Tobias O. Meißner – Klingenfieber

Die Mythen und Sagen über kämpfende Frauen, die Amazonen, haben schon viele Autoren zu Geschichten inspiriert. Nun hat sich der deutsche Fantasyautor Tobias O. Meißner dem Thema angenommen. In „Klingenfieber“ erzählt er die Geschichte der Klingentänzerin Erenis, die vielleicht im Kampf unbesiegbar ist, im Buch aber von ihrer Vergangenheit überwältigt wird.

Die schöne Schwertkämpferin Erenis zieht durch die Lande und fordert in den Orten, in denen sie vorbeikommt, den jeweils stärksten Mann zum Kampf um ein Säckchen Münzen auf. Sie gewinnt jeden dieser Kämpfe, indem sie ihren Gegner tötet. Das bringt ihr viel Hass ein, aber auch einen jungen Bewunderer.

Stenrei, der die Kämpferin vor ihrem Eintreffen in seinem Heimatdorf Bosel im Wald beobachtet, ist von Erenis fasziniert. Als sie weiterzieht, nachdem sie in Bosel ihren Gegner geschlagen und getötet hat, folgt er ihr. Zuerst heimlich, doch wenig später entdeckt sie ihn und schickt ihn zurück. Er folgt ihr trotzdem weiter – auch, weil er sie warnen möchte. Ihr Tun ist den Autoritäten nicht entgangen. Der Rittrichter Vardrenken und seine Männer verfolgen sie. Mit Stenreis Hilfe entwischt sie ihnen. Gemeinsam reisen die beiden weiter, bis Erenis in einer Stadt eine Person aus ihrer Vergangenheit trifft – und etwas erfährt, was die sonst so starke Kämpferin aus der Bahn wirft …

Tobias O. Meißner hat ein Buch mit einem interessanten Konzept geschrieben. Als männlicher Autor versucht er dem Mythos der Amazonen auf die Spur zu kommen. „Auf die Spur zu kommen“ ist dabei das Stichwort. Das Buch ist sehr linear geschrieben und beginnt mit Erenis als der mysteriösen Unbekannten. Die hübsche Frau, die jedem Mann im Kampf gewachsen ist, kommt selbst zuerst gar nicht zu Wort. Meißner nimmt den Leser zusammen mit seiner zweiten Hauptfigur, dem jungen Stenrei, auf eine Art Entdeckungstour. Der Junge sieht Erenis bei einem Ausflug im Wald beim Baden in einem Fluss. Sie taucht dort unerwartet auf und bringt den Jungen, der sich in seinem Heimatdorf gelangweilt und eingeengt fühlt, aus dem Gleichgewicht. Er folgt ihr, nimmt sie mit in sein Dorf und folgt ihr schließlich auf ihrer Weiterreise, bis sie seine Gegenwart endlich akzeptiert.

Je näher Stenrei Erenis kommt, umso besser lernt sie auch der Leser kennen. Sind ihre Motive und ihre unnahbare Art zuerst geheimnisvoll, fängt man an sie zu verstehen, als sie sich mehr und mehr Stenrei öffnet. An dem Punkt, an dem aus den beiden mehr wird als Bewunderte und Bewunderer wechselt der Autor ab und zu die Erzählperspektive. Er lässt Erenis zu Wort kommen, was dem Leser zusätzliche Einblicke in ihre Persönlichkeit erlaubt. Die Betrachtung aus fremden Augen – zumeist Stenreis, später aber auch die des Rittrichters Vardrenken – bleibt aber vorherrschend bis sich Erenis gegen Ende des Buches ihrer Vergangenheit stellen muss.

Das wiederum ist ein bisschen schade. Wenn man den Klappentext liest, entsteht der Eindruck, es würde hauptsächlich aus Erenis‘ Sicht erzählt. Gerade im Zusammenhang mit ihre Beweggründen und ihrer Vergangenheit wäre es sehr interessant gewesen, die Ereignisse hauptsächlich aus ihrer Perspektive zu hören. Durch die Wechsel in die Außenansicht kommt ein solches tiefes Verständnis nicht zustande. Die Figur der Erenis, die hier im Mittelpunkt steht, wird nicht komplett ausgeleuchtet.

Immerhin: Meißner zieht das Konzept seines Buches strikt durch. Nicht nur in der Geschichte selbst, sondern auch in der äußeren Form. Er verzichtet auf Kapiteleinteilungen. Das Buch liest sich dadurch wie aus einem Guss und macht es schwierig, an einer Stelle aufzuhören. Das Fehlen von einzelnen, abgetrennten Abschnitten sorgt dafür, dass sich „Klingenfieber“ schnell und flüssig liest und entspricht dem bereits erwähnten linearen Aufbau der Handlung.

Der Schreibstil ist Geschmackssache. Die Geschichte spielt vor einem High-Fantasy-Setting mit einer rudimentären Kultur. Die Sprache, die der Autor benutzt, ist diesem Hintergrund angepasst. Sie ist gehoben, benutzt häufig ungewöhnliche Wortstellungen. Sie klingt dadurch häufig gekünstelt, was sicherlich nicht jedem gefällt

In der Summe ist „Klingenfieber“ ein interessanter Konzeptroman, der nicht jedem gefallen wird. Einige werden die Sprache Meißners mögen, andere nicht. Einige werden eine tiefergehende Betrachtung Erenis‘ vermissen, andere werden genau dieses Konzept spannend finden. Wer mit dem Autor nicht vertraut ist, sollte vor dem Kauf in das Buch hineinlesen, zum Beispiel in die Leseprobe des Verlags.

Broschiert, 432 Seiten
ISBN-13: 978-3492703116

www.piper-fantasy.de

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