Bujor, Flavia – Orakel von Oonagh, Das

_Stark gekürzt: Hanni und Nanni als Revoluzzer_

Als Jade, Opale und Ambre an ihrem 14. Geburtstag die zu ihren Namen passenden, geheimnisvollen Steine überreicht bekommen, erkennen sie, dass ihnen eine große Aufgabe bevorsteht. Sie können sie nur gemeinsam bewältigen, obwohl sie dabei angeblich Gegnerinnen seien. Ein Orakel soll ihnen die Prophezeiung zu ihren Steinen deuten. Dazu müssen sie die bekannte Welt verlassen – und sehen sich unvermittelt in eine Fehde hineingezogen. Welche von ihnen wird den Erwählten finden, der das Land von seinem Joch befreit? Welche von ihnen wird die Gabe erkennen, dem Land zu neuem Leben zu verhelfen? Und welche von ihnen ist gefährlich wie der Tod?

_Die Autorin_

Flavia Bujor, Tochter einer Psychoanalytikerin und eines Bildhauers, hat ihren Roman „Das Orakel von Oonagh“ bereits mit zwölf Jahren geschrieben und ein Jahr später beendet. Ursprünglich als Fortsetzungsroman gedacht, hat sie diesen an ihre Klassenkameradinnen verteilt, bevor ein Verlag darauf aufmerksam wurde. Mittlerweile ist der Roman in über 16 Länder verkauft worden. Die Tochter rumänischer Einwanderer gibt als Lieblingsautoren J. R. R. Tolkien und Michael Ende an und lebt in Paris.

_Die Sprecherin_

Kornelia Boje, geboren in Berlin, ist Autorin, Schauspielerin, Regisseurin und Fotografin. Sie hat in vielen Städten Theater gespielt und für Rundfunksender gearbeitet. Boje ist als Synchronsprecherin tätig und hat viele Hörbücher eingesprochen. Heute lebt sie in München und Berlin.

Gabriele Kreis führte bei der Aufnahme im Eimsbütteler Tonstudio 2007 Regie. Die Titelillustration stammt von Dieter Wiesmüller.

_Ausgewählte Figuren_

Jade: Tochter des Herzogs von Divulyon, stolz, aber tatkräftig
Ambre: Bauernmädchen, liebt die Sonne und Geschichten, verträumt, aber hilfsbereit
Opale: Bürgerstochter, introvertiert und kühl, wächst bei ihrer Urgroßtante Eugénia auf
Adrien de Rivebel: hilft den Mädchen beim Übertritt in die andere Welt
Der Rat der Zwölf: herrscht über das LAND und wird angeführt von dem geheimnisvollen 13. Mitglied
Neophileus: ist der Urheber der Prophezeiung und stammt aus dem Volk der Clohryuner
Jean Losserand: ein junger Mann, der mit alten Büchern handelt
Amnhor: von Berufs wegen Heiler
Lloghin: noch ein Heiler
Loorine, Mairenith und Janelle: drei Nalyssen von nicht sehr gutem Charakter
Bumblinks: schalkhafte Waldwesen im Lande Mär
Ghibduls: merkwürdige Wesen von kleinem Wuchs
Orlaith: Tochter von Tivann de l’Orleys, dem Besitzer eines Zauberrings
Arthur de Farrière, Gohral Keull: freien um Orlaiths Hand
U.v.a.m.

_Handlung_

In einem Pariser Krankenhaus des Jahres 2002 träumt ein sterbenskrankes Mädchen namens JOA …

Die stolze Jade bekommt von ihrem Vater, dem Herzog, an ihrem 14. Geburtstag mitgeteilt, er sei gar nicht ihr richtiger Vater, gibt ihr einen schönen Stein aus – was wohl? – Jade und befiehlt, zwei andere Mädchen wie sie an einem bestimmten Ort zur vorbestimmten Zeit zu treffen. Nur so könne die Prophezeiung des Neophileus eingehalten werden. Dummerweise sagt er ihr nicht, was es mit dem Stein auf sich hat.

