Schweikert, Ulrike – Lycana. Die Erben der Nacht 2

Band 1: [„Nosferas. Die Erben der Nacht“ 5084

Neben den Vampiren gibt es noch andere Wiedergänger, die sich vom Blut oder Fleisch der Lebenden ernähren. In fast jeder Mythologie der Welt gibt es jene Legenden, in denen Vampire und Werwesen ihr Unwesen treiben und Letztere besondere bei Vollmond eine Gefahr für Mensch und Tier darstellen.

Warum ist der Wolf dem Menschen so nahe und wieso begegnet man ihm mit solch großem Respekt und einer gewissen Faszination? Erinnern wir uns nur an Romulus und Remus, die beiden mythischen Begründer Roms, die von einer Wölfin aufgezogen wurden, doch es gibt noch unzählige andere Legenden, die Wolf und Mensch zum Kernpunkt der Handlung machen.

Auch Vampire können sich, glaubt man alten Legenden und Mythen, in einen Nebel oder ein Tier ihrer Wahl verwandeln, auch in einem Wolf. Beide Arten, Vampire und Werwölfe, sind sich in den Legenden nicht unbedingt sympathisch, und meistens agieren die Vampire, die ja in menschlicher Gestalt auftreten, sehr abfällig und arrogant, während die Werwölfe auch „Bestien“ genannt werden, vielleicht, weil ihr ganzes Wesen zweifelsfrei mehr einem Raubtier ähnelt als einem Menschen. Doch sind sie über einige ‚Ecken‘ doch verwandt, viele Eigenschaften und Charakterzüge weisen beide Wesen auf. In vielen Filmen und Büchern gib es eine umkämpfte Erbfeindschaft zwischen Vampiren und Werwölfen und blutige Opfer auf beiden Seiten.

Die Vampire stellen sich gerne als Aristokraten dar und sehen die Werwölfe als hemmungslos wilde Bestien, die sinn- und wahllos töten. Nach „Nosferas. Die Erben der Nacht“ von Ulrike Schweikert ist bei |cbt Fantasy| nun der zweite Teil „Lycana. Die Erben der Nacht“ erschienen. Schauplatz dieser Handlung ist diesmal Irland, die grüne Insel voller Legenden, Mythen und dunkler Geheimnisse, aber auch voller Geschichte und Dramatik. Irland besitzt neben seiner rauen und gefahrvollen Küste auch andere faszinierende Orte wie Festungen und Burgen, die seit Jahrhunderten die tragischen und dramatischen Geschichten von Menschen zu erzählen wissen, deren Leben ein immerwährender Freiheitskampf war.

_Inhalt_

Nach dem Jahr in Rom sind die „Erben der Nacht“ an Reife gewachsen. Aber auch ihre Fähigkeiten haben sich weiterentwickelt. Viel wichtiger ist aber, und das war natürlich von den altehrwürdigen Vampiren geplant und erwartet, dass die jungen Erben Freundschaften zwischen den einstmals verfeindeten Clans geschlossen haben. Zarte Bande, die aber hoffentlich von Jahr zu Jahr stärker werden, um den Fortbestand der Vampire auch für die nächsten Jahrhunderte sichern zu können.

Alisa, eine junge Vampiren aus dem Clan der Vamila, die eher modern und immer neugierig ist; Luciano, ein Nosferas aus Rom, klein und gedungen, aber mit einem wachen Verstand; Franz Leopold de Draca aus Wien, ein schöner, attraktiver Vampir, der alle anderen als unter seiner Würde betrachtet, sich aber trotzdem, wenn es hart auf hart geht, loyal verhält; und zu guter Letzt Ivy, eine junge und schöne Vampirin aus Irland vom Clan der Lycaner, die immer einen weißen, geheimnisvollen Wolf zu ihrem Schutz als Begleiter führt. Dieses Quartett, inzwischen befreundet, aber doch vorsichtig und ein wenig empfindlich gegenüber den fremden Clans, reist über das Meer nach Irland.

In diesem Studienjahr soll den Erben beigebracht werden, wie man über die Tierwelt gebietet und sich beispielsweise in einen Wolf, eine Fledermaus oder gar in einen Adler verwandeln kann. Die Lycana beherrschen dies schon perfekt und ihre jungen Schüler tun sich schwer, da es hohe Konzentration erfordert, tierische Formen anzunehmen. Talentiert ist in jedem Fall Franz Leopold, der schon in Rom bewiesen hat, welche herauszuragenden mentalen Fähigkeiten er besitzt.

Doch auch in Irland, der grünen und wilden Insel, herrscht Unruhe. Die alte Fehde zwischen Werwölfen und Vampiren kann jederzeit wieder ausbrechen, der brüchige Frieden, der schon jahrelang mehr oder weniger aufrechterhalten wird, ist instabil. Eine neue Fehde könnte für jede Art die totale Vernichtung bedeuten, das wissen auch der Werwolf Peregrine und die Vampirin Àine, die ineinander verliebt sind und sich heimlich treffen.

Die Druidin Tara versucht das schwächelnde Bündnis zu stärken, doch innerhalb des Werwolfsclans regt sich Widerstand in den eigenen Reihen. Als wenig später ein Werwolf und eine Vampirin ermordet aufgefunden werden, geraten die „Erben der Nacht“ in eine mörderische Eskalation der Ereignisse …

_Kritik_

Wie schon in „Nosferas“ erschafft Ulrike Schweikert eine spannende und mystische Welt, die von Vampiren, Menschen und diesmal Werwölfen belebt wird. Schauplatz ist diesmal Irland, und diese Insel bildet für düsterromantische Vampire und die wilden Werwölfe eine fabelhafte Bühne, auf der sich beide Arten austoben können.

