Archiv der Kategorie: Philosophie und Religion und Spiritualität

Lars Kronlob – Die Magie des Seins

Spirituelle Menschen und Esoteriker betrachten unsere Zeit als eine Phase des Umbruchs, die den Weg ins Neue Aeon, das Horus- oder Wassermannzeitalter, öffnet und unser Wirken in sowie unsere Wahrnehmung von der Welt grundlegend umstrukturiert. Die Symbiose verschiedener spiritueller Systeme, das Zerfließen starrer Grenzen und die Vernetzung an gemeinsamen Knotenpunkten sind deutlich wahrnehmbare Aspekte dieses Wandels. Lars Kronlob widmet sich in seinem aktuellen Buch „Die Magie des Seins“ einer besonders für Einsteiger und Interessierte gut geeigneten Darstellung der meisten bei uns dominanten spirituellen und weltanschaulichen Strömungen, um dem Leser zum einen Einblick in die Grundzüge dieser Systeme zu geben, zum andren aber auf Gemeinsamkeiten aufmerksam zu machen, die ganz klar zeigen, dass scheinbar unabhängige und nach noch immer verbreiteter Auffassung klar unterschiedene Wege letztlich benachbarte Verzweigungen zu gleichen Zielen beschreiten.

Teil 1 des Buches steigt mit philosophischen Grundsatzbetrachtungen ein, die sich des Wesens des Seins, der Existenz annehmen und sich mit freiem Willen und bewussten Wahlmöglichkeiten befassen. Dazu zählen unter andrem Betrachtungen zur Unterscheidung und Polarität, zum Wesen und Prinzip der Magie und Metaphysik sowie der Methodik von Sein und Handeln. (Für Neueinsteiger in diese Materie: Der Begriff der Magie hat nichts mit Hokuspokus-Simsalabim zu tun, nicht wahr, ebenso wenig, wie sich das vorliegende Buch mit Licht-und-Liebe-Kristallkugel-Esoterik befasst.)
Da die Einfachheit der Dinge und Zusammenhänge ebenso zum hier dargelegten Weltbild gehört, befleißigt sich Kronlob einer sehr gut verständlichen, einfachen Überblicksdarstellung ohne Schnörkel und unverständliche Fachausschweifungen.
Eines der Basiswerke der hermetischen Philosophie, die Tabula Smaragdina, wird in Grundzügen vorgestellt und inhaltlich analysiert. Die Übersetzung stammt hierbei übrigens, ebenso wie beim angeführten „Haute Magie“ von Éliphas Lévi, von Lars Kronlob selbst; eine vorbildliche Arbeitsweise.
Da auch der gern zitierte Paradigmenwechsel in der Wissenschaftswelt für eine Verschiebung des philosophischen Weltbildes verantwortlich zeichnet, geht der Autor in diesem Zusammenhang ebenfalls auf die Wissenschaftsproblematik und grundlegende Neuerkenntnisse ein, die prägende Wirkung hatten und haben (Planck, Einstein, Heisenberg, Tipler, Hawking u.a.).
Um Möglichkeiten zur Veränderung einzuleiten, bleibt eine kritische Betrachtung und psychologische Sezierung der christlichen Kultur, starrer Strukturen, Konditionierungen und der nur auf dem Papier bestehenden Religionsfreiheit nicht aus; hierbei verweist Kronlob u.a. auf die exzellenten Betrachtungen von Whitehead.
Gesellschaftsphilosophisch gesehen, wird die Möglichkeit eines anarchistischen Ansatzes angerissen, der wohlgemerkt nichts mit Chaostagen und linksradikalen Auswüchsen zu tun hat.

Damit wäre ein Überblick über die wichtigsten Geisteswerkzeuge des Neuen Aeons gegeben. Im zweiten Teil des Buches werden die wesentlichen Strömungen dieser Wegrichtung beleuchtet und knapp umrissen, als da wären: der viel umstrittene, oberflächlich pauschalisierte und stets unrechtens verleumdete Satanismus; der Weg von Thelema, des Gesetzes von Aiwaz, vornehmlich durch A. Crowley voran getragen; Chaosmagie, ein moderner, unorthodoxer Ansatz der magischen Arbeit; Ásatrú, die Treue zu den Asen und nordischen Traditionen; Hexentum und Wicca, die derzeit geradezu in eine emanzipatorische Modeerscheinung ausarten.

Auch ohne dass letztlich eine explizite Synthese erfolgt oder ein summierendes Modell vorgestellt wird, werden die Gleichartigkeiten, Gemeinsamkeiten und Grundsätzlichkeiten der Wege ins Neue Aeon klar deutlich. Wer bereit ist, neue Pfade zu beschreiten, sich von Konventionen und geistiger Knechtschaft zu befreien, seinen Willen zu ergründen und zu tun, der findet in diesem sehr liebevoll gestalteten und ausgeschmückten Band zahlreiche Ansätze und Denkanstöße, die mächtens sind, den Konsum- und Obrigkeitssklaven aus dem Tiefschlaf wachzurütteln und alternative Betrachtungs-, Denk- und Handlungsweisen freizulegen. Ein solides Einsteigerwerk mit wichtigen Grundgedanken über Welt und Wirken, das ich den Interessierten als Überblicksbetrachtung nur wärmstens empfehlen kann – und ich hoffe, dass die Lektüre dazu anregen kann, sich eingehender in der Fachliteratur mit den hier vorgestellten Wegen zu beschäftigen, denn ein Neues Aeon lässt sich nur gemeinschaftlich erschaffen.