Die bürgerliche Opale hat gar keine Eltern, sondern ist bei ihrer Großtante Eugenia und deren Tochter Gina aufgewachsen. Die Blondine hat wasserblaue Augen und war noch nie verliebt. In den Sachen der Großtante stößt sie auf ein vergoldetes Buch mit dem Titel „Die Prophezeiung“ und einen Samtbeutel, in dem sich ein blau schimmernder Stein befindet. Als sie ihn berührt, sendet der Stein eine Botschaft an Unbekannte ab, eine telepathische Verbindung wird hergestellt, doch als Opale den Stein loslässt, bricht diese ab. Der Rat der Zwölf weiß nun, dass die Prophezeiung ins Werk umgesetzt wird. Die Großtante gibt Opale um Mitternacht den Stein und befiehlt ihr, zwei Mädchen zu treffen: „deine Gegnerinnen“.

Die bäuerliche Ambre (= Bernstein) ist traurig, als sie ans Sterbebett ihrer Mutter gerufen wird. Obwohl die Mutter ihr sagt, sie sei gar nicht ihre leibliche Mutter, weint Ambre um sie. Ambre bekommt einen gelblichen Stein in einem Beutel, bevor ihre Mutter mit einem Lächeln auf dem Gesicht zufrieden stirbt.

|Das Treffen|

Wie befohlen, treffen sich die jungen Frauen unter einem Baum um Mitternacht. Angeblich seien sie Gegnerinnen, glaubt Jade, doch Opale fragt, wozu sie dies sein sollen. Sie präsentieren ihre Steine, drücken sie gleichzeitig und werden mental zu einer Einheit. Sie sehen vor ihrem geistigen Auge ein Symbol aus Kurven und Spiralen. Sind die Steine auch Wegweiser? Jade fragt eine Bäuerin, bei der sie übernachten darf, nach dem Symbol. Sie soll in die Stadt gehen, zu ihrem Sohn Jean Losserand, der sei gelehrter als sie, aber er habe viele Feinde. Denn Jean war in dem magischen Reich, das Die Mär genannt wird, und dessen Zutritt der Rat der Zwölf verboten und durch ein Magiefeld verwehrt hat. Jean sei nach drei Jahren Gefängnis wieder frei und werde bewacht.

Opale empfängt eine mentale Botschaft: Vor ihnen liege die Stadt Nathyrnn, der Erwählte werde kommen, und sie drei würden sterben, Opale zuerst. Als die Steine ihnen keine Auskunft über diese Botschaft geben, durchschaut Jade sie als Lüge und besteht darauf, nach Nathyrnn zu gehen.

|Die Mär|

Ein Ritter, der sein Gedächtnis verloren hat und verletzt ist, begegnet einem Wesen in Menschengestalt, das sich als Elfohrys vorstellt. Der nur achtzehnjährige Ritter, ein Ovalyn, nennt sich Der Namenlose. Das freut Elfohrys, denn in der Prophezeiung wird der Erwählte auch Der Namenlose genannt. Als sie an den See der Qualen gelangen, erscheint eine Nixe und überreicht dem Namenlosen ein schönes Kästchen: Es ist leer. Was mag es wohl enthalten?

Der Ritter will in die ferne Stadt Thaar, doch Elfohrys empfiehlt ihm, zuerst zum Orakel des Oonagh zu gehen, um herauszubekommen, ob er sich auf dem richtigen Weg befinde. Der Ritter wird Ziel eines ersten geistigen Angriffs der kriegerischen Ghibduls, hat er doch deren Freunde, die Bumblinks, bekämpft. Weil der Ritter mit Hilfe des Kästchens den Angriff abwehren kann, beratschlagen die Ghibduls in ihrem Walddorf, wie sie ihn angreifen können. Der nächste Angriff findet den Namenlosen im Tiefschlaf vor, und der Ritter erwacht erst wieder gefesselt. Aber nur, um einer harten Prüfung unterzogen zu werden …

