Millar, Martin – Kalix – Fluch der Werwölfe (Kalix 2)

_|Kalix|:_

Band 1: Kalix – Werwölfin von London
Band 2: _Kalix – Fluch der Werwölfe_

Nachdem die junge Werwölfin Kalix MacRinnalch es in „Kalix – Werwölfin von London“, dem ersten Band der Reihe, geschafft hat, fast ihre gesamte Familie gegen sich aufzubringen und vom schottischen Familiengut vertrieben zu werden, lebt sie ein beschaulich anmutendes Leben in London. Sie wohnt mit Freunden in einer WG, geht aufs College, doch so wirklich kann sie ihrer wilden Vergangenheit und auch ihrem wilden Wesen trotzdem nicht entfliehen.

Obwohl sie eigentlich glücklich sein müsste, fühlt sie sich einsam und ist depressiv. Sie wird immer noch für ihren Mord am Werwolfanführer Sarapen verfolgt und ist nur durch die Zauber ihrer Schwester Thrix vor anderen Wölfen und den Werwolfjägern geschützt. Ihre Sucht nach Laudanum, Whiskey und Selbstverletzung sowie ihre Appetitlosigkeit nagen an ihr. Als sie einen Brief von ihrem ehemaligen Geliebten Gawain erhält, der sie zuvor mit ihrer Schwester betrogen hat, ist sie hin und her gerissen, ob sie ihm vergeben soll oder nicht.

Als sie sich zu einer Aussprache mit ihm treffen will, macht sie eine grausige Entdeckung. Gawain wurde mit einem Stich ins Herz ermordet. Für die impulsive, unberechenbare Kalix ein rotes Tuch – sie will Rache an seinem Mörder nehmen. Dafür muss sie diesen aber erstmal finden, doch dies gestaltet sich schwierig, denn Werwolfjäger und verfeindete Werwölfe sind ihr auf der Spur. Einzig der undurchsichtige Decembrius scheint ihr helfen zu wollen …

_Mit über 744 Seiten_ ist „Kalix – Fluch der Werwölfe“ nicht gerade dünn, doch dem Autor Martin Millar gelingt es nach Startschwierigkeiten, diese überzeugend mit Leben zu füllen. Da die Geschichte aus der Perspektive mehrerer Personen erzählt wird, die jeweils abwechselnd in kurzen Kapiteln auftreten, ist der Anfang etwas unübersichtlich. Millar führt die einzelnen Charaktere so ein, dass sie trotz ihrer Vielzahl gut voneinander zu unterscheiden sind. Mit dem Fortschreiten der Geschichte werden die einzelnen Handlungsstränge immer enger miteinander verwoben. Dadurch baut sich mehr Spannung auf, auch wenn der Spannungsbogen insgesamt eher flach bleibt.

Allerdings sind es in diesem Buch auch weniger die Ereignisse, die überzeugen und das Buch so wunderbar machen, als vielmehr die Charaktere. Allen voran Kalix, die für ein Jugendbuch sehr gut ausgearbeit, kreativ und vor allem überraschend ist. Sie wird als zerrissenes Mädchen dargestellt, das nicht immer fair und mutig ist. Viele ihrer Handlungen sind durch Angst oder Hass motiviert. Sie handelt unüberlegt, ist drogenabhängig, psychisch labil. Sie ist sicherlich nicht die pädagogisch wertvollste Protagonistin, aber eine, mit der man mitfiebert. Jedes Mal, wenn sie wieder ihrer Laudanumsucht nachgibt, wünscht man sich, sie würde damit aufhören. Wenn sie wieder etwas tut, was dem gesunden Menschenverstand widerspricht, wünscht man sich, sie würde nur einen Moment weniger auf Instinkte hören. Viel Spannung bezieht die Geschichte daher auch aus ihrer unberechenbaren Hauptperson.

Die übrigen Charaktere sind nicht weniger interessant und lebendig. Millar stattet jeden von ihnen mit ganz besonderen Eigenheiten aus, die nicht immer ganz ernst gemeint sind. Die weiblichen Feuergeister beispielsweise fechten ihre internen Machtkämpfe mithilfe von Designerkleidung und Schuhen aus. Wer den angesagtesten Auftritt hinlegt, gewinnt. Obwohl die Geister in einer anderen Sphäre leben, werden sie überspitzt menschlich dargestellt, was überaus amüsant ist. Auch andere Figuren werden zumeist auf ihre prägnantesten Charakterzüge reduziert, was sie einfach verständlich und auch ziemlich witzig macht. Vex‘ Naivität beispielsweise sorgt immer wieder für humorvolle Momente, vor allem, wenn sie auf die gar nicht naive Kalix trifft.

Millar pflegt einen ganz eigenen Schreibstil. Auf der einen Seite schreibt er leicht verständlich, locker, wie es sich für einen Jugendroman gehört, auf der anderen benutzt er einen ihm ganz eigenen Humor. Dieser ist manchmal sehr eindeutig, manchmal eher versteckt, doch da ist er immer. Er zaubert dem Leser ein Lächeln ins Gesicht und hilft charmant über die handlungstechnisch weniger spannenden Stellen hinweg.

_Es ist vor allem_ dieser einmalige Schreibstil mit dem Humor, der „Kalix – Fluch der Werwölfe“ aus der Masse herausstechen lässt. Hinzu kommt ein herrlich funkensprühendes Personenensemble voller unterschiedlicher, lustiger, aber auch trauriger Charaktere, die den Leser mitreißen. Die Handlung hat zwar die eine oder andere Länge, was jedoch durch die genannten Pluspunkte kompensiert wird.

|Broschiert: 744 Seiten
Originaltitel: |Curse of the Wolf Girl|
Deutsch von Eva Kemper
ISBN-13: 978-3841421029|
http://www.fischerverlage.de

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