Sassenberg, Volker – Abseits der Wege. Kapitel 3: Wehrlos

[Kapitel 1: Unweit 3269
[Kapitel 2: Stromabwärts 4207

Die Charaktere sind eingeführt, die Schauplätze grob umrissen und die Konfliktpunkte gelegt: nach „Unweit“ und „Stromabwärts“ nimmt „Wehrlos“, der dritte Teil der Fantasy-Serie „Abseits der Wege“, die Hörer wieder mit in eine Welt, in welcher der Junge Gaston Glück seinen Weg finden und sich dem Welkenwerk stellen muss. Cover und Titel deuten schon an, dass die Handlung im Vergleich zu seinen Vorgängern noch einmal deutlich düsterer geworden ist und der friedvolle Beginn einer großen Bedrohung weicht.

Doch es wird nicht nur düsterer. Einige dunkle Geheimnisse von bereits eingeführten Personen werden enthüllt, welche die Geschehnisse aus den ersten Folgen aus einem neuen Blickwinkel erscheinen lassen. Das erklärt und verbessert die Lage der Protagonisten aber nicht, denn in „Wehrlos“ nehmen Ereignisse ihren Lauf, die einen vorläufigen Höhepunkt in der Serie darstellen.

„Abseits der Wege“ von Produzent Volker Sassenberg (bekannt durch „Gabriel Burns“ und „Point Whitmark“) ist ein Fantasy-Hörspiel, das auf insgesamt zwölf Folgen ausgelegt ist. Elfen, Orks und Zwerge, also die typischen 08/15-Fantasy Völker, sucht man hier vergebens – glücklicherweise. Stattdessen beschränkt sich Sassenberg zusammen mit seinen Drehbuchautoren Andreas Gloge und Marc Sifrin auf die Kraft der Erzählung, poetisch und bedächtig von Erzähler Heinz Ostermann und den Figurensprechern vorgetragen, und baut nur hier und da fantastische Wesen wie die Faiyen oder Knorpengnome ein.

_Inhalt_

Im Zentrum der Handlung steht der junge Gaston Glück (Timo Niesner), der Sohn des Wirtes Tebald (Jürgen Kluckert). Wie sich in den ersten Folgen herausgestellt hat, ist Tebald jedoch mehr als ein einfach Wirt, nämlich ein so genannter Nebelchronist – einer jener Männer, denen die Purpurnen Prüfer auf den Fersen sind. Bei diesen Männern handelt es sich um das skrupellose Gefolge des Verwesers. Die Prüfer jagen das Welkenwerk, das in ihren Augen Unheil verheißt und die Welt, so wie sie derzeit besteht, aus ihren Fugen reißt. Welkenwerk ist jedoch auch Zukunft und damit möglicherweise die Chance, die bestehenden Verhältnisse auf der Welt im Positiven zu verändern.

Gaston weiß von all diesen Dingen noch nicht viel. Doch als er erfährt, dass sein Vater zu den Nebelchronisten gehört, die ganz oben auf der Liste der Purpurnen Prüfer stehen, will er die ganze Wahrheit erfahren.

Diese Wahrheit erfährt Gaston. Doch sein Vater kann und will ihn nicht in alle Einzelheiten einweihen, um seinen Sohn nicht noch stärker zu gefährden, als er es ohnehin schon getan hat. So findet er für sich einen Kompromiss. Da er andere Nebelchronisten herbeirufen möchte, um neue Schritte zu planen, beauftragt er Gaston, eine Botschaft nach Hügeldorn zu überbringen: an einen Schmied, der dort leben soll. Damit verprellt er seinen Sohn nicht, hält ihn jedoch zugleich auf Abstand. Gaston willigt ein und überredet seine Freunde Dunring (Stefan Krause) und Halmir (Hannes Maurer), ihn zu begleiten. So weit von ihrem Heimatdorf haben sie sich jedoch noch nie entfernt.

Viele Tage reisen sie durch verlassene Landstriche; Nebel und Regen bedrücken ihre Seelen. Als sie schließlich ein Dorf erreichen, das der Beschreibung nach das gesuchte Hügeldorn sein könnte, stoßen die drei Gefährten auf eine Mauer des Schweigens. Von einem Schmied will niemand etwas wissen. Und es kommt noch schlimmer, denn eine Prozession Purpurner Prüfer taucht kurz nach ihrer Ankunft im Dorg auf, auf der Suche nach Hinweisen, die sie zu Nebelchronisten und deren Verbündeten führen. Immerhin etwas können Gaston, Dunring und Halmir dem Treffen der Prüfer abgewinnen: Sie scheinen an diesem Ort nicht ganz falsch zu sein.

