Baxter, Stephen – Transzendenz (Kinder des Schicksals 3)

Der |Kinder des Schicksals|-Zyklus:
Band 1: [„Der Orden“ 1040
Band 2: [„Sternenkinder“ 1591
Band 3: „Transzendenz“

„Transzendenz“ stellt den Höhepunkt von Stephen Baxters „Kinder des Schicksals“-Trilogie dar. Die in „Der Orden“ begonnene und in „Sternenkinder“ fortgeführte Evolution der Menschheit zu etwas höherem, der sogenannten Transzendenz, ist ca. 500.000 Jahre in der Zukunft erfolgt.

Ähnlich der in „Der Orden“ vorgestellten menschlichen Schwarmgesellschaft ist die Transzendenz ein telepathisches Kollektiv vieler Menschen, von denen einige die Unsterblichkeit erlangt haben. Individualität schwindet und tritt deutlich hinter Kollektivität zurück. Diese Entität besitzt gottgleiche Macht über Raum und Zeit und hat sich einem hehren und verwegenen Ziel verschrieben: der Erlösung der gesamten Menschheit in allen Zeiten. Um dieses Ziel zu erreichen, durchlebt jeder in die Transzendenz aufsteigende Mensch das Leben eines Menschen der Vergangenheit und versucht es zum Besseren der gesamten Menschheit zu verändern.

So auch die an Bord eines uralten und mittlerweile hoffnungslos veralteten Generationenschiffs lebende Alia, eine junge Frau, die das Leben des um 2040 lebenden Michael Poole beobachtet. Poole ist ein Ingenieur, der entscheidenden Einfluss auf die Zukunft der Menschheit haben wird, denn er soll die Methanhydratlager der Polarregion stabilisieren und den GAU des Weltklimas verhindern:

Die globale Erwärmung hat die Ozeane ansteigen lassen, England, die Niederlande und Florida sind in den Fluten versunken. Um den Ausstoß an Treibhausgasen zu reduzieren, hat man Autos abgeschafft und Flugreisen sind zur Seltenheit geworden, viele Tierarten sind dennoch bereits ausgestorben und die Zukunft der Menschheit steht ebenfalls auf der Kippe. Neben diesen Problemen wird Poole auch noch von Geistererscheinungen seiner toten Frau und persönlichen Differenzen mit seinem Sohn geplagt.

|Baxtersche Heilslehre, Familiendrama oder Öko-Thriller?|

Diese drei Elemente dominieren den Roman, wobei der sonst bei Baxter stark ausgeprägte naturwissenschaftliche Aspekt deutlich in den Hintergrund tritt. Vielmehr verwirrt und langweilt er seine Leser mit hinlänglich bekannten Thematiken wie der globalen Erwärmung und ihren möglichen Folgen.

Baxter malt eine apokalyptische und wenig erstrebenswerte Zukunft, die sich auf das Negative der menschlichen Entwicklung konzentriert. Doch Alia greift in der Geistesgestalt von Michael Pooles toter Frau Morag helfend ein und steht ihm und somit auch der Menschheit bei. Auch in persönlichen Dingen wie dem schwer gestörten Verhältnis zu seinem Sohn Tom steht sie ihm zur Seite.

Die Familiengeschichte Michael Pooles ist leider von minderer Qualität. Baxter ist kein Charakterdarsteller, seine Romane leben von seinen Ideen. In „Der Orden“ konnte zumindest das historische Ambiente überzeugen und den Leser bei Stange halten, während Baxter seine Idee einer Schwarmgesellschaft langsam – für viele zu langsam – und anschaulich entwickelte. „Sternenkinder“ führte für Baxtersche Verhältnisse diese Entwicklung actionreich und anschaulich fort, Konflikte mit sich selbst, der eigenen Vergangenheit und mit anderen Rassen wie den Xeelee und oder gar deren Ausrottung, wie bei den „Silbergeistern“, standen im Mittelpunkt.

Nun hat Baxter eine Zukunft erreicht, in der die Menschheit in das Stadium der Transzendenz eintritt und in einer Art Katharsis jedes ihrer Individuen die Fehler der Vergangenheit durchleiden lässt, ihnen aber auch die Fähigkeit gibt, korrigierend einzugreifen.