Die Ausbildung der Vampire wurde diesmal etwas wenig beleuchtet, stattdessen lernen sie das Verwandeln gezwungenermaßen zügig in praktischer Anwendung; etwas anderes bleibt ihnen auch nicht übrig, denn die Handlung spielt öfters in der Natur, in dunklen Höhlen und finsteren Ruinen und lässt den Erben nicht viel Deckung.

Ein großes Lob gilt dabei nicht nur der spannenden Erzählung, sondern auch der gut recherchierten Geschichte Irlands, den Sagen, Mythen und Legenden, welche die Autorin immer wieder mit der Handlung verwebt. Auch die magischen Orte, die alten Ruinen, in denen frühere Adelsgeschlechter regierten, sind vortrefflich eingesetzt, so dass man als Leser die Schauplätze fast schon vor Augen hat. Irland vereint die Schönheit und Aristokratie der Vampire ebenso wie die Wildheit der Werwölfe – eine Symbolik, die hier spiegelbildlich wirkt. Irland aber ist nicht nur eine raue Kulisse; es gibt auch romantische Begegnungen zwischen den jugendlichen Vampiren, ebenso Enttäuschungen und Verletzlichkeiten, die die Vampire nur menschlicher erscheinen lassen.

Ulrike Schweikert beschreibt im zweiten Teil der Vampirsaga geschickt die Entwicklung ihrer „Erben“. Mit dem Alter kommt die Weisheit, sagt der Volksmund, und mit Sicherheit steckt darin auch ein Fünkchen Wahrheit, aber noch lernen die jungen Vampire und zahlen ihr Lehrgeld auch in „Lycana“ mit persönlichem Schrecken, der aber für die weitere Handlung maßgeblich wichtig ist. Es gibt Überraschungen und Wendungen, die man so nicht erwartet hat; einige wirkten im Nachhinein betrachtet logisch in die Handlung eingebunden, und wenn man die eine oder andere Szene in „Nosferas“ nachliest, so bildet sich ein anschauliches Gesamtbild, das immer um weitere Puzzleteile vervollständigt wird. Man darf gespannt darauf sein, wie die Geschichte sich weiterentwickelt und was vielleicht noch kommen mag. Gewisse Theorien dazu entwickelt man bei der Lektüre automatisch, was zeigt, wie intensiv der Leser in die Erzählung eingebunden wird.

Auch wenn „Lycana“ im Genre der Fantasy zu finden ist, so gibt es historische Ereignisse und Personen, die mit ihrer ganzen Charakterisierung kleine, aber interessante Nebenschauplätze präsentieren. Oscar Wilde, Anne Devlin und auch Bram Stoker, der „Urvater“ aller Vampire, kommen in dieser Geschichte zu Wort.

„Lycana“ ist actionreicher als sein Vorgänger, und auch die Erben müssen kämpfen, nicht mit spitzen Zähnen, sondern mit Schwert und Degen, natürlich auch mit schlagfertigen Kommentaren. Der Humor kommt dabei nicht zu kurz; besonders dann, wenn sich Alisa und Franz Leopold so richtig ‚gerne haben‘, hagelt es ironische Bemerkungen. Überrascht hat mich in der Charakterentwicklung vor allem Luciano vom Clan der Nosferas, der zuvor eher am Rande auftrat und nun an Selbstbewusstsein und Stärke gewinnt.

Einziger Kritikpunkt in der Charakterdarstellung ist der geheimnisvolle Marionettenspieler im Hintergrund, der immer nur kurz erwähnt wird und kaum aus seiner dunklen Ecke hervortritt; er intrigiert, plant und stört, aber was seine eigentliche Motivation für das Ränkespiel ist, bleibt im Nebel verborgen. Vielleicht wäre es gut gewesen, diesen Strippenzieher allmählich stärker einzubinden, aber vielleicht erfüllt sich meine Hoffnung im dritten Teil, der wohl offensichtlich in der französischen Hauptstadt Paris spielen wird.

_Fazit_

„Lycana“ von Ulrike Schweikert hat mich nicht nur als Jugendroman aus der Sparte Fantasy mehr begeistert als der Erstling „Nosferas“, sondern wirkt auch deutlich routinierter und strukturierter. Die Autorin wirft dabei viele Genres in einen literarischen Eintopf; das Rezept besteht aus Spannung, Historie, Dramatik, Fantasy, etwas Romantik und einer Prise Ironie. Für alle Liebhaber fantastischer Vampirromane ist „Lycana“ ein Leckerbissen, den man nicht nur Jugendlichen empfehlen kann – auch die junggebliebenen Eltern werden von Alisa, Franz Leopold, Luciano und Ivy begeistert sein.

_Die Autorin_

Ulrike Schweikert, Jahrgang 1966, beherrscht sowohl das historische als auch fantastische Genre meisterhaft. Ihre historischen Erwachsenen-Romane sind Bestseller und ihr „Drachenkrone“-Zyklus Fantasy-Pflichtlektüre. Nach ihren beiden großen Jugendbuch-Erfolgen „Das Jahr der Verschwörer“ und „Die Maske der Verräter“ hat die vielseitige Autorin nun ihren ersten fantastischen Roman für Jugendliche verfasst: „Die Erben der Nacht“.

|542 Seiten, kartoniert
empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-570-30479-2|
http://www.cbj-verlag.de

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