Isabel Allende – Im Reich des goldenen Drachen (Lesung)

Spannendes Mystik-Abenteuer im Himalaya

Dieses Buch ist das zweite Abenteuer von Alex und Nadia. Isabel Allende mischt wie schon in „Die Stadt der wilden Götter“ Realität und magisch-mystische bzw. mythische Elemente. Dazu die Autorin: „Das Leben ist voller Geheimnisse. Und das Ziel von Literatur ist es, Geheimnisse zu ergründen. Wenn du Träumen, Visionen und Vorahnungen in deinem alltäglichen Leben und deiner schriftstellerischen Arbeit Raum lässt, scheint sich die Realität zu erweitern.“

Das Jugendbuch ist ab 12 Jahren geeignet, das Hörbuch ist 598 Minuten lang, also fast 10 Stunden. Hörproben und Infos gibt es unter www.hoerverlag.de.

Die Autorin

Isabel Allende wurde 1942 in Peru geboren und wuchs in Chile auf. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien. Ihr erster Roman „Das Geisterhaus“ wurde von Bernd Eichingers Produktionsfirma verfilmt. „Die Stadt der wilden Götter“ war Allendes erster Roman für Jugendliche, der mit „Im Reich des goldenen Drachen“ und [„Im Bann der Masken“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?idbook=605 fortgesetzt und abgeschlossen wurde.

Zitat der Autorin: „Ich würde sagen, dass ich ein Mensch bin, der davon überzeugt ist, dass die Welt ein sehr mystischer Ort ist. Wir haben nicht halb so viele Antworten auf die Fragen gefunden, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie beantworten können. Alles ist möglich, es gibt nicht nur eine materielle Welt.“

2. Zitat: „Ich habe schon Abenteuergeschichten geschrieben, als meine Kinder noch klein waren, und ich habe sie ihnen dann erzählt, Abend für Abend. So blieb ich wunderbar in Übung.“

Alle Zitate sind den Booklets des Hörbuchs entnommen.

Der Sprecher

Marc Oliver Schulze, geboren 1973 in Salzburg, lebte einige Zeit in den USA, um dann wieder nach München zurückzukehren. Seine Schauspielausbildung erhielt er 1996 bis 1999 an der Otto-Falckenberg-Schule. Seither hat er Engagements bei den Münchner Kammerspielen und beim Bayerischen Staatsschauspiel gehabt. Er war in verschiedenen TV- und Film-Produktionen zu sehen. Für den Hörverlag hat er bereits das erste Allende-Abenteuer „Die Stadt der wilden Götter“ sowie „Das Geheimnis der weißen Mönche“ von Rainer M. Schröder gelesen.

Regie führte Caroline Neven Du Mont.

Handlung

Im PROLOG finden zwei einsame Bergwanderer, die im Himalaya nach Heilkräutern suchen, einen Weg ins verborgene Tal der letzten Yetis. Es sind zwei besondere Wanderer, und sie werden in der folgenden Geschichte eine wichtige Rolle spielen. Lama Tensing ist ein übersinnlich begabter, aber auch im Kampfsport ausgebildeter buddhistischer Mönch. Obwohl er sehr humorvoll und klug ist, hat er eine ärgerliche Eigenschaft: Er vermeidet um jeden Preis, „ja“ oder „nein“ sagen zu müssen. Die Zahl seiner „Vielleichts“ ist daher Legion.

Tensing ist der Meister des achtzehnjährigen Prinzen Dil Bahadur, dessen Name „Tapferes Herz“ bedeutet. Er ist der Thronfolger im verbotenen „Reich des goldenen Drachen“. Schon seit zwölf Jahren befindet er sich in Tensings harter Ausbildung und muss noch zwei weitere Jahre durchhalten, bis er vollkommen ist. Daher verfügt auch noch nicht über Tensings übersinnliche Fähigkeiten, wie Telepathie, Geistflug und Aura-Erkennung.

Die letzten Yetis sind sehr krank und folglich vom Aussterben bedroht. Tensing lernt schnell, sich mit der alten Yeti-Schamanin zu verständigen und verbietet allen strikt, das Wasser einer bestimmten warmen Quelle im vulkanischen Stein zu benutzen, denn es enthält Giftstoffe, die zu Durchfall und Schlimmerem führen. Als Dank für die Heilung zeigt ihnen die Schamanin einen Tunnel, der sie als Abkürzung durch die Berge zurück in die verfallene Klosterburg Shendanzhong führt, wo sie ihr Quartier haben. Zuweilen schaut ein weißer Tiger hier vorbei, mit dem sie sich aber schon angefreundet haben.