|Die Stadt Nathyrnn: Revolution No. 1|

Opale gelingt es, mit ihrem unverfrorenen Verhalten und einer faustdicken Lüge – sie sei Agentin des Rates der Zwölf – die Wache der Ordensritter zu überwinden und Zutritt zur Stadt Nathyrnn zu erlangen. Sie finden Losserands Buchladen ohne Probleme, doch dann müssen sie sein Misstrauen überwinden. Sind sie vielleicht Spione des Rates der Zwölf? Aber nein, denn Jade wettert gegen den Rat und erwähnt die Prophezeiung, die sie mittlerweile auswendig kennt: Der Erwählte wird kommen und die Armee des Lichts gegen die Armee der Finsternis führen, um in einer Schlacht die Mär von der Unterjochung durch den Rat zu befreien.

Losserand erkennt das Symbol, das die Mädchen ihm beschreiben, als das Symbol des Oonagh. Es stamme von einem magischen Wesen in der Mär, das in einer Kristallhöhle auf einem Berg lebt und in den Herzen der Menschen lesen könne. Doch um zum Oonagh zu gelangen, müssen sie erst einmal die Mär betreten, deren Zutritt der Rat verwehrt hat. Losserand rät ihnen, Adrien de Rivebel aufzusuchen. Er sei zwar erst 16 Jahre alt, ein Sohn von Rittern, der unbedingt in die Mär wolle.

Zur Erleichterung der Mädchen ist Adrien kein Träumer, sondern ein Mann mit Tatkraft – und er hat sogar einen Plan! Er habe zwar Oonagh getroffen, sei aber nicht der Erwählte, versichert er. Während sich Opale sofort in ihn verliebt, erläutert er Jade seinen Plan. Man müsse einen Schlafbann über die Stadt legen, sich selbst aber natürlich gegen dessen Wirkung schützen. Der Bann würde die Ordensritter außer Gefecht setzen, und vorher müsse man die Bewohner der Stadt zur Flucht auffordern, sobald die Wirkung des Banns nachließe. Das erweist sich als kein Problem, denn die magischen Steine verleihen den Mädchen die Kraft, per Telepathie die Botschaft vom Bann an alle Bewohner, die es interessieren soll, zu senden.

Der Plan gelingt, doch obwohl sie die Stadt Nathyrnn verlassen können, sind sie doch noch lange nicht in der Mär. Deren Grenze ist schon in Sichtweite, da treten deren Bewacher auf. Und selbst wenn sie diese überwinden könnten, wie sollen sie durch die magischen Grenze gelangen, die doch von den Märwesen aus genau diesem Grund errichtet wurde?

Wie die Mädchen herausfinden, gibt es nur eine Methode, ins magische Reich zu gelangen: Man muss an das Unmögliche glauben …

|Paris, 2002.|

Das Mädchen in seinem Krankenbett denkt an den Mann Elie Ador, den sie liebte und der sie verließ. Im Traum, den sie nun webt, heißt er Elyador und wird das Schicksal der Welt entscheiden …

_Mein Eindruck_

Wie schon oben deutlich gemacht, handelt es sich bei der Geschichte von Jade, Opale und Ambre keineswegs um ein Abenteuer aus quasi historischer Zeit, wie es noch Tolkien vorgeben konnte, als er seine Parallelwelt Mittelerde (übrigens nach nordischen Vorbildern) schuf. Sowohl die Welt, in der die Mädchen aufwachsen, als auch Die Mär selbst gehorchen zwar den Gesetzen der Physik, doch ansonsten sind sie ziemlich der bekannten Geschichte enthoben. Wo kommen die Ordensritter und der Rat der Zwölf her? Warum sich die Ratsmitglieder telepathisch verständigen? Dass es im Draußen Herzöge gibt und in Der Mär Ritter, macht überhaupt keinen Unterschied, denn beide haben für die Imagination der Autorin den gleichen Status: Es sind typisierte Figuren, auf die sie nach Belieben zurückgreifen kann.

