Fred Hoyle & John Elliot – A wie Andromeda – Geheimbotschaft aus dem All (Edition ’84 – Die positiven Utopien)

Invasion: das Mädchen von den Sternen

Geheimnisvolle Funksignale aus dem Andromedanebel werden als Bauanweisung für einen Supercomputer erkannt. Der Alien-Computer ermöglicht die Erzeugung von Leben aus der Retorte, zunächst einen Prototypen, dann das menschlich aussehende Mädchen Andromeda alias André. Doch André gehorcht zunächst nur dem Alien-Computer, und das macht sie dem Chefwissenschaftler Fleming verdächtig.

Unterdessen versuchen die Militärs und die Regierung Englands, sie und den Computer als Werkzeug ihrer Machtpolitik zu benutzen. Fleming erkennt die Gefahr, die von dem Supercomputer ausgeht, und André bestätigt, dass sie und der Computer die Menschen für minderwertige Intelligenzen halten. Als er gegen das Gespann vorgeht, gerät er in Lebensgefahr. Denn längst hat Andromeda alle Fäden in der Hand, um die Welt auf einen neuen Weg zu führen.

Die Autoren

Sir Fred Hoyle, geboren 1915, war Astronomieprofessor mit einigen umstrittenen Theorien sowie Schriftsteller seit 1956. Nach seinem Ritterschlag 1973 gab er seine Cambridge-Posten auf und wandte sich dem Schreiben von Sachbüchern zu, in denen er weitere umstrittene Ansichten verbreitete. So behauptete er, Viren von den Sternen hätten der irdischen Evolution auf die Beine geholfen (Panspermie-Theorie). Er gilt als einer der Hauptgegner der gegenwärtig akzeptierten Urknalltheorie zum Ursprung des Universums vor ca. 15 Mrd. Jahren.

„A for Andromeda“ und „The Andromeda Breakthrough“ sind Romanversionen der jeweiligen Fernsehserien, die 1961 und 1962 von der BBC gesendet wurden. Darin trat erstmals die Schauspielerin Julie Christie ins Rampenlicht. John Elliot (geboren 1918) ist der Fernsehautor, der Hoyle beim Schreiben der Romanfassungen half.

Handlung

Anfang der siebziger Jahre. An der Nordwestküste Schottlands ist in Bouldershaw Fell das größte und leistungsstärkste Radioteleskop gebaut worden. Bevor es feierlich eröffnet und in Betrieb genommen wird, sammelt Prof. Reinhart, der wissenschaftliche Administrator des astronomischen Projekts, die Wissenschaftler John Fleming und Dennis Bridger um sich, um sie mit der neuen Pressereferentin Judy bekanntzumachen und alles für die Eröffnung vorzubereiten. Denn schließlich hat sich der Wissenschaftsminister angekündigt.

Geheimdienst

Judy Adamson, eine Geheimdienstmitarbeiterin, hat ohne Prof. Reinharts Wissen die Aufgabe, dem Innenministerium alles zu melden, was diese Einrichtung und ihre Nutzung gefährden könnte. Sie merkt gleich, dass mit Bridger, dem Elektroniker, etwas nicht stimmt. Er druckst herum und ist nie geradeheraus, ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen Fleming, der für die Astronomie zuständig ist. Sie beschließt, ein Auge auf Bridger zu haben. Und in Fleming droht sie sich zu verlieben.

Aus dem Sternbild Andromeda empfangen die beiden Wissenschaftler regelmäßige Funksignale. Noch in der Nacht gelingt es Fleming, sie zu entschlüsseln. Es scheint sich um einen Bauplan zu handeln. Sofort lässt das Militär, das das Projekt mitfinanziert, die höchste Geheimhaltungsstufe ausrufen. Fleming, Bridger und Judy müssen nach Thorness an der Küste umziehen, einen militärischen Versuchskomplex, an dem Raketen entwickelt werden. Na toll. Fleming, der nie ein Blatt vor den Mund nimmt, ist alles andere als begeistert.

