-Militärakademie in Annapolis und wurde danach Geschützoffizier auf dem Stolz der Navy: einem Flugzeugträger. Nach fünf Jahren musste er die Marine jedoch 1934 wegen körperlicher Untauglichkeit verlassen – ein harter Schlag, denn er hatte um jeden Preis Berufsoffizier werden wollen. Er studierte Physik und Mathematik, musste aber aus den gleichen Gründen abbrechen. Selbstredend konnte er gut schießen und meisterhaft fechten. Das erinnert an alte Rittertugenden.

Vom Tellerwäscher zum Millionär?

Wenn nun Max Jones vom Tierpfleger an Bord der |Asgard| schließlich zum Kapitän aufsteigt, so ist das der Traum eines jeden Navy-Mannes und somit auch der von Mr. Heinlein (dessen Vorfahren übrigens aus Bayern stammen). Die Art und Weise, wie der Autor diesen phänomenalen Werdegang begründet und einfädelt, grenzt ans Hanebüchene, ist aber häufig unterhaltsam. Allerdings macht uns der Autor mit den Hierarchien an Bord eines Schiffes bekannt und damit, welche Barrieren zwischen Offizieren und Mannschaften sowie zwischen den Passagieren und dem Rest des Schiffes bestehen. Dieser mittlere Abschnitt ist denn auch streckenweise der komplizierteste und langweiligste Teil des Romans.

Alles ändert sich mit dem dritten Akt, in dem die Katastrophe eintritt. Der vierte Akt, der auf dem erdähnlichen Planeten Caritas spielt, ist ebenso spannend geschildert, aber durch die witzigen Wortgeplänkel zwischen Max und Ellie noch um einiges humorvoller. Der fünfte Akt bringt Kampf und Action, Beförderung zum Kapitän und endlich den Start nach Hause. Ob’s gelingt, wird nicht verraten. Ob der Junge das Mädel bekommt, ebenfalls nicht.

Dass die Wahrscheinlichkeiten, die das Universum uns heute bietet, völlig gegen einen solchen Verlauf eines Sternenabenteuers sprechen, darf uns nicht irremachen, denn zur obersten Pflicht eines Erzählers gehört es, uns gut zu unterhalten. Und das gelingt nicht, indem man dem Leser dauernd sagt: „Dies geht und jenes geht nicht ..:“ Das Jugendbuch ist auf Jungenabenteuer ausgerichtet, zu dem Action und Romantik gehören. Was dabei wirklich stört, ist dieser unwahrscheinliche Aufstieg vom Tierpfleger zum Kapitän. Und den hat Max Jones hauptsächlich drei Todesfällen zu verdanken statt eigenem Verdienst.

Obwohl Jones wohl nur sechzehn bis achtzehn Jahre alt ist, weiß er bereits als Kapitän, wo seine Pflichten liegen. Das ist psychologisch ebenso unwahrscheinlich wie der Rest von Heinleins Universum, aber eigentlich geht es dem Autor nur darum, deutlich zu machen: „Jungs, die ihr dies lest, merkt euch – die Navy macht aus jedem Frischling einen Mann (= Offizier) und Gentleman.“

Wie so häufig bei Heinlein mokieren sich seine männlichen Hauptdarsteller über die Marotten der weiblichen Hälfte der Spezies. „Warum müssen sich Frauen so seltsam das Gesicht verzieren?“ Das unbeschreiblich Weibliche kann man bei netten Mädels wie Ellie Coburn noch durchgehen lassen, aber für Max hört bei zudringlichen alten Schachteln wie Mrs. Montefiore der Spaß auf. Er lässt sie von seinem Tisch entfernen. Was sein muss, muss sein, schließlich hat auch ein Kapitän Recht auf ein ungestörtes Zusammensein mit seinen Gästen.

Die Übersetzung

… Kurt Seibts aus dem Jahr 1954 (!) ist wie gesagt bearbeitet und ergänzt, teilweise sogar neu von Rainer Schumacher übertragen worden. Die Unterschiede zwischen alter Diktion der fünfziger Jahre und der modernen Ausdrucksweise der neunziger Jahre ist mitunter recht deutlich zu erkennen und zeigt sich besonders im „langweiligen“ Mittelteil. Hier hatte Seibt wohl einiges gekürzt, was sich auf die Schiffshierarchien bezog. Die neuen Passagen sind leider auch durch Druckfehler gekennzeichnet.

Unterm Strich

Ich habe das Buch an einem einzigen Nachmittag ausgelesen. Es hat nur 283 Seiten und liest sich so leicht, dass der Blick nur so über die Seiten fliegt. Nicht umsonst hat man Heinlein mit Kipling verglichen. Er versteht sein Erzählhandwerk, und da dies schon längst nicht mehr sein erstes Jugendbuch war, hatte er eine gewisse Routine entwickelt. Abenteuer gibt es durchaus, Romantik sowieso, und Heinleins Frauenbild ist meist fern aller Klischees (was man von Asimov nicht sagen kann).

Natürlich liest sich die Story vom Aufstieg Max Jones‘, der es vom Tierpfleger zum Kapitän bringt, heute hanebüchen, aber sie sorgt für eine Menge überraschender Wendungen, die das Salz in der erzählerischen Suppe sind. Dass eine Schiffsreise, egal wohin, stets für Überraschungen gut ist, weiß der Kinobesucher spätestens aus den letzten Navy-Schinken um Jack Sparrow und [„Master and Commander“ 2004 Jack Aubrey. Warum sollten drei Todesfälle an Bord also nicht Max, der ja einzigartig in seinen Fähigkeiten ist, an die Spitze spülen? In jedem Fall ist eine Menge Glück im Spiel – und der Wille des Autors.

Wer schon die „Future History“ Heinleins gelesen hat, wird jedoch herb enttäuscht sein. Nichts ist hier von den Visionen einer künftigen amerikanischen oder sternenweiten Zivilisation zu erkennen. Die Welten der Menschen liegen weit auseinander und haben wenig miteinander zu tun. Aliens gibt es genauso wenig wie Roboter und Telepathen, und dass die Venus ein bewohnbarer Planet sei, wie Heinlein noch 1941 glaubte, hat er sich inzwischen auch abgeschminkt. „Gestrandet im Sternenreich“ ist eben ein Jugend-, nein, ein Jungenbuch, und als solches erlaubt es sich keine soziologischen Experimente. Die hätten Heinlein die Lektoren von |Scribner’s| sowieso sofort aus dem Manuskript gestrichen.

Weiterlesen-Tipps: „Tür in die Zukunft“, „Sternenbestie“, „Von Stern zu Stern“, „Future History“.

Originaltitel: Starman Jones, 1953
283 Seiten
Aus dem US-Englischen übertragen von Kurt Seibt & Rainer Schumacher

http://www.luebbe.de

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