HAUPTGESCHICHTE

New York City. Oma Kate Cold hat inzwischen die drei Riesendiamanten, die Nadia und Alex aus der Stadt der wilden Götter mitgebracht hatten, zu Geld gemacht, das sie in eine Stiftung steckt, die sich der Bewahrung der letzten Indianervölker verschrieben hat. Alex hat mit dem „Wasser des Lebens“ seine krebskranke Mutter Lisa heilen können. Nun bittet er Oma Kate, auf ihrer neuen Expedition für das Magazin „International Geographic“ in den Himalaya mitreisen zu dürfen.

Als er bei Kate eintrifft, wartet eine Überraschung auf ihn: seine Totemschwester Nadia alias „Aguila“ ist ebenfalls da, begleitet von ihrem Äffchen Borrobà. Sie freut sich, ihren „Jaguar“ wiederzusehen und fliegt mit ihm und Oma Kate auf die andere Seite der Welt. Wie man aus der Vorgeschichte weiß, verfügt auch Nadia über spezielle Fähigkeiten, besonders was Tiere angeht.

Im Flieger lernen sie einen zwielichtigen Amerikaner kennen, der sich als „Tex Gürteltier“ vorstellt und sich sehr für ihren Bestimmungsort interessiert. Was sie nicht ahnen: Er fliegt im Auftrag eines international tätigen Kunstdiebes namens „der Spezialist“. Dieser wiederum hat von einem Milliardär, der sich nur „Der Sammler“ nennt, den lukrativen Auftrag erhalten, die Statue des Goldenen Drachen aus dem oben erwähnten verbotenen Reich zu entwenden.

Da es sich bei der Statue nicht nur um ein Heiligtum, sondern auch um ein Orakel handeln soll, verspricht sich „der Sammler“ Börsengewinne durch korrekte Prognosen. Für die Bedienung des Orakels braucht man aber auch den richtigen Code, um die Orakelsprüche interpretieren zu können. Ein altes Pergament hat „der Sammler“ bereits. Nun braucht er nur noch denjenigen, der es lesen, deuten und umsetzen kann: den König des verbotenen Reiches. Dil Bahadurs Vater …

Tex allein wäre ja nicht so schlimm. Doch wie Alex und Nadia bei ihrer misstrauischen Beschattung des Amis feststellen, erteilt er in den Katakomben einer alten britischen Festung einigen seltsamen Gestalten einen Auftrag. Es handelt sich um blau gewandete Krieger, die alle das Bild eines Skorpions in die Haut eingebrannt tragen: Die Angehörigen der Skorpionsekte sind üble Zeitgenossen, die man am besten mit den Sektenangehörigen in „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ vergleichen kann. Doch die Skorpionkrieger haben zum Glück keinen Hohepriester. Ihre Ziele sind weltlicherer Natur: Sie arbeiten als Söldner und rauben am liebsten junge Frauen …

Auf dem Flughafen von Tumkala, der Hauptstadt des Verbotenen Reiches, staunen unsere drei Helden nicht schlecht, dass sie selbst völlig unbeachtet bleiben, während die Passagierin Judith Kinski vom König selbst empfangen wird. (Tex Gürteltier war nicht im Flieger.) Dabei soll sie doch bloß ein paar Tulpen züchten, wie sie sagte!

In Wangji lernen sie ihren einheimischen Führer kennen, der über ein höchst eigenartiges Englisch verfügt, sowie seine hübsche fünfzehnjährige Tochter Pema, deren Name „Liebe“ bedeutet. Bei der Audienz beim König konfrontiert der Hausleopard Alex, dessen Totemtier der Jaguar ist, doch Nadia gelingt es, die Raubkatze zu besänftigen. Bei einer Geburtstagsfeier zu Ehren des Königs entdecken sie Tex Gürteltier wieder. Am anderen Morgen werden Nadia, Pema und vier einheimische Mädchen vermisst. Die Skorpionkrieger sind ins Verbotene Reich eingedrungen.

Leider stellt sich die Entführung bald als Ablenkungsmanöver heraus, um die Soldaten vom Palast des Königs fortzulocken. Denn Tex hat es natürlich auf die Statue des goldenen Drachen abgesehen. Doch deren Gewölbe ist von zahllosen Fallen geschützt, die vor 1800 Jahren installiert wurden. Nur einer kann sie bewältigen: der König selbst. Aber warum sollte er das tun? Da tritt Judith Kinski in Aktion.

Mein Eindruck

Nun entwickelt sich ein Abenteuer, das noch besser als im Vorgängerband dazu angetan ist, den Adrenalinpegel des Zuhörers in die Höhe schnellen zu lassen. Der Handlungsverlauf ist weiter verzweigt und doch klarer aufgebaut. Elemente aus dem einen Strang finden sich im anderen und wirken aufeinander ein. Rätsel werden aufgeklärt und die Spannung steigt.

