Neuschaefer, Katharina – Vom Ende der Zeit – Ragnarök (Nordische Sagen 4) (Lesung)

_|Nordische Sagen|:_

Folge 1: [„Odin, der Göttervater“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7836
Folge 2: [„Die Erschaffung der Welten“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7748
Folge 3: [„Thor, der Donnergott“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8000
Folge 4: _“Vom Ende der Zeit – Ragnarök“_

_Der Wolf rennt, der Drache fliegt: Endkampf um Asgard_

Nachtschatten, kein Mond, nur Finsternis liegt über den drei Welten. Das Unheil, das die Seherin lange vorhergesehen hat, ist nun eingetreten: Ragnarök, die Götterdämmerung hat begonnen. Die Kinder Lokis, des listigen Riesen, reißen sich los, der Wolf rennt, die Midgard-Schlange kommt an Land und Hel, die Totengöttin, sammelt auf ihrem wundersamen Schiff Naglfar alle dunklen Gestalten von Niflheim. Ihr Ziel ist Asgard. Möge es brennen!

Der Verlag empfiehlt die Lesung ab 7 Jahren.

_Die Autorin_

Katharina Neuschaefer studierte Musikwissenschaft und Germanistik und arbeitet als Radiojournalistin und Moderatorin bei Bayern 4 Klassik. Sie ist Autorin und Regisseurin zahlreicher Hörspiele und Musikgeschichten für Kinder. Für ihre journalistische Arbeit wurde sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Sie erzählt die altisländischen Edda-Sagen neu und bietet sie sortiert dar.

_Der Sprecher_

Peter Kaempfe studierte von 1974 bis 1978 Schauspiel in Hannover. 1980 gründete er die Theater-und Musikcompagnie „Pompoffel“ in Bremen und spielte von 1984 bis 1990 bei der Bremer Shakespeare Company. 1990 gründete er gemeinsam mit zwei Kolleginnen DAS TAB. Er lebt in Bremen und arbeitet als Schauspieler, Sprecher, Autor und Regisseur. Für Igel-Genius nahm Peter Kaempfe die Reihe „Griechische Sagen“ auf, dazu die Jury der hr-2 Hörbuchbestenliste: „Die Interpretation von Peter Kaempfe muss überragend genannt werden“. Seine Aufnahme der „Ilias“ wurde 2006 für den Deutschen Hörbuchpreis nominiert.

Produzent war Leonhard Huber.

_Handlung_

Es gab eine Zeit, da lebten die Götter, die Menschen und Elben, die Zwerge und Riesen sowie die Unterirdischen noch in verbundenen Welten. In dieser Zeit saß in jeder Vollmondnacht eine Wölwa oder Seherin auf einem Hügel nahe dem Götterreich Asgard. Ihr inneres Auge blickte in die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft und nichts blieb der zauberkundigen Frau verborgen. Selbst die Götter baten sie um Rat, um an ihrem ewigen Wissen teilzuhaben. Wer in jenen besonderen Nächten zu der Seherin auf den Hügel stieg und sich zu ihr ans Feuer setzte, erhielt Auskunft …

„Man muss die Götter warnen, was auf sie zukommt!“, drängt der Besucher, doch die Wölwa winkt ab: Was nun folgt, ist alles längst vorbestimmt. Es geht los, als die magische Fessel, die den Fenriswolf, Lokis monströses Kind, sich losreißt und aus der finsteren Atla-Schlucht gen Asgard rennt.

