Schlagwort-Archive: torsten sträter

Sträter, Torsten – Hit the Road, Jack! (Jacks Gutenachtgeschichten 3)

Band 1: [„Hamöglobin“ 1416
Band 2: [„Postkarten aus der Dunkelheit“ 1417

Ja, aber hallo! Man braucht gerade einmal die ersten beiden Kurzgeschichten von „Hit the Road, Jack!“ zu lesen, um zu wissen, dass man sich in der blutigen Welt Torsten Sträters befindet.

Der Mann ist meiner Meinung nach ein echter Könner. Niemand außer ihm schafft es innerhalb von nur wenigen Seiten komplette Storys zu erzählen, die zum einen flüssig wie Schmierseife, zum anderen boshaft wie Belzebub persönlich und zuletzt so unvergleichlich beißend ironisch sind, dass dem Leser beim Genuss der Kurzgeschichten vor inniger Schadenfreude die glasklaren Säfte aus den Augen schießen, wobei man sich gleichzeitig ernsthaft überlegt, ob man nun schallend lachen oder schmerzhaft kotzen soll. Nun, Alltagsgeschäft in Sachen Sträter!

Der Dortmunder schüttelt sich die Brachiallyrik im Dutzend aus den Gelenken, immer wohl bedacht, die biestigste Pointe ans Ende zu heften, die sich das abgedrehteste Hirn südlich des Nord- und nördlich des Südpols überhaupt vorstellen kann. Herr Sträter dürfte ahnen, dass dieses Kompliment aus tiefster Seele kommt.

Ein Koch, der sich mächtig über einen Gast freut, dem sein meisterliches Menü zu schmecken scheint und der sich umso mehr freut, seine erschaffenen Kreationen von jenem Gast auch nach dem Verzehr wieder zurückzubekommen. Diese reichlich geschmackvoll gestaltete Hirnakrobatik und stilgerecht wahnwitzig, ironisch und furztrocken beendete Geschichte startet ein Buch voller Kurzweil und grauenhaftem Perfektionismus. Voller Witz und Tücke, voller Humor und heftigstem Horror.

Torsten Sträter muss man als Horrorfan einfach lieben, weil er ein Mann der Extreme ist, der definitiv keine halben Sachen macht. Wenn man lacht, dann schmerzt der Magen. Wenn man kotzt, dann schmerzt er ebenfalls. Sträters Storys gehen also quasi so oder so durch den Magen. Wenn der Ruhrpöttler wie in der Kurzgeschichte „Zimt“ mit der Ekelkeule ausholt und von sich zersetzenden Gangstern und Agenten erzählt, von sekretierenden Gewebeklumpen, die in dumpf stinkenden Katakomben dem Ende entgegenatmen, steht einem die Magenbrühe eigentlich schon oberhalb des Pförtners, oberflächlich leicht zuckend durch die zerebral vibrierende Speiseröhre. Yeah, that´s it! Horror ist Spaß und Torsten Sträter ist der Beweis dafür!

Erwähnte ich eigentlich schon, dass „Hit the Road, Jack!“ der dritte und zugleich letzte Teil von Sträters Kultreihe „Jacks Gutenachtgeschichten“ ist, in der bereits die fabelhaften Werke „Hämoglobin“ und „Postkarten aus der Dunkelheit“ erschienen sind? Nun denn! Diejenigen, die von diesen Büchern überzeugt waren, dürfen blind zuschlagen. Denn Sträters Neustes ist eine Steigerung in jeder Hinsicht. Noch bestialischer, noch brutaler, noch zwingender und noch witziger. Definitiv keine leichte Kost. Wohl eher Vollwert für hartgesottene Mägen, aber immer mit einem deftigen Schalk im Nacken. Irgendwie erinnern mich die Storys an Filme wie „Creepshow“, die auf Horrorcomics aus den Sechzigern und Siebzigern basieren. Aus ähnlichem Holz strikt Sträter seine Bücher. Aus einem Tick Realität, einem noch größeren Tick Abnormität und einer dicken Schippe Absurdität.

