MacBride, Stuart – Halfhead

_Viele Zutaten für Action, Grusel, Geheimnis – doch nicht genug_

Die nahe Zukunft hat ihre eigenen Methoden, mit Kriminellen fertigzuwerden. William Hunter ist der Hilfsdirektor des Networks und zuständig für Technikverbrechen und Polizeiaktionen. Doch als eine Routineaktion in einem der Hochhäuser jenseits des Flusses Clyde unerwartete Verwicklungen nach sich zieht, sieht er sich in eine Verschwörung hineingezogen. Jemand will, dass das Sozialghetto in den Hochhäusern wieder in Gewalt und Tod ausbricht, wie schon elf Jahre zuvor, als dabei Millionen starben. Unterdessen treibt die Serienmörderin Dr. Fiona Westfield, die seinerzeit von ihm hinter Gitter gesteckt wurde, erneut ihr Unwesen …

_Der Autor_

Stuart MacBride war schon alles Mögliche: ein Grafikdesigner, dann ein Anwendungsentwickler für die schottische Ölindustrie und jetzt Kriminalschriftsteller. Mit seiner Frau Fiona lebt er in Nordostschottland. Seine Krimis um Detective Sergeant Logan McRae spielen in Aberdeen. Mehr Info unter [www.stuartmacbride.com]http:// www.stuartmacbride.com

|Werke:|

1) „Cold Granite“ (2005) = [„Die dunklen Wasser von Aberdeen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2917
2) [„Dying light“ (2006)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6758
= [„Die Stunde des Mörders“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3739
3) „Broken skin“ (2007; US-Titel: „Bloodshot“) = [„Der erste Tropfen Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4940
4) Blind eye = Blinde Zeugen
5) [„Flesh House“ (2008)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6760
= [„Blut und Knochen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5792
6) [„Halfhead“ (2009)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6773
7) Dark Blood (2010)

_Handlung_

In 20 oder 30 Jahren ist die Hafenstadt Glasgow beinahe überflutet, gäbe es nicht die hohen Hafenmauern, die sie schützen. Doch die Mauern teilen die Stadt entzwei, in den gut erhaltenen Norden und den in soziale Verwahrlosung geratenen Süden, wo riesige Hochhäuser emporragen, in denen die Armen, Verbrecher und die |Halfheads| leben. Die |Halfheads| sind verurteilte Verbrecher, die von den Behörden chirurgisch verstümmelt wurden – man hat ihnen den Unterkiefer entfernt und das Vorderhirn. Sie sind noch dazu in der Lage, niedere Arbeiten wie Putzen zu verrichten. Es gibt keine Berufung gegen diese Behandlung. Und keiner kommt zurück. Bis jetzt.

Dr. Fiona Westfield, eine der fleißigsten Serienmörderinnen, die Glasgow jemals gesehen hat, erwacht in einem unbekannten Raum. Umgeben von Blut und Tod und Dunkelheit. Und es verlangt sie nach Vergeltung. Es war William Hunter, der sie seinerzeit eingefangen hat und behandeln ließ. Machte einen |Halfhead| aus ihr.

Hunter ist wegen dieses Erfolges in den Rängen der Strafverfolgungsbehörden aufgestiegen und hat es zum Assistant Section Director (ASD) des NETWORKS gebracht. In dieser Behörde ist er zuständig für Technikverbrechen und Polizeiaktionen. Eigentlich soll er ja an einer Trauerfeier für einen im Dienst getöteten Beamten teilnehmen, doch die Einsatzzentrale beschließt anderes und schickt ihn zu den TÜRMEN im Süden der Stadt. Dort hat es in den öffentlichen Toiletten einen Mord gegeben.

