Band 1: [„Gute alte Zeit“ 2257
Band 2: [„Ein langer Weg“ 2677
_Story_
Rick und der Trupp der Überlebenden haben in einem Hochsicherheitstrakt eines verlassenen Gefängnisses vorzeitig einen sicheren Zwischenhort auf der Flucht vor den Zombies gefunden. Ein hoher Sicherheitszaun wird erstellt und das gesamte Gebäude eingezäunt, um weitere Angriffe der Untoten im Keim ersticken zu können. Doch während sich vor den Toren des Geländes eine immer größer werdende Schar Zombies versammelt, wächst innerhalb der Festung der Hunger der Verfolgten. Rick bricht mit seinem Motorrad zur Farm des einst verstoßenen Hershel auf, um ihn um Hilfe zu bitten.
Derweil erkunden seine Gefährten das Gebäude und stoßen in der Turnhalle auf eine böse Überraschung: Auch intern befinden sich diverse Untote, die erst einmal ordentlich ausgeräuchert werden müssen. Doch nicht nur das: Auch vier weitere Überlebende, allesamt vergessene Sträflinge, sitzen inmitten der Mauern und verfügen über ein reichhaltiges Kontingent an Vorräten. Doch Rick wird alsbald misstrauisch: Einer von ihnen ist wegen Mord an seiner Familie hinter Gitter gekommen und weckt, mit diesem Makel behaftet, nicht gerade das Vertrauen in der Truppe. Als dann schließlich noch Hershels Kinder auf mysteriöse Weise ums Leben kommen, wird die Gemeinschaft in regelrechte Panik versetzt.
_Meine Meinung_
Auch wenn man mit Zombie-Geschichten in erster Linie Action und blutige Szenarien in Verbindung bringt, tut Robert Kirkman im dritten Sammelband seiner Heftreihe „The Walking Dead“ gut daran, auch einmal näher auf die Emotionen der Beteiligten einzugehen. Brachen in der Vorgeschichte bereits öfter Hysterie und Chaos ob der unbegreiflichen Situation aus, scheinen die Protagonisten in der zeitweiligen Sicherheit des Gefängnistrakts nun zum ersten Mal ein wenig zur Ruhe zu finden. Dies birgt aber auch in sich, dass man Muße findet, sich intensiver mit dem Erlebten zu beschäftigen und all die Verzweiflung, die sich während der schier aussichtslosen Flucht aufgestaut hat, mit einem Mal herauszulassen.
Diese Darstellung ist dem Autor in „Die Zuflucht“ wirklich perfekt gelungen. Leute am Rande des Nervenzusammenbruchs befinden sich auf engstem Raum, stets in bleibender Angst vor der permanenten Bedrohung und der Befürchtung, dass der Tod in den nächsten Tagen bevorsteht. Und dennoch ist man mutig, hält sich aufrecht und kämpft mit den letzten verzweifelten Mitteln um Vernunft und Beherrschung. Doch mit wachsender Dauer gerät das Szenario dennoch aus den Fugen. Selbst die starken Bande zwischen Rick und Tyreese, der zwischenzeitlich sogar mal von Zombies umzingelt und zurückgelassen wird, wird des Öfteren auf eine harte Probe gestellt. Beide maßen sich zudem an, die Führungsrolle der Gemeinschaft zu übernehmen und andere mit ihrer eigenen Meinung zu überstimmen, was bei all den starken Charakteren eine weitere Schwierigkeit ist, die den Frust der Leute fördert und schließlich zu mehreren Eskalationen führt. Nicht zuletzt als die vier verborgenen Gefängnisinsassen entdeckt werden und allerorts verschärfte Diskussionen auslösen, scheint die Situation außer Kontrolle zu geraten. Statt den gemeinsamen Feind zu bekämpfen, gehen die Überlebenden sich selber an die Wäsche und verlieren, geprägt vom Außergewöhnlichen, für kurze Phasen den letzten verbleibenden Teil ihrer Vernunft.
Die vielfältigen Emotionen, die Robert Kirkman in einer solchen Extremsituation beschreibt, mögen zwar lediglich auf dem vollkommen fiktiven Inhalt fußen, erscheinen aber vor dem Hintergrund der sich breitmachenden Verzweiflung erstaunlich authentisch und machen „The Walking Dead“ erneut zu mehr als nur einer bloßen, typischen Zombie-Story. Bereits die Tatsache, dass die verhältnismäßig dürre Präsenz der Untoten sich kaum nachteilig auf die beklemmende Atmosphäre der Handlung niederschlägt, spricht dafür, dass Kirkman ein Künstler auf seinem Gebiet ist und es jederzeit versteht, Action, Zwischenmenschliches und auch den gewissen Anteil Splatter, den er hier eingeflochten hat, zu einem stimmigen Ganzen zusammenwachsen zu lassen. Die Story berührt und verführt zu Gedanken über das eigene Verhalten in einer (natürlich im übertragenen Sinne) vergleichbaren Extremsituation, bleibt dabei ohne Unterlass spannend und bringt die gesamte Serie auf eine noch anspruchsvollere Ebene, was – und das sei hier noch einmal explizit betont – für eine Handlung innerhalb eines solchen Settings mehr als ungewöhnlich ist. Gleichermaßen unterstreicht dies aber auch, wie speziell „The Walking Dead“ in wirklich jederlei Hinsicht ist.
Mit „Die Zuflucht“ erreichen der Plot und die Reihe an sich ihren vorläufigen Höhepunkt und bestätigen eindrucksvoll, dass es sich um die wohl beste illustrierte Geschichte ihrer Art handelt. Wer für das Genre schwärmt und sich noch immer nicht hat verführen lassen, sollte spätestens jetzt nicht zu sehr in den Nachholbedarf abrutschen. „The Walking Dead“ sollte man nämlich als Comic-Liebhaber dringend gelesen haben.
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