Okay, wer bis hierhin durchgehalten hat, wird sich das Buch kaufen. Und Leute, ihr macht dabei keinen Fehler. Es sei denn, ihr kauft euch danach nicht auch noch die Vorgänger! Das |wäre| ein Fehler. Ich persönlich kann die Ideen des Autors und meinen Spaß an der Sache prima wie folgt mit den Worten Sträters zitieren und vergleiche das Buch mit einem in „Hit the Road, Jack!“ erwähnten Kühlschrank: |“Wie ein Sarkophag steht er da, bereit, tote Dinge aufzunehmen und zu bewahren, bis ich die Tür öffne. Oder lebende, bis ich die Tür öffne. Er funktioniert in dieser Hinsicht einwandfrei. Ich habe Hunger.“| Und wie ich Hunger habe …

http://www.eldur-verlag.de

Sträter, Torsten – Postkarten aus der Dunkelheit (Jacks Gutenachtgeschichten 2)

„Postkarten aus der Dunkelheit“ ist Teil zwei der Kurzgeschichtensammlung aus der Feder Torsten Sträters, dessen erster Teil [„Hämoglobin“ 1416 im Jahre 2004 sensationelle Kritiken einheimsen konnte. Nun, was soll ich sagen? Teil eins fand ich schon sehr gelungen, aber stellenweise zu wenig im Bereich der Phantastik angesiedelt. Als hätte mich Herr Sträter in meinem Klagen erhört, erhöht er sogleich den Phantastikfaktor und hämmert einem zwölf ultraextreme Prosamonster vor die Birne, die in ihrer schreiberischen Bildgewalt in Deutschland ihresgleichen suchen. Man nehme als Beispiel die Geschichte ‚Heiliger Krieg: Einer muss es ja machen‘, bei der der Vatikan sich mit Hilfe freiwilliger, heiliger Krieger zum großen Schlagabtausch mit dem Bösen aufmacht. So schlicht sich dieses Grundgerüst auch anhören mag, so deftig heftig explodieren die Worte im Leserkopf. Man kann fast nicht anders und verschluckt Geschichte für Geschichte, in meinem Fall in nur knapp drei Stunden.

Wieder einmal balanciert Sträter seine Storys gut aus, hängt seicht gifttriefende, beißend ironische Geschichten und pure Splatterorgien hintereinander und bekommt so eine exzellent ausgewogene Mischung aus Grusel und purem Horror hin, die von der ersten Seite an fesseln kann. Ob da jetzt Geisterbahnwärter ihre Aufgabe etwas zu genau nehmen oder Luzifer höchstpersönlich in den Berliner Bunkern von zwei ahnungslosen Polizisten erweckt wird, ein Geist in einer Achterbahn verzweifelt darauf wartet, dass sich jemand das Genick bricht, damit ihm seine Seele fortan Gesellschaft leisten kann oder der klassische Serienmörder in ‚Der Kasper will kein Snickers‘ seine Huldigung erfährt – Sträter erweist sich als wahrer Künstler auf der Klaviatur des Grauens. Dabei fliegen einem die Knochenfetzen und Gewebestreifen recht blutig aus den Seiten entgegen, wenn Herr Sträter mit seinem Schreibstil richtig ausholt. Teilweise geht das schon ziemlich weit über meine Definition von Ekelgrenze hinaus, und die liegt bei mir weiß Gott nicht gerade niedrig.

Wer mit dem extrem bildgewaltigen Stil von Torsten Sträter klarkommt und auch mit bärbeißigem und pechschwarzem Humor leben kann, der sollte „Postkarten aus der Dunkelheit“ auf jeden Fall klemmen. Im Vergleich zum Erstling „Hämoglobin“ ist Band zwei eine weitere, einhundertprozentige Steigerung und ich wage es jetzt einmal ganz forsch, Torsten Sträter als den neuen deutschen |king of horror| zu bezeichnen. Für alle Horrorfans ist definitives Zugreifen angesagt.

