Higgins Clark, Mary – Denn niemand hört dein Rufen

_Inhalt_

Emily Wallace ist aufgeregt: Sie darf tatsächlich die Anklage im Fall von Gregg Aldrich führen, der seine Ehefrau, die berühmte Schauspielerin Natalie Raines, erschossen haben soll. Die junge Frau wirft sich mit aller Kraft in die Arbeit: Noch ist sie Assistenzstaatsanwältin, aber wenn sie jetzt alles richtig macht, dann steht ihrer Karriere ein kräftiger Schub bevor.

Sie hat keinen Zweifel an der Schuld des Angeklagten. Er stand schon immer unter Verdacht, mit Natalies Tod etwas zu tun zu haben, die sich zum Zeitpunkt ihres Todes von ihm hatte scheiden lassen wollen. Doch man hat ihm nie etwas beweisen können, bis sich jetzt plötzlich, drei Jahre später, ein Zeuge gefunden hat. Kein besonders Vertrauen erweckender Zeuge, zugegeben, aber er hat eine unwiderlegbare Geschichte, die den Angeklagten schwer belastet.

Emily feilt an ihren Verhören und Plädoyers, und es läuft gut für die Juristin, bis der Angeklagte selbst zu Wort kommt. Dann zeigen sich Risse in der glatten Fassade: Kann Emily tatsächlich noch aus ganzem Herzen an die Schuld des Mannes glauben? Widerstrebend gesteht sie sich ein, dass eventuell doch mehr hinter dem Tod der Schauspielerin steckt als Eifersucht – tatsächlich hat sie das Gefühl, dass sich im Dunkeln eine ganz andere Geschichte verbirgt, düsterer, weniger alltäglich, mit Wurzeln, die tief in der Vergangenheit stecken.

Das unheimliche Gefühl, das sie die ganze Zeit über begleitet, stammt allerdings nicht allein von dem Fall her, der ihr über den Kopf zu wachsen droht: Auch in ihrer unmittelbaren Nähe bereitet sich eine Katastrophe vor, die sie keinesfalls kommen sehen kann.

Um Emily zieht sich ein unsichtbares Netz zusammen, und unversehens findet sich die Jägerin in der Rolle der Gejagten wieder …

_Kritik_

Mary Higgins Clark hat zuverlässig einen weiteren unheimlich spannenden Thriller abgeliefert. Trotz verschiedener Perspektiven wird genug Raum für Zweifel jeglicher Art gelassen, und die einzelnen Personen gehen dem Leser jeweils auf ganz eigene Art und Weise ans Herz, genauso, wie die Einblicke in das kranke Gemüt eines Psychopathen unmittelbares Gruseln auslösen.

Clark schreibt stilistisch nicht bombastisch, aber rund und flüssig: Ihre Wortwahl lässt den Leser schnell über die kurzen Kapitel hinweg fliegen, und das ist bei ihrer Art von Buch das einzig Richtige. Schlangensätzen oder komplizierten Konstruktionen kann zwar eine ganz eigene Schönheit innewohnen, aber deren müßige Betrachtung würde bei der atemlosen Spannung, die Clark aufbaut, doch nur hinderlich wirken. Die schnellen Szenenwechsel erhöhen das Erzähltempo und lassen den Leser mit befriedigender Geschwindigkeit auf den Knalleffekt am Ende zu sausen.

Die Charaktere, die diese Autorin erschafft, sind auch in diesem Roman von hoher Glaubwürdigkeit, sowohl mit ihren guten Seiten als auch mit ihren bösen. Und doch kann es immer wieder zur Überraschung kommen, wenn plötzlich eine Maske fällt und sich das Böse in einer vollkommen neuen Form zeigt.

Auch die Art, wie sich zwei Pflanzen des Verbrechens unbemerkt aufeinander zu entwickeln, ohne die jeweils andere wahrzunehmen, bis sich letztendlich ihre Zweige ineinander verstricken, ist wunderschön subtil gelöst.

_Fazit_

Die Lady of Crime hat diesem ihrem Ehrentitel einmal mehr alle Ehre gemacht. „Denn niemand hört dein Rufen“ jagt dem geneigten Leser nicht nur einen Schauer über den Rücken. Man schwankt auch dauernd in seiner Parteinahme und verdächtigt mal diesen und mal jenen.

Mary Higgins Clark gehört zu Recht zu den erfolgreichsten Thrillerautorinnen unserer Tage; es kommt einfach nicht vor, dass eines ihrer Bücher öde, langweilig oder vorhersehbar ist. Auch wird die Vorstellungskraft der Leser nicht überstrapaziert; eher ist es so, dass der jeweilige Fall aus einem Blickwinkel beleuchtet wird, der für alle ersichtlich ist. Dass diese einfachste Lösung aber selten die Richtige ist und sich in den Schatten noch ganz andere Tatsachen verbergen, wird Schritt für Schritt aufgezeigt, und wie sich das Bild dann wandelt, ist immer wieder ein hübsch anzusehender Zaubertrick.

Wenn Sie Thriller mögen, kommen Sie an Mary Higgins Clark nicht vorbei. Vielleicht explodiert hier nicht andauernd etwas, aber das tut der Spannung keinen Abbruch.

|Gebundene Ausgabe: 416 Seiten
Originaltitel: Just Take My Heart
aus dem Amerikanischen von Andreas Gressmann und Karl Heinz Ebnet
ISBN-13: 978-3453266070|
http://www.randomhouse.de/heyne
http://www.maryhigginsclark.com

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