Nach dem tragischen Tod Balders, der durch Lokis List durch seinen eigenen Bruder Hödd getötet wurde, herrscht in den Herzen der Asen der Fimbulwinter. Auch Odin hat keinen, dem er die Schuld geben kann, denn Loki ist wohlweislich spurlos verschwunden. Um Loki zu finden, befragt Odin das Haupt Mimirs. Doch in Lokis Hütte findet er nichts als ein verbranntes Fischernetz. Ein Hinweis, dass Loki ein Fisch geworden ist. Also werfen sie ein raffiniertes Netz aus, in dem sich ein riesiger Lachs verfängt: Loki! Doch ihn in der Atla-Schlucht zu fesseln, nütze ihnen nichts, höhnt der Riese: Seine Kinder werden alle Asen vernichten und Walhall zerstören. Seltsamerweise bleibt Lokis Frau Sigin weiterhin bei ihm.

|Ragnarök|

Odin bereitet Asgard auf die kommende Schlacht gegen die Riesen und Ungeheuer vor. Die Vorzeichen sind schlecht. Die Weltenesche wirft ihre Blätter ab, denn der Drache Nidhöggr hat ihre Hauptwurzel durchgebissen – der Baum stirbt. Die Nornen, die am Fuße der Esche, wo die Quelle Urd entspringt, existieren, geben Odin keine Antwort. Thor malt sich die Runen der Rache auf die Wange. Er ist kampfbereit.

Doch die Gegenseite ist es auch. Die Totengöttin Hel, Lokis Tochter, versammelt das Heer der Unterwelt und der Riesen im Niflheim-Wald. Sobald der Hahn dreimal gekräht hat, können sie sich nach Asgard einschiffen und dort losschlagen. Der Wolf Sköll verschlingt die Sonne, der Wolf Hati den Mond. Nacht fällt, und Sterne regnen vom Himmel. Gebirge wanken, Beben versetzen die Menschen in Panik. Der Hahn Fjallar kräht zum ersten Mal …

Odin wundert sich, wo nur sein Heer bleibt. Doch die Zwerge erstarrten im Sonnenlicht. Der Herr der Lichtalben Wölundr weigert sich zu kämpfen: Wir sind Bewahrer, nicht Zerstörer.“ Wenigstens Freya zieht in die Schlacht, und dann sind da ja noch seine 13 Walküren, die Schlachtenmädchen Odins. Er stimmt sie auf die Schlacht ein: „Für Asgard!“

Da erscheinen die Riesen unter Lokis Führung. Sie haben mit ihrem Schiff Naglfar den Regenbogen Bifröst befahren, doch da stößt der Wächter Heimdall in sein Horn, und Walhalls 514 Tore schwingen auf, um je 800 Krieger zu entlassen. Odin reitet an ihrer Spitze den Feuer- und Eis-Riesen entgegen. Schon bald brennt Asgard. Und dann kommen die Ungeheuer …

_Mein Eindruck_

Wie oben ersichtlich, ist dies der vierte und letzte Teil der Serie über Nordische Sagen. Der Text ist leicht verständlich, wenn auch die Ereignisse, von denen die Wölwa berichtet, mitunter etwas wunderlich sind, ganz sicher aber heroisch und finster. Die finale Schlacht um das Götterreich Asgard erinnert in ihren Duellen und bizarren Teilnehmern zuweilen an Tolkiens Schlacht auf den Pelennor-Feldern im 3. Band des „Herrn der Ringe“. Und selbstverständlich kannte der Altenglisch- und Altnordisch-Experte Tolkien die isländische Edda, in denen Ragnarök geschildert wird. Die nordischen Vorlagen für Tolkiens Erfindungen wurden mehrfach nachgewiesen, u.a. von Tom Shippey.

Die Schlacht ist einerseits das von der Seherin vielfach vorhersagte Ereignis, so dass der Hörer froh ist, wenn es nun endlich zum Höhepunkte der Saga kommt. Andererseits ist der Anlass ja ein recht trauriger: der Untergang der Götter. Doch für eine gewisse Spannung sollte beim Hörer die Frage sorgen: „Wenn die Götter doch alle mit besonderen Superfähigkeiten ausgestattet sind, wie kann es dann sein, dass sie gegen ein paar poplige Riesen und Ungeheuer unterliegen sollen?“

Nun, die Schilderung der Schlacht zeigt, dass es keineswegs so einfach ist: Die Götter sind wenige, die Riesen sehr viele. Letztere dezimieren die krieger, die Walhall aufzubieten hat, ganz erheblich. Doch statt dieser quantitativen Erwägungen sind vielmehr die qualitativ wertvolleren Zweikämpfe von größerem Interesse. Die skandinavischen Altvorderen haben sich ja bei den Ungeheuern ja etwas gedacht, als sie sie erfanden. Alle Ungeheuer sind Symbole für große, als böse bezeichnete Mächte.