Deshalb erübrigen sich Fragen, ob diese Figuren gesellschaftlich glaubwürdig und die Handlung realistisch sind. Genauso gut könnte man fragen, ob der Tod das Recht hat, in den Streik zu treten. Vielmehr stellen sich Fragen nach dem Warum und dem Wozu der Binnenhandlung um die drei Mädchen.

Wie in Fantasygeschichten üblich, befindet sich das magische Reich in Gefahr und die Welt im Allgemeinen in einem Ungleichgewicht. Dies bezieht sich darauf, dass der Rat der Zwölf die Freiheit im Draußen unterdrückt und sich anschickt, auch Die Mär mit Hilfe einer fünften Kolonne, der Armee der Finsternis, seiner Herrschaft zu unterwerfen. Doch wo sind sie, die rettenden Kräfte der Freiheit und des Lichts?

An diesem Punkt kommen die drei von der Prophezeiung ausgewählten Mädchen ins Spiel. Dumm nur, dass zwei ihrer Eltern ihnen erzählen, dass die jeweils anderen zwei ihre Gegnerinnen seien. Dass sie sich schließlich doch zusammenraufen, lässt uns erleichtert aufatmen. Aber was soll die Prophezeiung, dass eine von ihnen gefährlich sei wie der Tod und sie zum Sterben auffordern werde? (Vorausgesetzt, der Tod arbeitet gerade wieder.)

Es gibt also sowohl eine innere Spannung zwischen den drei Auserwählten als auch eine äußere Spannung, die durch die Frage entsteht, ob sie Die Mär retten können. Nun kommt ein weiterer Faktor X hinzu, nämlich der Erwählte. Welche von ihnen wird ihn finden und ihn gegen alle zu erwartenden Anfeindungen und Zweifel verteidigen? Kitzliger wird die Sache noch dadurch, dass der Erwählte selbst abstreitet, dies zu sein, sich Der Namenlose nennt, durch diverse Instanzen offenbart werden muss (die Ghibduls, die Ringprobe usw.) und schließlich dazu motivieren ist, die Armee des Lichts in die finale Schlacht gegen die Finsternis zu führen.

Dieser Werdegang erinnert stark an die Entwicklung, die auch Aragorn durchlaufen muss: vom anonymen Waldläufer zum Anführer einer Dreimanntruppe bis zum Heerführer und schließlich König. Auch Der Namenlose lebt im Exil, doch in dem der Erinnerung. Und was sich enthüllt, nachdem man ihm seine Erinnerung zurückgibt, stellt ihn auf eine harte Probe, auch in den Augen seiner Gefolgsleute. Als Opale ihn trotzdem unterstützt, offenbart sich, dass die drei Mädchen eine Autorität besitzen, die man ihnen nicht zugetraut hätte. Und zwar einfach deswegen, dass sie zwar besser ausstaffiert sein mögen und auch prophezeit sein mögen, aber ansonsten über keinerlei verdienstmäßige Rechtfertigung für ihr bestimmendes Auftreten vorbringen können. Hier verrät sich das Wunschdenken der Träumerin (lies: die sehr junge Autorin).

Im Unterschied zu Tolkien gibt es in der Handlung zwei wichtige Instanzen, die in kindlicher Gestalt dargestellt werden. Das ist zum einen das Orakel des Oonagh in seinem von allegorisch dargestellter Angst geschützten Berg. Und zum anderen ist dies der Tod, der hier überhaupt nicht als Sensenmann daherkommt, sondern als kleines Mädchen. Und weil es sich nicht angemessen geliebt fühlt, ist es kurzerhand bockig in den Streik getreten. Die drei Mädels können unter Beweis stellen, welche Mutterqualitäten in ihnen stecken, wenn sie das bockige Kind wieder dazu motivieren, die Leute bitteschön doch wieder sterben zu lassen. Es ist eine der komischsten und gelungensten Szenen des Buches.

