Mrs. Lydia Candle ist eine alte Bekannte von Tante Mathilda und hat einen regelrechten Tick was – speziell europäische – Weihnachtsbräuche angeht. Das mag zum Teil daran liegen, dass ihre Vorfahren seinerzeit aus Deutschland einwanderten. So kommt es nun, dass sie einen schönen, in Kalifornien aber gänzlich unbekannten, Adventskalender in ihrem festlich geschmückten Zimmer aufgehängt hat. Den Inhalt legt sie seit Jahren zwar selbst hinein, doch freut sich jeden Tag aufs Neue auf eine kleine Bescherung. Dieses Jahr soll es aber etwas anders werden, denn in dem ersten Söckchen findet sich eine Nachricht von ihrem Enkel Edward. Der jedoch ist angeblich seit fünf Jahren tot – grausam hingerichtet von der Mafia, weil er Schulden nicht beglichen hat. Es stellt sich heraus, dass auch noch andere Fächer des Adventskalenders geschickt manipuliert wurden.
Allesamt weisen darauf hin, dass Edward tatsächlich noch lebt und seiner Oma etwas mitteilen möchte. Ein Schock für die alte Dame, der sie dermaßen aus den Socken haut, dass sie gleich im Hospital landet. Doch die rüstige, alte Dame lässt sich nicht unterkriegen und so enthüllt man gemeinsam jeden Tag neue interessante Details aus der Vergangenheit. Zwei Millionen Dollar aus einem Raubzug zum Beispiel, die bis heute nicht aufgetaucht sind und Edward, der unter falschem Namen für diesen bewaffneten Überfall im Gefängnis einsitzt. Kein Wunder, dass nicht nur die Polizei plötzlich hellhörig wird, als Edward trotz nur noch weniger zu verbüßender Monate Resthaft aus dem Knast ausbricht, sondern auch andere dubiose Gestalten plötzlich bei Mrs. Candle herum scharwenzeln. Die Zeit drängt, denn Edward hat – verschlüsselt – am „fünften Advent“ eine Rache an einer nicht namentlich benannten Person angekündigt. Na denn: Frohes Fest!
Eindrücke
Fans und regelmäßige Besucher der Drei-???-Website werden sich vermutlich erinnern, dass diese Story im Dezember des Jahres 2012 als Download-Geschichte in 24 Teilen – stilgerecht natürlich an jedem Tag ein weiterer – bereitstand. Ein Jahr später nun, hat es der Online-Adventskalender aus der Feder des Hörspiel-Masterminds André Minninger gesammelt auch auf physische Datenträger, sprich drei CDs und/oder MCs zu je sieben „Türchen“, geschafft. Selbstverständlich repräsentiert jedes Kapitel dieses Triples einen Tag der Ermittlung vom 1. bis zum 24. Dezember. Logo. Dabei vermittelt und erklärt das Special neben der eigentlichen Story eine ganze Reihe von anderen „typisch deutschen“ Weihnachtsgepflogenheiten, die in Amerika so nicht existieren und daher auch ein 1a Aufhänger für brauchtümliche Exkursionen bieten. Immerhin handelt es sich bei de Serie ja seit den Neunzigern um eine rein deutsche Angelegenheit, weswegen eine auf so mehr oder weniger subtile Verbindung zum hiesigen Publikum ein pfiffiger Schachzug ist, auch um ein wenig der häufig darin zu findenden, zielgruppengerichteten Pädagogik zu frönen. Man weiß schließlich was man – besonders – seinen treuen Anhängern schuldig ist. Die wissen dann auch zu goutieren, dass die Folge ganz bestimmt nicht frei von lieb gewonnenen, serientypischen Klischees ist. Wat mutt, dat mutt.
Die Schwachstelle ist nicht etwa die Story als solches, sondern wenn, dann eher im Grundkonzept zu suchen. Dadurch, dass man 24 Mal Inhalt in die Tracks bringen muss, bläht sich das gesamte Konstrukt eigentlich unnötig auf. Viele Handlungselemente und vor allem Dialoge sind schlichtweg überflüssig und man den Eindruck, dass sie nur als Lückenfüller da sind, damit es das Kapitel über eine bestimmte Laufzeit schafft. Würde man nun hingehen und mit dem Rotstift (den André Minninger sonst ja selber rigoros bei den Romanen ansetzt) einige Passagen herausstreichen und damit die Geschichte straffen, so käme ein wirklich passabler wie spannender Standard-Fall für die drei Fragezeichen dabei heraus. Allerdings könnte man sich dann mindestens eine CD sparen – wenn nicht sogar zwei. Aber das war hier aus nachvollziehbaren Gründen nicht zielführend, so muss (und kann) man mit der Laufzeit leben. Schwieriger wird es da schon mit so mancher nicht glaubhafter, weil lebensferner, Figurenausgestaltung sowie Sprecherleistung (Die Polizistin sowie Patricia Handerson). Wobei nicht klar ist, ob Regie und/oder Skript das genau so wollten. Die beiden Rollen sind zuweilen arg over the top und somit unglaubwürdig.
Die Produktion
Buch und Effekte: André Minninger
Redaktion und Geräusche: Wanda Osten
Regie und Produktion: Heikedine Körting
Musik: Hagitte & Bertling (STIL), Morgenstern, George, Conrad
Sprecher und Figuren
Oliver Rohrbeck (Justus Jonas), Jens Wawrczeck (Peter Shaw), Andreas Fröhlich (Bob Andrews), Thomas Fritsch (Erzähler), Holger Mahlich (Inspektor Cotta), Monika John (Mrs. Lydia Candle), Gosta Liptow (Jeremias Howard), Katja Brügger (Empfangsdame), Simona Pahl (Radiosprecherin), Karin Lieneweg (Tante Mathilda), Janina Richter (Patricia Handerson), Carolin Fortenbacher (Polizistin), Eckart Dux (Schausteller), Robin Brosch (Edward Candle), Heikedine Körting (Blacky)
Fazit
Insgesamt betrachtet ist so ein Adventskalender bzw. häppchenweise downloadbarer Geschichte eine lustige Idee. Wenn auch keine sonderlich originelle, dergleichen hat man – wiewohl mit anderer, nicht-weihnachtlicher Thematik – schon einmal unters (Online-)Volk gestreut. Nun ist das gute Stück auch für alle anderen verfügbar, die es damals entweder verpasst haben oder aber das Triple vielleicht nur ihrer Sammlung physischer Datenträger einverleiben wollen. Der Plot ist nett und könnte als „normaler“ Fall auch ganz gut bestehen, sofern man ihn auf ein gesundes Maß zurechtstutzen würde, da er schon rein konzeptbedingt definitiv zu viel Ballast mit sich führt. Langweilig oder schlecht gemacht ist die Folge daher zwar grundsätzlich nicht, zieht sich aber ganz schön hin. Der lamettabehangene Rezensentendaumen signalisiert eine vorweihnachtliche 4-Sterne-Wertung.
3 Audio-CDs mit einer Gesamtlaufzeit von ca. 170 Minuten
Erzählt von André Minninger nach Figuren von Robert Arthur
EUROPA / Sony Music Entertainment, 2013
EAN: 887254363927
www.natuerlichvoneuropa.de
Der Autor vergibt: