Minte-König, Bianka – Amanda – Deine Seele so wild (Die Dunkle Chronik der Vanderborgs 2)

_|Die dunkle Chronik der Vanderborgs|:_

Band 1: [„Estelle – Dein Blut so rot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6693
Band 2: _“Amanda – Deine Seele so wild“_
Band 3: „Louisa – Mein Herz so schwer“ (September 2011)

In „Estelle – Dein Blut so rot“ beschrieb Bianka Minte-König eine große vampirische Romanze zwischen ihrer Titelheldin Estelle und deren Liebhaber Amadeus. Aus dieser Beziehung ging eine Tochter hervor, Amanda, und um diese entspinnt Minte-König im zweiten Teil der „Dunklen Chronik der Vanderborgs“ eine neue Geschichte um Liebe, Identität und deutsche Geschichte.

Amanda wächst zunächst behütet auf dem Gut Blankensee unweit von Berlin auf. Ihre Mutter jedoch verfällt nach dem Tod ihres Geliebten in Depressionen und verschwindet schließlich sogar. Als mit vierzehn Jahren Amandas vampirisches Erbe hervorbricht und sie ihr Dienstmädchen in den Hals beißt, steckt sie ihr Onkel in die Nervenheilanstalt. So ist er das verrückte Kind los und kann sich dessen Erbe unter den Nagel reißen. Amanda wird derweil von Professor Müller-Wagner einer revolutionären Therapie unterzogen – man malträtiert sie mit Elektroschocks, in der Hoffnung, ihr Hirn wieder richtig zu polen. Erst nach drei Jahren entkommt sie dieser Hölle, als sich ein Freudianer, der junge Conrad Lenz, in der Anstalt einfindet und sich der mittlerweile katatonischen jungen Frau annimmt. Mit Hilfe der Psychoanalyse versucht er zu Amanda durchzudringen, die aufgrund der brutalen Elektroschockbehandlung unter Amnesie leidet.

So vergeht der erste Teil des Romans damit, dass Amanda ihre Vergangenheit langsam wieder zusammensetzt, bevor sich eine zarte Liebe zwischen ihr und Conrad entspinnt. Als dann überraschend ein Brief ihrer Mutter eintrifft, macht es Amanda sich zur Aufgabe, Estelle aus den Fängen ihres Ehemanns Karolus Utz zu befreien, der sie auf der karpatischen Familienburg gefangen hält. Zu diesem Zweck reisen Amanda, Conrad und der alte Vanderborg zurück in die polnischen Karpaten, wo sie auch tatsächlich Estelle – aber eben leider auch Utz vorfinden. In einer dramatischen Flucht von der Burg kommen sie gerade so mit dem Leben davon. Zurück in Berlin wird das Glück, dass Conrad und Amanda miteinander empfinden durch Kinder gekrönt. Allerdings werden die gesellschaftlichen und politischen Umstände bald wieder prekär und als Hitler an die Macht kommt, ist den beiden klar, dass ein neuer Krieg am Horizont heraufzieht.

_Bianka Minte-König ist_ dem Konzept, das sie für „Estelle“ entwickelt hatte, auch in dieser Fortsetzung treu geblieben. Die Handlungsschauplätze pendeln zwischen Berlin, Blankensee und den Karpaten und auch die Liebesgeschichte zwischen Amanda und Conrad verläuft in durchaus erwartbaren Bahnen. Aus dieser Richtung sind also kaum Überraschungen zu erwarten. Am besten gelungen ist Minte-König wohl der Beginn des Romans: Der Handlungsschauplatz der Nervenheilanstalt ist mit kalter Präzision beschrieben und Amandas Grauen angesichts dieser modernen Folterkammer kommt ungefiltert beim Leser an. Ebenso interessant lesen sich die Passagen zum Thema Psychoanalyse und Freud, die in krassem Gegensatz zu Müller-Wagners mittelalterlich anmutender Schocktherapie steht. Dass Amanda zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hat, dass sie ein Vampir ist, macht die ganze Sache nur noch spannender, denn so können Therapeut und Patientin über ihr dunkles Es spekulieren, ohne zu realisieren, dass es eben nicht Amandas Unbewusstes ist, dass ihr solche Probleme bereitet, sondern ihr ganz realer Blutdurst. Eine psychoanalytische Interpretation des Vampirthemas ist nicht neu und drängt sich in diesem Sujet geradezu auf. Trotzdem gehen diese Passagen kaum in die Tiefe und kratzen nur küchenpsychologisch an Amandas „so wilder Seele“. Immerhin, einen Vampir in eine Nervenheilanstalt zu stecken ist eine durchaus originelle Idee, gerade weil hier sowohl Vampir als auch Therapeut im Dunkeln tappen.

Leider versteht es Minte-König nicht, die moralische Problematik des Vampirismus wirklich auszuloten, stattdessen lässt sie ihre Heldin im Angesicht ihres Blutdursts mal mitfühlend, mal kaltherzig reagieren – gerade wie es die Handlung im Moment verlangt. So pendelt Amanda stets zwischen Gutmenschentum und geradezu lästerlicher Menschenverachtung. Im einen Moment noch lamentiert sie darüber, dass das Töten von Menschen ihr moralisch zu schaffen macht und im nächsten erörtert sie, dass es geradezu ein Gnadenakt sei, Arbeitslose und Kriegsversehrte per Vampirbiss von ihrem tristen irdischen Dasein zu befreien. Minte-König lässt diese zweifelhaften Gedankengänge unkommentiert im Text stehen. Nie erlaubt sie ihrer Protagonistin eine wirklich ernsthafte Auseinandersetzung mit diesen Problemen und so schleicht sich die Schizophrenie, die Conrad Lenz zu Beginn noch heilen wollten, durch die Hintertür dann doch wieder in Amandas Psyche.

Grundsätzlich scheint Bianka Minte-König nach dem Motto „Drama, Baby!“ zu arbeiten, denn an jeder Weggabelung in Amandas Leben wählt die Autorin den Pfad, der ihrer Heroine den meisten Herzschmerz bereiten wird. Amanda verliert ihre Mutter. Amanda kommt in die geschlossene Anstalt. Amanda erringt die Freiheit, hat aber keine Bürgerrechte mehr. Amanda findet ihre Mutter wieder, nur um sie sofort wieder zu verlieren. Amanda verliebt sich in Conrad, den aber auch ein düsteres Schicksal ereilt. Amanda bekommt Zwillinge, doch ein Kind stirbt tragisch … und so weiter. Amandas Leben verläuft damit auf dermaßen hohem dramatischem Level, dass dem Leser von Zeit zu Zeit die Puste auszugehen droht. So viel Pech kann doch eine einzelne Romanfigur gar nicht haben, oder? Und wenn Minte-König dann nicht nur das Level, sondern auch noch das Tempo des Dramas anhebt, dann bleibt der Leser vollends auf der Strecke. So krankt leider der gesamte Handlungsstrang in den Karpaten daran, von allem einfach zu viel vorzuweisen – zur völligen Aufgabe jeglicher Plausibilität. Da präsentiert Minte-König ausgestorbene Dörfer, Mädchenleichen, die auf Misthaufen entsorgt werden, ein mittelalterliches Bankett, Blutsklavinnen, eine brennende Burg, eine Flucht über unwegsame Bergpässe und natürlich heulende Wolfsrudel. Damit allein hätte sich ein ganzer Roman füllen lassen – Minte-König stopft all diese Handlungselemente jedoch in 100 Seiten, die den Leser reichlich atemlos und verwirrt zurücklassen.

Etwas beschaulicher geht es im letzten Teil des Romans zu, wo sich Minte-König wieder darauf beschränkt, ihre Figuren als exemplarische Vertreter ihrer Zeit in ein sprudelndes Berlin zu stellen. Da geht es um politische und gesellschaftliche Umbrüche, den Aufstieg des Nationalsozialismus, Amandas Arbeit in der Gewerkschaft und es gibt – wie auch schon in „Estelle“ – viele gut gelungene Szenen über das Berliner Leben, komplett mit Kleinkunst, Kabarett und Berliner Schnauze. Darüber gerät Minte-König manchmal ins referieren und vergisst ihre eigentliche Handlung, doch das ist nach dem völlig unüberschaubaren Karpatenplot geradezu erholsam.

_“Amanda – Deine Seele so wild“_ ist eine etwas unausgegorene Fortsetzung, die vielversprechend beginnt und nach einer chaotischen Mitte eher bedächtig ausklingt. Doch wie im Liebesroman üblich, ist auch hier alles besonders groß: Die Liebe, das Drama und der Herzschmerz. Darüber hinaus punktet die Autorin auch hier wieder mit einem detailliert recherchierten Setting, das der eigentlichen Vampirstory fast die Schau stielt. Wer sich also bei der Lektüre in ganz große Gefühle fallen lassen will, der ist bei Bianka Minte-König richtig. Realisten sind hier eher fehl am Platze.

|Taschenbuch: 424 Seiten
ISBN-13: 978-3800095346|
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