Am Schluss hat sich die kranke Träumerin des Jahres 2002 selbst therapiert, denn der Traum hat ihr den Kummer um den verlorenen Elydor alias Elie Ador genommen. Nun kann sie neue Hoffnung schöpfen und sich neuen Aufgaben und Abenteuern zuwenden.

|Die Sprecherin|

Kornelia Boje ist hörbar ein „älteres Semester“ und klingt wie eine Märchentante. Das ist angesichts des hauptsächlich fantasymäßigen Inhalts der Geschichte recht passend. Ihr Vortrag strahlt sowohl Sympathie für die drei Heldinnen als auch die Autorität des über der Geschichte stehenden Chronisten aus. Die Revolutionen, die Heldinnen anzetteln, sind ja kein Spaziergang, und so ist es für die Sprecherin notwendig, auch die harten Seiten des magischen Reiches auf glaubwürdige Weise zu zeigen, beispielsweise die Prüfung des Namenlosen, ob er der Erwählte sei.

Es ist nicht einfach, die Stimmen dreier gleichaltriger junger Mädchen so zu variieren, dass sie unterscheidbar werden. Ich hatte jedoch den Eindruck, dass sich Ambre und Opale stets recht sanft ausdrückten, Jade, die Adlige, hingegen stets recht energisch und befehlshaberisch. Das gilt aber nur generell, denn natürlich ist auch dies wiederum von der jeweiligen Stimmung abhängig. Als Jade erfährt, dass sie ihren „Vater“ verlassen soll, jammert sie erwartungsgemäß über dieses harte Los. Und Ambre sowie Opale klingen nicht immer niedergeschlagen und sanft, sondern auch mal fröhlich.

Die Intonierungen der Männerfiguren sind dementsprechend tiefer, doch sie sind fast ununterscheidbar, denn sogar die Männer sind meist Jungs zwischen 16 und 18 Jahren. Ganz anders hingegen Jades Vater, der Herzog, sowie die diversen Mitglieder des Rates der Zwölf. Ganz besonders gefiel mir Bojes Darstellung des 13. Ratsmitglieds, das sich stets im Hintergrund gehalten hat. In dessen Präsenz findet ja der Showdown statt, während draußen auf dem Schlachtfeld die Armeen aufeinander treffen. Das namenlose Ratsmitglied ist eine Mischung aus Saruman und Gríma Schlangenzunge: kalt, spöttisch, verächtlich, einschmeichelnd – kurzum, ein Ausbund an Manipulation und Bosheit.

Ganz anders hingegen der Oonagh. Das Orakel erscheint in Gestalt eines Jungen, dessen Stimme angemessen hoch wie die eines Kindes ist. Es gibt noch ein weiteres Kind, nämlich den Tod. Dort äußert sich die Kindlichkeit in einer sich steigernden Komik.

Ich könnte noch viele weitere Beispiele anführen, aber eines ist klar: Boje vermag ihren stimmlichen Ausdruck flexibel sowohl den Figuren als auch den Szenen anzupassen und stets den richtigen emotionalen Ausdruck zu präsentieren. Man sollte mehr von ihr hören.

|Geräusche bzw. Musik|

Der Hörer wird schon am Anfang auf das Hörbuch eingestimmt, mit einem sanften Klang, der von einem mir unbekannten Instrument erzeugt wird (es könnte sich um eine metallene Schüssel handeln, deren Rand gestrichen wird). Dieser Sound wird durchgehend wiederholt, wechselt aber auch je nach Bedarf mit einem leisen „Ping!“ ab, wie es von einem Triangel erzeugt wird. Diese Klänge – ein Mittelding aus Musik und Geräusch – werden als Interpunktion eingesetzt, um die einzelnen Szenen voneinander abzusetzen. Die Gesetzmäßigkeit, nach der diese Interpunktion erfolgt, hat sich mir aber nicht erschlossen.