Die Midgardschlange steht für die stürmische, verschlingende See. Der Riesentöter Thor ist ihr designierter Erzfeind. Das Duell der beiden ist grandios (siehe Titelbild). Weitere Symbolkraft haben der Fenriswolf und der Feuerriese Surtur. Der Feuerriese vernichtet erst die Weltenesche, stößt dann aber in der Kriegsgöttin Freya auf einen Gegner, der ihm Paroli zu bieten weiß. Der Fenriswolf will Frigg, Odins Gemahlin angreifen. Doch was macht sie? Sie stößt sich den Dolch in die Götterbrust und verflucht ihn! Ja, so waren die stolzen Wikingerfrauen – oder hätten es zumindest sein sollen, ginge es nach den Dichtern.

Und das Ende des Obergottes? Kann der Erschaffer der Welten seiner Nemesis, dem Fenriswolf, widerstehen? Das soll hier nicht verraten werden, aber es ist ein Ende, das eine Menge Fragen aufwirft. Der Schluss ist tröstlich: Die Götter der Altvorderen sind tot, es leben die neuen Götter! Die Erde erneuert sich. Doch etwas hat überlebt, und so geht alles von vorne los.

|Der Sprecher|

Peter Kaempfe ist ein Routinier, wie man an seiner ruhigen Vortragsweise erkennt. Ert tritt hinter der Erzählerin Wölwa und dem Erzählten zurück, haucht aber unversehens den Figuren wieder Leben ein, wenn Emotionen gefragt sind. Zu diesen Figuren gehört in erster Linie der Göttervater selbst. Man merkt Odin an, dass er seinen Zorn mühsam unterdrückt, wenn er mit Loki und dem Anführer der Lichtalben spricht. Es läuft nicht alles rund, könnte man sagen.

Da dies eine Schlacht mit wahnsinnig vielen Akteuren ist, ist es sehr ratsam, schon die vorherigen Teile der Saga gehört zu haben. Dann kann man auf die bisherigen Kenntnisse über die Figuren zurückgreifen und braucht keine Hilfestellung von Seiten der Dialogführung („Thor donnerte“ usw.). Wer ein gutes Gedächtnis besitzt, erkennt auch die wichtigsten Stimmen wieder: Thor, Odin, Loki usw.

Der Sprecher schafft es mit Leichtigkeit, die Kontraste zwischen den heldenhaften Asen und den niederträchtigen Ungeheuern herauszustreichen. Die Stimme des Fenriswolfs kann einem Hörer, zumal einem jungen, durchaus kalte Schauder über den Rücken jagen.

|Die Musik|

Die Instrumente sind ganz einfache, aber sehr alte: eine afrikanische Krugtrommel; ein Balafon, „die afrikanische Urform des Marimbaphons“ (eine Art Xylophon also); eine tibetische Handtrommel, chinesische Glocken, Zimbeln, Klangschalen und Becken, außerdem ein „traditionelles finnisches Saiteninstrument“, eine „tibetische Trompete“, ein Saxophon, Bass und „verschiedene traditionelle Flöten“.

Man sieht also, dass hier auf sehr ursprüngliche Klänge geachtet wurde. Die entsprechenden Melodien sind ebenso urtümlich, lassen sich aber noch in manchen (abgelegenen) Weltgegenden erlauschen. Es ist, als würde der Hörer in die ferne Vergangenheit lauschen. Das finde ich höchst passend, wenn es um Geschichten über die Entstehung der Welten geht.