Seine Vorgesetzte Smith-Hamilton teilt ihn einem neuen Programm zu, in dem NETWORK-Beamte mit Streifenpolizisten zusammen Fälle lösen sollen – eine Loyalitätsmaßnahme, scheint es. Dadurch lernt William die Streifenpolizistin Detective Sergeant Jo Cameron kennen und merkt, dass sie das Potential für mehr Verantwortung hat. Kein Wunder, dass sie später ins Network eintreten will.

Die Rechtsmedizin findet die Identität der Leiche heraus: Allan Brown, ein Psychotechniker, der in den TÜRMEN wohnte. In seinem Magen findet sich eine interessante Mahlzeit: Menschenfleisch. Es handelt sich um seinen Nachbarn Kevin McEwan, der zwei Apartments weiter wohnte. Die Gehirne der beiden weisen gemeinsame Anomalien auf: Sie weisen auf Eigenschaften von Serienmördern hin. Genauso wie damals bei den Unruhen vor elf Jahren. Das verheißt William nichts Gutes.

Mit ihr und einem Einsatzkommando begibt er sich erneut in die TÜRME, um in Allan Browns Apartment mehr darüber herauszufinden. Es ist eine Expedition in Feindesland. Denn der Scanner des CSI-Teams setzt die Stromkreise in 600 Metern Umkreis außer Gefecht. Das wiederum bedeutet, dass die Virtual-Reality-Anlage ausfällt, die den 250.000 Bewohnern das Eingepferchtsein erleichtert ausfällt. Dieser Ausfall wiederum führt zu kaltem Entzug, der sich dann in roher Gewalt gegen die Ursache des Ausfalls entladen dürfte.

Eile ist also geboten, wie Hunter weiß. In Allan Browns Apartment finden sie 15 abgeschlagene |Halfhead|-Köpfe vor. An den Wänden sind Malereien zu sehen, die einen Engel mit einem Schwert zeigen. In einem anderen Zimmer wird das Buch der Offenbarung, Kapitel 14, zitiert. Ungefähr so: Wer das Zeichen des Tiers oder das Merkmal seines Namens trägt, der soll nicht am Leben bleiben und den Zorn Gottes erfahren. Im Gegensatz zu diesem Saustall ist die Wohnung von Kevin McEwen, dem Familienmörder, klinisch sauber.

Als William merkt, dass schon 20 Minuten um sind, seit sie sich hier unten im 47. von 60 Stockwerken aufhalten, befiehlt er den Abbruch des Scannens und den Rückzug zum Dach. Doch steht schon das Luftfahrzeug bereit. Sein Befehl kommt zu spät. Die Schießerei beginnt bereits …

_Mein Eindruck_

Dies ist keiner von MacBrides üblichen Krimis, die in Aberdeen spielen. Dies ist ein Agententhriller, der in einem zukünftigen Glasgow spielt. Der Agent, der im Mittelpunkt steht, Will Hunter, gehört zum Network, das so eine Art schottische Bundespolizei sein muss. Obwohl er den Titel eines Vizedirektors trägt, ist Will der Arsch vom Dienst, der von seiner Chefin immer eins reingewürgt bekommt, denn Eigenmächtigkeiten mag sie überhaupt nicht – besonders wenn diese den Gouverneur bedrohen.

Will lebt in einer Zeit, in der die Gewalt proportional zum Maß der Unterdrückung und zur Menge der Monsunregen zugenommen zu haben scheint. Dass es im Stadtpark noch nie sicher war, sollte sich inzwischen herumgesprochen haben, aber dass die Polizei deshalb gleich in Kompaniestärke mit panzerbrechenden Waffen aufkreuzt, ist neu. Während das Klima in der Geschichte eine eher nebensächliche Rolle spielt, scheint der Autor richtiggehend verliebt in die Wirkungskraft dieser Waffen. Sie heißen Thrummer und Bull Thrummer, Zapper und was nicht alles. Da hüpft doch jedem Egoshooter das Herz vor Freude. Tatsächlich gemahnt das Finale und andere Actionsequenzen wie die oben skizzierte stark an Spielverläufe in Konsolen-Games.