Der Alien-Rechner

Der Bauplan ist der für einen riesigen und sehr leistungsfähigen Computer. Man rätselt zwar noch, was die beiden separaten Leiterplatten zu bedeuten haben, aber Fleming fragt sich auch, was die Aliens mit diesem Rechner bezwecken. Alle andere fragen nur nach dem Wie, er aber stets nach dem Zweck und Sinn des Dings. Und was soll er nun mit diesem Ding? Das Militär ist natürlich begeistert: Es kann seine Berechnungen jetzt viel schneller durchführen. Und Judy bemerkt immer öfter, wie Dennis Bridger an der Küste entlang segelt, besonders zu einer kleinen Insel, Thorholm. Was hat er dort zu suchen?

Das Alien-Wesen: Prototyp

Prof. Reinhart hat in Edinburgh eine frühere Kommilitonin für sein Projekt begeistern können, Dr. Dawnay. Sie ist eine eiserne Lady, aber eine brillante Biochemikerin. Als Fleming ihre seine Andromeda-Bänder zeigt, sieht sie, dass die Zahlengruppen im Grunde chemische Elemente bezeichnen. Es ist schon wieder ein Bauplan: für ein Lebewesen.

In einem Tank züchten sie aus verschiedenen Zellkulturen ein lebensfähiges Wesen heran, das zwar schwimmt, aber Ähnlichkeit mit einem Menschen hat: ein Zyklop. Fleming ist es, der auf die Idee verfällt, das Wesen mit dem Computer zu verbinden. Sofort ändert sich sein Verhalten. Doch es hat keine Kommunikationsmöglichkeit. Der Computer gibt neue Instruktionen, die zur Züchtung eines menschlichen Wesens führen. Kaum ist „Andromeda“, wie Fleming das Wesen nennt, ausgewachsen und über die vorher so mysteriösen Leiterplatten mit dem Rechner verbunden, tötet dieser den Protyp per Stromschlag. Das schürt Flemings Bedenken zusätzlich. Aber was ist die Aufgabe des Mädchens Andromeda? Was wollen ihre „Absender“ und Schöpfer?

Andromeda

Zunächst ist das schöne Mädchen nur ein leeres Gefäß und muss mit Wissen vollgestopft werden. Weil sie rasend schnell lernt und nie etwas vergisst, ist sie schließlich in der Lage, die Steuerkonsole des Rechners zu bedienen und komplizierte Aufgaben einzugeben und Abfragen auszuführen. Außerdem kann sie sich telepathisch mit ihm verständigen. Das potenziert Flemings Ängste noch um einiges, und auch Judy Adamson, die Agentin, lässt sich von seinen Befürchtungen anstecken.

Zusammen entdecken sie, dass Bridger geheime Dokumente auf der Insel Thorholm versteckt: ein toter Briefkasten. Als Judy dies dem Lagerkommandanten mitteilt, lässt er Bridger beschatten. Sie bekommen heraus, dass der Mann mit der mächtigen Handelsorganisation Intel und einem gewissen Herrn Servola verhandelt, um sein Wissen zu verkaufen. Als sie Bridger auf frischer Tat ertappen wollen, flieht er, stürzt an der Steilküste ab und stirbt auf den Klippen.

Fleming wird klar, dass der Rechner, der auch bei den militärischen und politischen Stellen umstritten ist, ein riesige Gefahr darstellt. Dawnay mag ja tolle Erfindungen damit tätigen, aber was, wenn der Rechner die Kontrolle über die Netzwerke der Welt übernimmt? Schließlich herrscht immer noch der Kalte Krieg. Die Amis haben England praktisch zu ihrem vorgeschobenen Militärposten gemacht und haben auch im britischen Andromeda-Projekt das Sagen.

Maschinenstürmer

Fleming beschließt, den Rechner, der Andromeda steuert, zu zerstören. Leichter gesagt als getan, denn die Sicherheitsmaßnahmen haben Fleming, den offenen Kritiker, inzwischen von jedem Kontakt mit dem Rechner ausgeschlossen. Da hilft ihm ausgerechnet Judy, denn er hat nicht vor, Andromeda zu töten, sondern vielmehr, sie vor dem Computer der Aliens zu bewahren und zu befreien.