Völlig andersartig ist die klangliche Zeichensetzung bei den kurzen Szenen, die im Krankenhaus spielen. Am Anfang hören wir den Pulsschlag eines Herzens, der allmählich verklingt. Am Ende der Szene fällt eine Tür ins Schloss, was andeuten könnte, dass die Visite eines Arztes oder einer Krankenschwester beendet ist.

Das einzige Geräusch, das ich wirklich als solches bezeichnen könnte, ist das Zwitschern von Vögeln, als der Namenlose und Elfohrys durch die Botanik der Mär wandern.

|ACHTUNG: Kürzungen|

Ich war in der glücklichen Lage, den Vortrag mit der Buchvorlage vergleichen zu können. Dabei fielen mir massive Kürzungen auf, die sich Pi mal Daumen geschätzt auf rund 40 bis 50 Prozent des Originaltextes erstrecken. Will heißen: Dies ist nur das halbe Buch!

Ganz besonders ist die Kürzung an der Tatsache abzulesen, dass ein komplettes Kapitel fehlt. Von den drei „Nalyssen“ Loorine, Janelle und Mairénith findet sich daher keine Spur. Das ist allerdings, was den roten Faden anbelangt, kein großer Verlust, und die Übersichtlichkeit profitierte vielleicht davon. Aber wer sich allein das Hörbuch anhört, sollte wissen, dass er auf einen Teil des Buches verzichtet.

_Unterm Strich_

Die meisten Leser dürften sich wohl nur für die Binnenhandlung interessieren und darüber wundern, wie zusammenhanglos und episodisch diese aufgebaut ist, wie viele Allegorien es gibt und dass die ganze Sache wohl nicht besonders gut durchdacht ist. Macht überhaupt nichts. Denn dies alles ist ja eh nur ein Traum eines Mädchen im Paris Jahres 2002, und Träume haben per se die Lizenz zum Unlogischsein.

Dabei ist die Rahmenhandlung nicht bloß ein Vorwand, um dem Leser eine lange Nase zu drehen, sondern steht in innerem Zusammenhang zum Traum, also der Fantasy, denn sonst könnten nicht die Namen von Elyador = Elie Ador und Joana = JOA = Jade, Opale, Ambre auf beiden Ebenen quasi identisch sein.

Der Leser bzw. Hörer kann sich also daran freuen, dass es eine ganze Reihe von charmanten und humorvollen Szenen gibt, an die man sich auch später noch gerne erinnert, weil sie mit aufrichtiger Emotion aufgeladen sind, so etwa die Ringprüfung, die Begegnung mit dem Tod und die finale Auseinandersetzung mit dem 13. Magier.

|Das Hörbuch|

Der Hörer sollte sich darüber im Klaren sein, dass die gebotene Fassung gegenüber dem Original beträchtlich gekürzt worden ist. Das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, denn der rote Faden in der Geschichte tritt umso deutlicher hervor. Dadurch kommt kaum jemals Langeweile auf, sondern die Handlung schreitet stets zügig voran – derart zügig, dass sich der Hörer nach einer Weile fragt, ob die drei Heldinnen jemals eine Verschnaufpause gegönnt bekommen.

Die Sprecherin macht ihre Sache, wie ich finde, sehr gut und trägt den Text mit dem gebotenen gefühlsmäßigen Engagement vor. Diverse Klänge dienen auf kuriose Weise der Interpunktion zwischen den einzelnen Szenen, die ziemlich schnell wechseln, ganz besonders am Anfang. Der Hörer erhält eine Orientierung und weiß Bescheid, dass nun die eine Szene endet und die nächste beginnt. Schade, dass irgendwelche sonstigen Geräusche fast völlig (Vogelzwitschern, Türschlagen) ausgeblendet wurden.

|Originaltitel: La prophétie des pierres, 2002
Aus dem Französischen übersetzt von Roseli und Saskia Bontjes van Beek
317 Minuten auf 4 CDs|
http://www.hoerbuch-hamburg.de

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