Auf die Vertonung dieser Geschichte aus der „Drei Fragezeichen“-Reihe mussten Fans lange warten, galt es doch, heftige Lizenzstreitigkeiten, welche seit 2005 schwelten, zu beseitigen. Zwar erschienen im Stammverlag |Franckh-Kosmos| zunächst weiterhin Buchfassungen, doch die entsprechenden Hörspiele lagen eine ganze Zeit auf Eis. 2008 war es dann so weit: Nach der unsäglichen – und dankenswerterweise mittlerweile eingestellten – Klon-Serie „Die Dr3i“ durften die drei Junior-Schnüffler bei |EUROPA| wieder ihr normales Tagesgeschäft verrichten – natürlich mit dem über lange Jahre gestählten Team vor und hinter den Mikrofonen. Der „Geisterzug“ bekam die Nummer 122 und wurde in einer Tranche mit „Spur ins Nichts“ (121) und „Fußballfieber“ (123) veröffentlicht.
Zur Story
Justus, Peter und Bob sind wieder einmal im Namen von Onkel Titus‘ Gebrauchtwarenhandel unterwegs. Wie so oft verbinden die drei Fragezeichen das Nützliche mit dem Angenehmen, obwohl der Anlass dieser Dienstreise eigentlich ein eher trauriger ist. Mr. Kingsley, ein guter und langjähriger Freund von Onkel Titus, ist durch widrige Umstände gezwungen, sein Eisenbahnmuseum aufzulösen, und hat daher seinem alten Kumpel angeboten, diesem einige Schätze zu verkaufen. Justus soll das Material vor Ort sichten. Hierzu besteigen die drei Detektive bereits unter gewissen Schwierigkeiten den museumseigenen Zug, der heute seine letzte Fahrt verrichten soll.
Der junge und scheinbar bald arbeitslose Schaffnergehilfe Fred Jenkins ist nicht gerade begeistert davon, „Leichenfledderer“ zu bedienen, und zeigt sich von seiner schikanös-ruppigen Seite. Doch die Animositäten mit Fred sind recht rasch ausgestanden, denn sein Zorn ist eigentlich eher gegen den dollarschweren Mr. Campbell gerichtet. Jener saubere Herr ist nämlich derjenige, der das Museum aufkaufen und schließen will. Das hat er angeblich mit unlauteren Mitteln in die Wege geleitet, doch beweisen kann man es ihm nicht. Ein richtiger Kotzbrocken, so wie auch die zwielichtigen Gestalten, mit denen er ebenfalls in diesem Zug zusammenhockt.
Noch bevor die drei Fragezeichen etwas mehr Details in Erfahrung bringen können, fährt der Zug unter die Black Mountains. Im so genannten „Chinesentunnel“ sollen seit einem tragischen Unfall bei seiner Erbauung die Geister der dabei verschütteten chinesischen Gastarbeiter umgehen. Tatsächlich kommt es zu einem unfreiwilligen und gruseligen Halt. Irgendjemand hat wohl etwas gegen die Durchfahrt und versucht mit einer makaberen Gleisblockade, die alte Mär vom Spuk im Tunnel aufrechtzuerhalten. Die Aufklärung ist natürlich ein gefundenes Fressen für die drei Jungdetektive.
_Eindrücke_
Warum diese Episode den Titel „Geisterzug“ erhielt, erschließt sich dem Zuhörer nicht so recht. Die Geschichte handelt nämlich eher von besagtem Tunnel und erst zweitrangig geht es um einen mysteriösen Zug, der allerdings nichts Geisterhaftes an sich hat. Zudem ist die Entschleierung des Rätsels im Hörspiel sehr hopplahop geraten und nicht ganz schlüssig erklärt. Hier ist die Kenntnis der Buchvorlage aus der Feder Astrid Vollenbruchs sehr hilfreich, wo die Lösungsansätze wesentlich nachvollziehbarer – sprich: besser – und vor allem logischer hergeleitet wurden. Ansonsten baut man auf gewohnte und seit Jahrzehnten erprobte Fragezeichen-Kost. Mit einer Spukgeschichte als Grundgerüst machte man in der Vergangenheit selten etwas verkehrt, mittlerweile wirkt die Thematik aber doch etwas abgegriffen.
Dabei ist die Umsetzung im Prinzip gelungen und der Plot weitgehend spannend aufgezogen. Allein das Flair des Buches vermag das Hörspiel trotz des eindeutigen Vorteils der zur Verfügung stehenden Geräuschkulisse und fast ausnahmslos routiniert-souverän agierenden Sprecher nicht zu hundert Prozent herüberzuretten. Die Sprecherliste enthält eine ganze Reihe bislang unbekannter Stimmen, die dieser Folge (und damit auch der Serie) etwas Frisches und Unverbrauchtes geben. Die Leistungen der Newcomer sind solide, und nur die Figur des Dr. Long leidet ein wenig unter dem klischeebeladenen „L-statt-R-Akzent“, den man Asiaten – teils zu Unrecht – nachsagt. Ob dieser zu einem bereits viele Jahre in den USA praktizierenden Arzt chinesischer Abstammung wirklich passt? Geschmackssache. Überdies spricht Lou Wong auch sonst recht undeutlich und verwaschen.
_Fazit_
„Der Geisterzug“ ist eine Folge, die sich hauptsächlich aufgrund fehlender Originalität nur im oberen Mittelfeld einordnet. Zwar sind Flair und Atmosphäre sicherlich vorhanden, doch wirkt insbesondere das rasche Ende zu hingeschludert und der Laufzeit-Schmerzgrenze geschuldet, was das Hörspiel gegenüber dem Buch nicht so gut wegkommen lässt und unterm Strich einige weitere Sympathiepunkte kostet. Handwerklich gibt indes wenig am „Geisterzug“ auszusetzen, die Darbietung befindet sich auf gewohnt hohem Niveau.
_Die Hörspieldaten auf einen Blick:_
Titel: „Die drei ??? und der Geisterzug“ – Folge 122
EUROPA / Sony BMG 2008
Laufzeit: ca. 58 Minuten
Autorin: Astrid Vollenbruch (Franckh-Kosmos 2005)
Drehbuch und Effekte: André Minninger
Produktion & Regie: Heikedine Körting
Redaktion: Wanda Osten
Musik: J. F. Conrad, Morgenstern
Cover-Illustration: Silvia Christoph
ISBN: 978-3-86629-072-3
Die Figuren und ihre Sprecher:
Erzähler: Thomas Fritsch
Erster Detektiv – Justus Jonas: Oliver Rohrbeck
Zweiter Detektiv – Peter Shaw: Jens Wawrzceck
Recherchen & Archiv – Bob Andrews: Andreas Fröhlich
Fred Jenkins: Nick Seidensticker
Mr. Campbell: Gerhard Hinze
Sam Reilly: Jürgen Strube
Carl Sheehan: Michael Weckler
Collins: Thorsten Weber
Mr. Kingsley: Herbert Tennigkeit
Mrs. Kingsley: Tina Rehfeld-Wildmann
Devlin Reno: Jörg Pleva
Dr. Long: Lou Wong
http://www.natuerlichvoneuropa.de
http://www.dreifragezeichen.de
http://www.rocky-beach.com