Die Story folgt zwei Handlungsverläufen und Hauptfiguren. Da ist zum einen Will, der einer versteckten Operation innerhalb des Networks auf die Schliche kommt: Peitai und sein Chef Kikan testen ein Anti-Serienmörder-Medikament in der freien Wildbahn, in den Sozialghettos. Will ahnt jedoch nicht, dass Kikan und Peitai diesen Stoff aus der Forschungsarbeit von Dr. Westfield gestohlen haben, die den zweiten Handlungsstrang bestreitet. Die zum |Halfhead| degradierte Westfield will sich verständlicherweise dafür rächen, was man ihr antat – und dies trägt doch stark zur Spannung bei, ebenso wie Wills Aktionen.

Damit der Leser angesichts der zahlreichen Szenenwechsel nicht in diesen zwei Handlungssträngen den Überblick verliert, erleben wir Dr. Westfield und ihre Untaten stets im Präsens: Sie bestreitet die Gegenwart und kommt uns auf diese Weise sehr nah. Ihre Psyche, so wahnsinnig sie auch sein mag, steht uns stets offen.

Will agiert stets in der Vergangenheit, zusammen mit Jo Campbell, Brian Alexander und allem Anhang, über den die drei verfügen. Auf diese Weise erleben wir die furiosen Heldentaten von Network-Agenten und städtischen Polizisten mit einem gewissen Abstand. Der ist auch nötig, denn die Action ist zuweilen ein wenig chaotisch. Zudem folgt Will einer Ermittlung und wirft dabei in Gedanken stets einen Blick in die Vergangenheit.

Seine eigene Vergangenheit ist voller Schmerzen, wie wir häppchenweise erfahren: Er hat seine Frau verloren – sie wurde ermordet. Dies ist auch die Verbindung zu Dr. Westfield, die ihm nach dem Leben trachtet, weil sie ihn für ihre Verstümmelung mitverantwortlich hält (dabei waren Kikan & Co. ausschlaggebend). Kein Wunder, dass es Will schwerfällt, eine neue Beziehung einzugehen, doch nach ein paar linkischen Anläufen, landet er mit Jo Cameron doch noch im Bett. Diese Szenen ist im Gegensatz zur Action mit viel Feingefühl geschildert.

_Unterm Strich_

Dieser Thriller aus einem zukünftigen Glasgow bietet eigentlich alle Zutaten auf, um den Zuschauer vom Hocker zu reißen: Einen sympathischen, linkischen Agenten mit Hang zu hammerharten Action und gutem Sex, eine Geheimorganisation mit finsteren Plänen – und schließlich eine wahnsinnige Serienmörderin. Dennoch wollte sich bei mir keine rechte Begeisterung einstellen, und das lag sicher nicht nur an dem schwer verständlichen schottischen Dialekt, der hier vielfach gesprochen wird.

Vielmehr habe ich den Verdacht, dass diese Mischung ein bisschen zu viel des Guten ist und vor allem die actionsüchtigen Egoshooter-Spieler von Videospielen anspricht. Die Psychologie ist holzschnittartig grob, die sozialen und psychologischen Probleme bleiben meist an der Oberfläche, doch die Gruseleffekte sind nicht von schlechten Eltern und stets dick aufgetragen.

Zarte Gemüter seien vor manchen Szenen dringend gewarnt. Diese haben meist mit dem menschenfeindlichen Einsatz futuristischer Waffen zu fiesen Zwecken zu tun. Und was die kranke Killerin anbelangt, so macht sich der Autor einen Spaß daraus, ihre „Heldentaten“ offscreen auszuführen, aber umso eingehender zu umschreiben – vor allem die blutige Sauerei danach …

|Taschenbuch: 376 Seiten
ISBN-13: 978-0007298709|
[www.harpercollins.com]http://www.harpercollins.com

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