Torsten Sträter- Hämoglobin (Jacks Gutenachtgeschichten 1)

Irgendwie ist Torsten Sträter ein kleines Phänomen, seines Zeichens Autor der beiden Kurzgeschichtensammlungen „Hämoglobin“ und „Postkarten aus der Dunkelheit“. Er ist deshalb ein Phänomen, weil er es blind schafft, in kürzester Zeit Schreckensszenarien ungeahnten Ausmaßes zu erschaffen und diese entweder zum guten oder auch zum bitteren Ende hin mit beißender Ironie und jeder Menge pechschwarzen Humors aufzulösen. Sträter holt sich dabei viele Ideen aus zeitgenössischer wie auch klassischer Zelluloidware, zieht sich aber auch Grundgerüste seiner Storys aus dem banalen Alltag. So ist zum Beispiel seine Geschichte ‚Mr. Daniels und ich an der Tankstelle der lebenden Toten‘ eine beißende Parabel auf die heutige Konsumgesellschaft und das Problem des Menschen, als Funktionsobjekt seinen täglichen Gang antreten zu müssen. Auf der anderen Seite steht mit ‚Der Mitbewohner‘ eine klassische Werwolfstory oder mit ‚Der Geruch von Blau‘ eine Geschichte, die dem Vampir sein unsterbliches und grauenvolles Gesicht zurückgibt. Der Protagonist in ‚Jägerlatein‘ gewährt einen kurzen Einblick in seine kranke, dem Wahnsinn verfallenen Psyche.

Anders als in seinem zweiten Band, begibt sich Sträter mit „Hämoglobin“ noch nicht so stark auf die phantastische Seite, sondern verwurzelt seine Kurzgeschichten überwiegend im Hier und Jetzt. Dabei forciert Sträter Kindheitsängste, wie die Angst vor der Dunkelheit oder die Verlustangst, bis ins Endlose und zieht meist sehr unterschwellig, aber letztendlich unaufhaltsam die dramaturgische Schlinge um den Leserhals zu. Die Auflösungen der Storys sind eigentlich immer sehr ironisch und tiefschwarz, wobei sich jeder Zyniker bei Sträter auf der sicheren Seite fühlen dürfte.

Hinzu kommt Sträters in meinen Augen unverwechselbarer Schreibstil, zu dem selbst der Begriff „blumig“ als Umschreibung mehr als untertrieben scheint. Wenn Herr Sträter so richtig loslegt und seine lyrischen Ergüsse durch Splatterfelder und Knochengebirge jagt, könnte Zartbesaiteten schon mal die Magensäure retour aus dem Hals quellen. Liebhaber klassischer Gruselkost sollten also die Finger von Torsten Sträter lassen. „Hämoglobin“ beherbergt zehn hundertprozentige Horrorstorys mit dem Blutgehalt einer Schlachtbank. Dabei werden einem die Bilder durch den hammerharten Schreibstil fast manifest im Kopf geparkt. Mann, was würde ich gerne mal die Verfilmung einer Sträter-Geschichte in der Flimmerkiste sehen! Das geht ganz sicher ab wie Schmitts Katz‘. Allerdings benötigte man dann einen Regisseur, der die leichenfledderige Ironie eins-zu-eins auf sein Medium übertragen könnte. Und da fällt mir leider Gottes kein einziger ein.

Lange Rede, gar kein Sinn: „Hämoglobin“ ist Horror, Spaß, Witz, Ekel und Gore im Überfluss. Zehn fremde Welten, die sich kurz und knapp vor dem geistigen Auge erschließen und einem das Grauen in seiner derbsten Form vorführen. Wer sich auf den sehr eigenen Witz von Torsten Sträter einlassen kann, wird an seiner horriblen Kost sicherlich mehrfach satt werden.
Da sehe ich auch gerne mal über die orthographischen und grammatikalischen Schnitzer hinweg, die mehr als nur einmal auf den Seiten verewigt sind.

Taschenbuch: 184 Seiten