Hambly, Barbara / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Jagd der Vampire (Gruselkabinett 32+33)

|Titania Medien| versorgt seit einigen Jahren mit schöner Regelmäßigkeit Liebhaber des gepflegten Grusels mit Hörstoff. Die solide produzierte Hörspielreihe „Gruselkabinett“ widmete sich zunächst den Klassikern des Genres, wie z. B. Stokers „Dracula“ oder Stevensons [„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349, mittlerweile werden allerdings auch jüngere Romane vertont, wie im vorliegenden Fall von Barbara Hamblys „Jagd der Vampire“, ein vampirischer Detektivrroman in klassischer Anmutung aus dem Jahr 1988, der seinerzeit den |Locus Award| für den besten Horrorroman gewann und den Hambly 1995 in „Gefährten des Todes“ fortsetzte.

Barbara Hambly lässt ihren Vampirroman zu Beginn des 20. Jahrhunderts in London spielen. Protagonist ist Professor James Asher, graumeliert und distinguiert, jedoch mit einer illustren Vergangenheit. Bevor er es sich nämlich in der Behäbigkeit des englischen Universitätstrotts gemütlich gemacht hat, war er ein erfolgreicher Spion für die englische Krone. Diese Zeiten sind zwar lange vorbei, doch soll Asher gleich zu Anfang des Hörspiels herausfinden, dass die Vergangenheit einen immer einholen wird. Als er nämlich von der Universität heimkehrt, findet er seine Frau und die Dienerschaft in einem künstlichen Schlaf vor. Dessen Urheber ist der Vampir Don Simon Ysidro, der Asher eben wegen seiner Erfahrung als Spion aufsucht.

Die Vampirgemeinschaft von London hat nämlich ein schwerwiegendes Problem: Bereits vier Vampire sind ums Leben gekommen, als tagsüber ihre Särge geöffnet wurden. Sie verbrannten oder wurden enthauptet. Da Vampire tagsüber praktisch bewusstlos und damit wehrlos sind, sieht sich Ysidro nicht in der Lage, den Mörder selbst zu finden. Und so zwingt er Asher dazu, ihm zu helfen, und droht damit, Ashers Frau Lydia zu töten, sollte dieser sich weigern.

Asher sieht also keine andere Möglichkeit, als sich auf Ysidros Angebot einzulassen. Und so bilden die beiden fortan an sehr ungleiches Paar, als sie versuchen, dem Vampirmörder auf die Spur zu kommen, während Ashers hochgebildete Frau Lydia ihre eigenen Untersuchungen anstellt, um Asher Hintergrundinformationen liefern zu können.

Hamblys „Jagd der Vampire“ ist weniger eine Vampir- als eine klassische Detektivgeschichte. Sicher, die Vampirmorde sind der Aufhänger für die detektivische Jagd und Hambly macht sich ihre eigenen, durchaus interessanten Gedanken zum Vampirmythos (so lässt sie die Pathologin Lydia eine Theorie aufstellen, nach der Vampirismus eine Krankheit, hervorgerufen von einem Virus, sein könnte), doch im Vordergrund der Geschichte stehen Asher, der Detektiv, und seine deduktive Suche nach dem Mörder der Vampire. Zwar ist dem ehemaligen Spion alles andere als wohl dabei, gerade einem Blutsauger zu helfen, doch hat er kaum eine Wahl. Und so heißt es, seine Skrupel und Zweifel zu schlucken und stattdessen kaltblütig und objektiv an das Problem heranzugehen. Darum muss Asher, ganz wie die Detektive in früheren Geschichten des Genres (also beispielsweise bei Doyle oder Poe), logisch vorgehen, Hinweise und Indizien prüfen und durch stetiges Vortasten schließlich auf die Spur des Übeltäters kommen.

Um auch die Fans des Horrorgenres zu bedienen, lässt Hambly ihre Protagonisten in den Pariser Katakomben umherwandern, schickt sie auf den stimmungsvollen Londoner Highgate-Friedhof oder lässt sie verkohlte Leichen inspizieren. Und natürlich wäre da noch Ysidro selbst zu erwähnen, der als ältester Vampir Londons eine durchaus beeindruckende und furchteinflößende Figur abgibt. Er und Asher bilden ein ungleiches Team, dessen Beziehung auf Abhängigkeit und Angst aufgebaut ist. Im Laufe der Handlung lernen beide Männer jedoch, den anderen zu schätzen und zu respektieren, auch wenn Asher nie so weit geht, dem Vampir tatsächlich zu vertrauen. Wie sich die Dynamik zwischen den beiden Charakteren verändert, ist einer der faszinierendsten Punkte der Erzählung und wird von Barbara Hambly meisterhaft vermittelt.

Wie immer hat sich |Titania Medien| für die Hörspielbearbeitung bekannte deutsche Stimmen ins Boot geholt. So wird James Asher von niemand Geringerem als Wolfgang Pampel gesprochen, der auch Harrison Ford seine Stimme leiht. Das gibt dem Hörspiel eine interessante Richtung, da es einfach unmöglich ist, Pampels Stimme zu lauschen, ohne das wettergegerbte Gesicht Indiana Jones‘ vor Augen zu haben. Ebenfalls ein Volltreffer ist Nicola Devico Mamone als Ysidro, dessen starker spanischer Akzent nicht nur nach altem Adel klingt, sondern der es auch schafft, Ysidro gefährlich und unberechenbar erscheinen zu lassen. Claudia Urbschat-Mingues als Lydia erweist sich dagegen als weniger glückliche Wahl. Die deutsche Stimme von Angelina Jolie sprüht geradezu vor Erotik, was dem kühlen Intellekt und der Kombinationsfähigkeit Lydias nicht unbedingt entgegenkommt.

Von diesem kleinen Kritikpunkt abgesehen, gibt es an „Jagd der Vampire“ absolut nichts auszusetzen. Das zwei CDs umfassende Hörspiel gibt sich viel Mühle, den Leser mit Hilfe der Geräuschkulisse an den Anfang des letzten Jahrhunderts zu versetzen, und ist damit mehr als erfolgreich. Die Straßen Londons, das nächtliche Paris, die Zugfahrten mit Ysidro – all das atmet den Geist der Jahrhundertwende, und das wird auch beim Hören mehr als deutlich.

Hamblys „Jagd der Vampire“ ist ein gefundenes Fressen sowohl für Fans von Vampirgeschichten als auch für Liebhaber von klassischer Detektivliteratur. Beides verknüpft die Autorin äußerst wirkungsvoll zu einem Roman weit jenseits der leidenden Vampire mit den traurigen Augen und stumpfen Zähne, die Anne Rice zuerst geprägt hat und die heutzutage große Teile des vampirischen Bücherregals bevölkern.

|Originaltitel: Those who hunt the Night, 1988
148 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13 der Doppel-CD-Ausgabe: 978-3785738238|

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_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)