Die Musik mischt sich niemals in den Vortrag ein. Nach einem stimmungsvollen Intro hören wir sie stets nur als Intermezzo zwischen Textabschnitten. So haben wir Zeit, das Gehörte zu verdauen. Das Outro geleitet uns wieder uns wieder aus der Lesung hinaus, als würden wir eine andere Zeit verlassen.

|Das Booklet|

Das Booklet ist ein wichtiges Hilfsmittel für den Hörer, um sich in der Vielzahl der im Vortrag geschilderten Welten zurechtzufinden. Zweitens bietet diese Darstellung auch einen Stammbaum für die wichtigsten Asen und ihre Kinder. Das Booklet liefert also erhellende Zusammenhänge, die sich angesichts der verzweigten Handlung und der Vielzahl der Namen als höchst willkommen erweisen.

_Unterm Strich_

Der actionreiche Abschluss der vierteiligen Serie mutet mit seiner Götterdämmerungs-Stimmung ein wenig wie der letzte Band des „Herrn der Ringe“ an: Die Entscheidung muss fallen, wenn Asen und Riesen ihren uralten Zwist, der mit Odins Mord an einem Riesen begann (s. Teil 1), zu Ende bringen – koste es, was es wolle.

Über Action kann man sich nicht beklagen, denn nicht nur gibt es zahlreiche Duelle, die schon lange angekündigt sind (Thor vs. Jörmungand, Odin vs. Fenriswolf, Surtur gegen Freya, Loki gegen den Rest), sondern auch heldenhafte Szenen, die man nur in nordischer Sagas finden kann. So etwa jene Konfrontation zwischen Fenrir, dem schrecklich groß gewordenen Wolf und Frigg, Odins Gattin. Sie gibt sich lieber die Kugel, pardon: den Dolch, als ihm zum Opfer zu fallen.

Ja, und was ist nun mit unserer Gewährsfrau, der Seherin Wölwa (eine Bezeichnung, die wahrscheinlich doppelt gemoppelt ist)? Auch sie hat ihre Rolle in der finalen Schlacht zwischen Göttern und Riesen zu spielen. Auf welcher Seite sie steht, soll hier nicht verraten werden, doch man kann es sich eigentlich denken. Sie stirbt den ehrenvollen Tod einer Heldin. Wer hätte das vorher gedacht?

Doch keine Angst: Dass die Asen verlieren, bedeutet nicht das Ende der Welt! Sie erneuert sich wieder, als hätte eine Schlange ihre Haut abgestreift, und ein neuer Frühling bricht für Midgard und die überlebenden Asen an. Alsdann – auf ein Neues!

|Das Hörbuch|

Peter Kaempfe trägt die Erzählung der Seherin routiniert und zurückhaltend vor. Er haucht den Figuren Leben ein, wenn es darauf ankommt, ohne sie jedoch allzu sehr individuell zu charakterisieren. Dennoch konnte ich Odin stets von Thor auseinanderhalten, und die schrecklich fauchenden Stimmen von Jörmungand und Fenrir sind unvergesslich.

Die bemerkenswert instrumentierte Musik hebt den musikalischen Beitrag über das gewohnte Maß hinaus. Zwischen Dramatik, Trauer und Romantik wechselt der Ausdruck fortwährend, aber stets passend zur jeweiligen Szene. Die exotischen Instrumente – und evtl. sogar ein paar Soundeffekte – sorgen für ein ungewöhnliches Hörerlebnis. Dies ist beileibe kein Hollywood-Soundtrack!

Das Booklet liefert willkommene Zusatzinformationen für den erwachsenen Hörer und Leser, so etwa einen Stammbaum. Ich hätte mir aber auch ein Glossar vorstellen können, in denen die sprechenden Namen der Figuren erklärt sind. „Gyllfaxi“ heißt beispielsweise „Goldfell“ (abgeleitet davon ist Gandalfs Pferd „Shadowfax“). „Angrboda“, man ahnt es fast, bedeutet „Unheilsbotin“. Doch was ist mit Garm, Sköll (?) und Hati, den Hunden und Wölfen, die im Ragnarök eine Rolle spielen? Weil das Glossar fehlt, muss man zur Wikipedia greifen. Dort sind alle Namen genau erklärt.

|2 Audio-CDs
Spielzeit: 115 Minuten
ISBN-13: 9783893533398|
http://www.igel-records.de

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