Und tatsächlich, gut verborgen in(!) einem der zahlreichen Hügel, die der Gegend ihren Namen geben, finden die Drei den Schmied, oder besser eine Schmiedin namens Angrah (Sabine Mazay). Sie nimmt die Botschaft entgegen und ist bereit, der Gruppe schließlich einen Maelion zu übergeben: einen fliegenden Boten, der nur von den Nebelchronisten benutzt wird. Doch eben dieser wird ihnen zum Verhängnis. Als Gaston mit seinen Freunde den Rückweg anschlagen will, umzingeln die Prüfer die kleine Gruppe und nehmen sie kurzerhand fest. Dass der Maelion bei ihnen ist, kann aus Sicht der Prüfer nur eines bedeuten: es mit Verbündeten der Nebelchronisten zu tun zu haben.

Jedes Zeitgefühls beraubt, finden sich die Gefährten schließlich in einem dunklen Kerker wieder. Alle Hoffnung scheint verloren. Doch dann taucht unerwartet eine alte Bekannte wieder auf. Sie befreit Gaston, Dunring und Halmir aus dem Kerker, und nicht nur das: Sie offenbart den Freunden auch ein Geheimnis, das eine ganz neue Wendung verspricht.

_Bewertung_

Sofort fällt auf, dass „Wehrlos“ nach dem vertrackten, mystischen Auftakt und dem spannungsbetonten zweiten Teil die Geschwindigkeit der Erzählung um das Welkenwerk wieder etwas drosselt. Das kommt unerwartet, erzielt jedoch den wunderbaren Effekt, dass das Finale dieser dritten Hörspielfolge ungemein an Kraft gewinnt und die Vorfreude auf die kommenden Episoden schürt. Stellt man die ersten drei Folgen gegenüber, so hat jede für sich ihren Reiz, gerade weil die Geschichte immer wieder anders erzählt wird.

„Unweit“ führte eine Vielzahl von Charakteren ein, gab sich geheimnisvoll und vertrackt. „Stromabwärts“ führte die Geschichte fort, verlagerte die Handlung aber auf ein Nebenereignis, das sich erst später als bedeutsam herausstellte. Die Folge ist deutlich actiongeladener. „Wehrlos“ hingegen klärt viele Geheimnisse auf, lässt sich viel Zeit mit der Reise von Gaston und seinen Freunden und fährt dann am Ende einen Cliffhanger auf, der spektakulär in Szene gesetzt wird. Gerade diese Variation macht „Abseits der Wege“ zu einer großen Geschichte, die noch neun weitere Episoden umfassen wird. Die Richtung ist vorgegeben, doch nach den Wendungen der ersten Folgen, vor allem in „Wehrlos“, lässt sich nicht mit Sicherheit prognostizieren, wie sich das alles auch nur in Ansätzen entwickeln wird.

Die Handlung der Folge „Wehrlos“, betrachtet man diese nur für sich, kommt relativ linear daher. Die Perspektive wird nicht, wie in den vorigen Teilen, auf mehrere Personen und Handlungsstränge verteilt, die sich zum Schluss hin treffen. Vielmehr verfolgt der Hörer die ganze Zeit Gaston, Dumring und Halmir und nimmt aus deren Sicht (und ebenso überraschend) die Geschehnisse wahr, die sich mehr und mehr zuspitzen. Bis auf wenige Ausnahmen werden auch keine neuen Figuren mehr eingeführt. Die Autoren spielen vielmehr damit, bereits bekannten Charaktere neue Nuancen hinzuzufügen, die deren frühere Handlungen in einem neuen Licht erstrahlen lassen bzw. diese zum Teil erklären. Man könnte „Wehrlos“ also durchaus als eine eher unbedeutende, einfach gestrickte Folge beschreiben, würde dann aber die vielen Bezüge außer Acht lassen, die „Wehrlos“ mit den vorigen zwei Folgen und vermutlich einigen kommenden verbindet. Gerade durch diese Verknüpfung fügt sich Teil drei der Fantasy-Serie nahtlos in den Gesamtkontext ein und erhält seine Berechtigung innerhalb des Zyklus.

Ebenso wie der Aufbau der Erzählung kann auch die technische Umsetzung einmal mehr überzeugen. Die Effekte werden gezielt und passend eingesetzt, nicht als Mittel zum Zweck, sondern als stimmungsvolle Fokussierung. Auch die musikalische Untermalung passt sich hervorragend den Stimmungen der einzelnen Szenen an, bleibt mal im Hintergrund und tritt mal deutlich nach vorne. Die Sprecher leisten solide Arbeit, herausragt aber eindeutig der Erzähler Heinz Ostermann, der „Abseits der Wege“ feinfühlig und mit der nötigen Tiefe die gewünschte Epik verleiht. Großartig – in allen Belangen.

http://www.abseitsderwege.info
http://www.abseits-der-wege.net
http://www.dg-literatur.de
http://www.karussell.de

[„Kapitel 4: Verborgen“ 4956

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