Mein Eindruck

Der Goldmann-Verlag hat diesen spannenden Wissenschaftsroman unter dem Etikett „Edition 84 – Die positiven Utopien“ veröffentlicht, aber frühere Ausgaben der zwei Bücher, die den Roman ausmachen, erschienen bereits 1967 und 1970 in deutschen Verlagen. Es handelt sich also um das Aufwärmen von bekannten Inhalten in neuer Verpackung. Die Übersetzungen sind sprachlich entsprechend antiquiert. Aber doch sehr verständlich, wenn man die deutschen Ausdrücke aus der Computerei in die heutige englische Terminologie zu übersetzen versteht.

Wie oben erwähnt, liegt dem Roman eine Fernsehserie zugrunde: „A for Andromeda“ und „The Andromeda Breakthrough“ wurden Anfang der sechziger Jahre ausgestrahlt. Dementsprechend einfach und leicht liest sich John Elliots Prosaversion der beiden Drehbücher für die Doppel-Serie. Ich habe das Buch in drei Tagen ausgelesen, mit einer Tagesleistung von rund 80-90 Seiten pro Tag. Da kann man sich schon fast beim Umblättern zusehen – optimal für längere Zugfahrten.

Charakterisierungen

Größere intellektuelle Leistungen sind nicht erforderlich, denn der Text serviert einem sämtliche Antworten mundgerecht. Die Figuren sind holzschnittartig gezeichnet, neben den vier Hauptfiguren Fleming, Judy, Dawnay und Andromeda insbesondere die Politiker und Militärs. Jedem wird eine, höchstens zwei Charktermerkmale zugewiesen. Osborne, Reinharts Chef, „wiehert“, wenn er redet. Das muss man sich mal konkret vorstellen… Reinhart selbst ist ein netter Onkel, aber auch ein geschickter Administrator, die Minister sonnen sich gerne im Glanze der Errungenschaften anderer. Die Militär sind selbstredend kantig und vernagelt, so dass man sie leicht austricksen kann.

Man kann sich bei Fleming drauf verlassen, dass er mit seinem losen Mundwerk jede Menge Flurschaden verursacht, aber er hat ausnahmsweise Recht: Der Alien-Computer ist gefährlich. Aber ist es die niedliche Andromeda ebenfalls? Das ist eben die große Frage. Fleming hat keinerlei Ratgeber, denn Bridger hintergeht ihn ebenso wie Judy Adamson. Und Dawnay dient nur Dawnay. Folglich macht Fleming eine Reihe folgenreicher Fehler, als er den Kampf gegen den Computer aufnimmt.

Weltuntergang

Diese Auseinandersetzung könnte durchaus die Vorlage für den Hollywood-SF-Trash „Colossus“ und später für „Wargames“ geliefert haben, in denen der Superrechner die Kontrolle übernimmt und droht, die Welt zu vernichten. Den Weltuntergang führt der Andromeda-Rechner ebenfalls herbei, aber erst im zweiten Teil des Romans. Dawnay hat, ohne es zu wissen, bereits in Thorness Bakterienkulturen entwickelt und unprofessionell entsorgt, die sich im nahen Meer rasend schnell vermehren: Sie entziehen der Luft den Stickstoff und tun noch andere ungemütliche Dinge.

Wie das technisch gehen soll, wird zwar nicht erklärt (Hoyle ist ja Astronom), doch nach einem Jahr zeigen sich weltweit schwere Folgen. In manchen Meeresregionen nimmt der Stickstoffgehalt enorm zu, der Sauerstoff, der an Stickstoff gebunden sein muss, aber gleichzeitig ebenso. Die Luftverhältnisse ändern sich radikal. Nicht nur geht den Lebewesen an land die Luft aus, auch die Druckverhältnisse sind derart labil geworden, dass Stürme und Tornados über Land und See fegen, die alles Leben zu vernichten drohen.