Nun stelle man sich vor, Alia hätte nicht das Leben Michael Pooles als eine Art Schutzengel begleitet, sondern das Ivans des Schrecklichen oder einer anderen Schreckensgestalt, die außer Gräueltaten wenig Einfluss auf die Zukunft der Menschheit hatte. Was soll das? Alia ist eine junge und recht naive junge Frau, die ihr Leben lang auf einem alten Generationsschiff lebte und keineswegs bereits Teil der Transzendenz. Dennoch wird ihr die Macht gegeben, die Vergangenheit zu verbessern oder vielmehr zu verändern.

Nun möchte ich gar nicht näher auf den Schmetterlingseffekt und die Chaostheorie eingehen, aber diese Vorgehensweise erscheint mir recht bedenklich – für Baxter ist sie scheinbar kein Problem, auf das er auch nur ansatzweise eingeht. Baxter verrennt sich in theologischen und metaphysischen Ansätzen, stets ausgehend von dem Baxterschen Dogma der Schwarmgesellschaft, das sich wie ein roter Faden durch den Zyklus zieht. Hier steht der religiöse Wunsch nach Erlösung im Mittelpunkt, denn sowohl Michael Poole als auch die gesamte Menschheit und ihre Umwelt befinden sich in einem bemitleidenswerten Zustand, den sie zusätzlich mit einer Überdosis Selbstmitleid noch steigern.

Diese Veränderung der Vergangenheit ausgehend von der Zukunft scheint Baxter zu faszinieren, er schwenkt hier bereits auf die scheinbar ebenfalls religiös geprägte Schiene seiner für Februar angekündigten Serie „Time Tapestry“ / „Die Zeit-Verschwörung“ ein.

Doch was macht die Transzendenz nun eigentlich? Nichts! Auch sie kann nicht die Probleme der Menschheit lösen, das Ende des Romans ist enttäuschend und nichtssagend. Baxter zeichnet ein düsteres Bild und nimmt dieses auch noch im Detail unter die Lupe. Hoffnungslosigkeit? Das Warten auf göttliche Erlösung scheint die Erkenntnis zu sein, die menschliche Halbgöttlichkeit „Transzendenz“ kann sie ja leider nicht erbringen.

_Fazit_

Keine Klimakatastrophe, aber eine literarische. Der über weite Strecken unangenehm metaphysisch angehauchte Roman baut auf sehr dünnem Eis, denn weder als Öko-Thriller noch als Familiendrama kann er überzeugen. Hier hätte man deutlich kürzen können, was auch der Verständlichkeit gutgetan hätte. Leider muss in Baxters sphärischer Zukunft anscheinend nichts mehr den Gesetzen der Logik folgen, schlimmer noch, um den Lesengenuss weiter zu erschweren, schlägt er mitten im Buch noch einen Bogen zu der im ersten Band „Der Orden“ flüchtig erwähnten Kuiper-Anomalie!

Die relativ dünne und einfältige Zukunftsvision der Transzendenz wurde in den vorherigen Romanen bereits ausreichend behandelt, nun erreicht Baxter sie und stößt an eine Grenze, er kann sie einfach nicht erklären und endet in metaphysischen Plattitüden. Eine Kürzung hätte diesem Roman gutgetan, als Familiendrama leidet er unter peinlich unterentwickelten Charakteren und als Öko-Thriller greift er alte, sattsam bekannte Themen auf, ohne etwas Neues beitragen zu können. Baxters Flucht in den Glauben (Menschen der Zukunft wie Alia treten in der Form von Geistern/Engeln auf) wirkt wie eine hilflose Kapitulation vor der von ihm selbst geschilderten tristen Zukunft. Einzig die Übersetzung von Peter Robert verdient Lob; der bereits in [„Ilium“ 346 und „Sternenkinder“ bewährte Übersetzer hat den Roman tadellos ins Deutsche übertragen.

Der noch nicht übersetzte und vermutlich abschließende Band „Resplendent“ ist eine Kurzgeschichtensammlung, die sich auf die im zweiten Band „Sternenkinder“ auftretenden Xelee und die in den Sekunden nach dem Urknall entstandenen supersymmetrischen Lebensformen konzentriert.

The Baxterium – Die offizielle Homepage des Autors:
http://www.baxterium.org.uk/

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