Im ersten von mehreren Finali findet eine regelrechte Schlacht um die Klosterburg Shendanzong statt, bei der Lama Tesing und der Kronprinz die Kämpfer der Yetis ins Feld führen, um den Skorpionkriegern eine Heidenangst einzujagen. Als zweiten Höhepunkt muss der Prinz, will er sein Land vor dem Untergang bewahren, den echten Goldenen Drachen aus einem fallengespickten Labyrinth retten. Aber er hat ja zwei wertvolle Helfer dabei: Alex und Nadia.

Da der Text dieses Hörbuches vollständig dem des Buches entspricht, bekommt der Zuhörer nicht nur diese spannende Abenteuergeschichte zu seiner Unterhaltung präsentiert. Madame Allende möchte uns auch mit den Wundern bekannt machen, die in der Realität und im menschlichen Geist auf uns warten – siehe ihre Zitate oben.

Und daher lernen wir im König des Verbotenen Reiches eine Art weltlichen Dalai Lama kennen, der sich sehr für das körperliche, geistige und spirituelle Wohl seiner Landeskinder einsetzt und dem westlichen Fortschritt Schranken auferlegt – ganz im Gegensatz etwa zu Nepal. Es könnte sich um James Redfields Vision „Shambhala“ handeln, einem idealen Land, das nur Besuchern mit bestimmten visionären Fähigkeiten sichtbar und zugänglich wird.

Überhaupt finden sich viele Ideen und Thesen James Redfields, des Autors von „Die Prophezeiungen von Celestine“, hier. Auch das Aura-Erkennen, das Tensing und Nadia meisterlich praktizieren, kommt dort vor. Den Geistflug, den die beiden ausführen, kennen wir bereits aus John Boormans Film „Der Smaragdwald“ – oder, bei älteren Semestern, aus Castanedas „Lehren des Don Juan“, einem Kultbuch der Siebziger.

Das ist einer der Gründe, warum mir, als einem Angehörigen der Siebziger-Generation, die Fantasy-Romane der Isabel Allende so vertraut vorkommen: Sie wiederholen alte Ideen in neuem New-Age-Gewand, ohne dabei den modernen Anspruch an spannende Unterhaltung zu missachten. Hier „schließen Religion bzw. Spiritualität und Leben einander nicht aus“, wie der König so schön sagt.

Der Sprecher

Marc Oliver Schulze trägt fehlerfrei vor, aber für meinen Geschmack ganz schön schnell. Außerdem würde ich viele Sätze anders betonen, deutlicher das Satzende hervorheben. Immerhin kann man alle fünf Minuten eine Verschnaufpause einlegen, denn so ist jede der zehn CDs in Tracks unterteilt.

Ganz hervorragend und lustig finde ich Schulzes Interpretation des veralteten „Englisch“ – hier natürlich Deutsch – der Einwohner von Tumkala. Nicht nur der Fremdenführer Wangji lässt diese gummiartige, indisch angehauchte Intonierung erklingen, sondern auch der General der Soldaten. Man muss zweimal hinhören, aber sie sprechen wirklich korrektes Deutsch. Es klingt, als würden sie lächeln und dabei sprechen, ohne den Mund zu verziehen. Stelle ich mir anstrengend vor.

Musik gibt es nur sehr wenig, aber sie ist meist natürlich indisch beeinflusst. Sie hilft, die zehn Stunden des Hörbuchs aufzulockern.

Unterm Strich

„Im Reich des goldenen Drachen“ ist teils spannende Abenteuergeschichte, die Jungen wie Mädchen ab 12 Jahren gleichermaßen zufrieden stellen wird. Ganz nebenbei wartet die Autorin mit zahlreichen Einsichten in das Wesen der Menschen auf, die viele von uns hektisch lebenden Westlern aus dem Blick verloren haben. Wer James Redfield, den Himalaya und Shangri-La mag, der wird hier auf eine Goldgrube stoßen.

Marc Oliver Schulze bewältigt seine Mammutaufgabe mit Bravour. Ganz besonders nett finde ich seine diversen Dialekte und Akzente, die er bei verschiedenen Figuren einsetzt und die zur Auflockerung des „normalen“ Standard-Einerleis dienen. Ich habe mich jedenfalls nie gelangweilt und konnte der Story lückenlos folgen. Wie schnell doch zehn Stunden vorbei sein können!

Originaltitel: El reino del dragón de oro, 2003
Aus dem Spanischen von Svenja Becker
598 Minuten auf 10 CDs