Vergleich mit J.G. Ballard

Erst als das Mädchen Andromeda den Rechner dazu bringt, für Dawnay die Formel eines Antibakteriums herzustellen, können an den Lieferstellen, wo dieses Antibakterium eingesetzt wird, die Stürme besänftigt werden. Aber der Schaden ist ist in aller Welt enorm. Das gleiche Szenario hat – zufällig? – auch James Graham Ballard in seiner Katastrophentrilogie „Zeit endet“ (dt. bei Heynes SF-Bibliothek) ausgemalt: Wind, Dürre und Feuer verheeren die Welt. Später kam noch die Sintflut hinzu (in „Paradiese der Sonne“ bzw. „The Drowned World“). Doch bei Ballard sind die Änderungen Metaphern für den kulturellen und sogar evolutionären Wandel der Menschheit. Er hat dieses Konzept in „Kristallwelt“, „Hochhaus“, „Die Betoninsel“ und „Crash“ weiterentwickelt (siehe meinen Bericht).

Ballards Verarbeitung des Themas „Krise der Welt und Menschheit“ ist der von Hoyle/Elliot haushoch überlegen. Wäre Ballard ein Cadillac mit allen Schikanen, dann wäre „A für Andromeda“ ein Volkswagen Käfer. Man kann sich wirklich fragen, was denn daran eine „positive Utopie“ sein soll, dass ein Alien-Computer das Gegenmittel zu seiner eigenen Vernichtungswaffe liefert. Utopisch ist daran rein gar nichts, und so positiv finde ich den Vorgang nun auch wieder nicht. „Glück gehabt“ trifft es wohl eher.

Unterm Strich

Dieser Wissenschaftsroman von Anfang der sechziger Jahre liest sich zwar flott und spannend, aber er liefert doch reichlich wenig neue Erkenntnisse. Teuflische bzw. verteufelte Supercomputer hat Hollywood inzwischen zuhauf hervorgebracht, und auch das „Mädchen von den Sternen“ wurde in den „Species“-Filmen mehr als einmal als Horrorshow inszeniert. Dabei gäbe es durchaus positive Gegenbeispiele wie etwa Iwan Efremovs „Tumannost Andromedy“ (Das Mädchen aus dem All“) aus dem Jahr 1957. Das könnte gut und gerne die Vorlage für Hoyle/Elliots Drehbuch und Romanfassung geliefert haben.

Als Science Fiction-Liebhaber bekam ich aber zunehmend den Eindruck, es mit einem Fliegengewicht von Untergangsszenario zu tun zu haben. Während im ersten Teil, bis zu Andromedas Verschwinden, der Einfluss der Politiker, Wissenschaftler und Militärs ungewöhnlich kenntnisreich und realistisch geschildert ist, verkommt der zweite Teil, der in einem erfundenen arabischen Ölstaat spielt, zu einem spannend zugespitzten Melodram, das es mit jedem Katastrophendrama seit den zwanziger Jahren aufnehmen kann. Die Szenen wechseln übergangslos, was die geminderte literarische Qualität verdeutlicht.

Von Logik kann eh keine Rede sein, und das ist auch die Hauptkritik, die die „Encyclopedia of Science Fiction“ an die zwei Bücher richtet. Sie hat den beiden TV-Serien, die in England offenbar erfolgreich liefen, je einen ganzen Artikel gewidmet, und das kommt nicht oft vor. Der Autor erfindet das Mädchen Andromeda lediglich, um die positive, durchaus auch romantische Seite des Erstkontakts der negativen Seite gegenüberzustellen, die in Kontrolle und Angst besteht. Wie so oft kommt es auf den „gesunden Menschenverstand“ eines Helden, hier Flemings, an, das Schlimmste zu verhindern und alles zum Positiven zu verändern. Gerade dieser Vorgang ist wenig überzeugend dargestellt.

Fazit: mit viel Wohlwollen noch drei von fünf Sternen.

Taschenbuch: 254 Seiten
Originaltitel: A for Andromeda + The Andromeda breakthrough, 1962+1964;
Aus dem Englischen von Gustav Keim und Robert Picht.
ISBN-13: 9783442084111

www.randomhouse.de

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