Taschenbuch ‏ : ‎ 128 Seiten
Homepage des Verlages: http://www.esoterick.de
Homepage des Autors: http://www.LarsKronlob.de
[Inhaltsverzeichnis]http://www.larskronlob.de/esoterick/inhaltmagiedesseins.htm
[Leseprobe aus Teil 1]http://www.larskronlob.de/esoterick/leseprobemagiedesseins.htm

Josef Dvorak – Satanismus

„Die Verteufelung des ‚kreativen Chaos‘ ist eine Verdrängung, deren Resultat eine erstarrte, lebensfeindliche ‚Gesellschaft‘ ist.“ (J. Dvorak, Konrad Becker zitierend)

Da Bücher über das Phänomen „Satanismus“ nur allzu gern den Federn von Theologen, so wie auch in diesem Falle, und Sektenbeauftragten zu entwachsen scheinen, sieht sich der Leser meist dem vernichtenden erhobenen Zeigefinger des Autors gegenüber und es fällt daher oft schwer, einer differenzierten und objektiven Betrachtungsweise Raum zu geben. Dieses Buch ist anders, in jedweder Hinsicht, zumal, wenn es darum geht, eine konsistente und dem Werk gerechte Klassifizierung zu liefern. Es ist sicherlich für jeden, der sich eingehender mit dem „Leibhaftigen“ und den damit einhergehenden Ausformungen eines Kultus der Selbstvergöttlichung auseinander setzen will, eine der besseren Publikationen zum Thema Satanismus / Okkultismus im deutschen Raum, auch wenn der alles bzw. nichts sagende und etwas plakativ daherkommende Titel zunächst den Anschein eines dieser typischen, an Banalität und Oberflächlichkeit nicht zu überbietenden Werke vermittelt. Dem tut auch der Untertitel („Schwarze Rituale, Teufelswahn und Exorzismus – Geschichte und Gegenwart“) vorerst keinen Abbruch.

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Busson, Paul – Seelenwanderer, Der – Die Wiedergeburt des Melchior Dronte

Paul Bussons bekanntester Roman, der 1921 erstmals erschien, ist jetzt in 3. Auflage erhältlich, nachdem er lange vergriffen war. Die Erzählung des Sennon Vorauf um das Leben seiner vorherigen Geburt als Melchior Dronte wird von einem Rahmen umfasst. Eröffnet wird sie mit dem Hinweis, dass dieses Buch die Unsterblichkeit der Seele bekennen soll und dieses Bekenntnis in anderen erwecken möge.

Retrospektiv beginnt Vorauf die Geschichte seines Lebens, beginnend mit dem fünften Lebensjahr, zu erzählen. Dem Leser wird klar, dass es sich um einen Entwicklungsroman handelt, eine spirituelle Entwicklung. Diese vollzieht sich zur Zeit der Französischen Revolution, einer Zeit, die gezeichnet ist von Krieg, Gewalt und Zerfall der Aristokratie. Demgemäß ist die Sprache nicht nur der Situation angemessen – neben poetischen Landschaftsbeschreibungen stehen brutale Kriegsszenarien – sondern auch den Personen. Neben Dialektformen des einfachen Menschen spricht der Adel seine hochgestochene Sprache, der Magister sein Kanzleideutsch und der Pöbel die Sprache der Gosse.
Melchior verweilt selbst in verschiedenen Milieus, ist Student, Soldat, Bürger und Adeliger, entwickelt sich vom Rohling zum Ewli, einem, der ‚wiederkommt‘.

Der Tod begegnet dem Leser in verschiedenen Formen. Vom sanften ‚Entschlafen‘ über den grausamen Tod auf dem Schlachtfeld bis zum personifizierten Tod mit dem bezeichnenden Namen ‚Fangerle‘. Ebenso variationsreich ist der Reinkarnationsgedanke, denn die Seelen treten gefangen in Tierkörpern auf, wie dem allwissenden Papagei Appolonius, kehren ohne Wissen um eine Inkarnation in Körper ein, oder wie im Falle des Dronte auch bewusst.
So geschehen, nachdem er in den Revolutionswirren seinen Kopf durch die „Maschine des Guillotin“ verliert. Doch hier endet der Roman überraschenderweise nicht, sondern schildert den Weg der Seele in den nächsten Körper, den des Sennon Vorauf, aus dessen Leben einige Details erzählt werden. Geschlossen wird die Erzählung von seinem Freund Kaspar Hodrich, der die Funktion des Ich-Erzählers übernimmt und vom Verschwinden Sennons im Albanien des ersten Weltkrieges erzählt. Er bekommt auch die Erzählung, innerhalb der fiktiven Geschichte, zugesandt.

„Aber – was in diesem Werk ist Fiktion, Phantasie, Geschichte – was erlebt und was aus einem tieferen, verborgenen Wissen gespeist“ (S. 295), um den Herausgeber Jürgen Grasmück, selbst erfolgreicher Autor zahlreicher phantastischer Romane (u.a. unter dem Pseudonym Dan Shocker die Heftromanserien Macabros, Larry Brent und Ron Kelly) aus seinem Nachwort zu zitieren.

Das Vorwort verfasste übrigens Penny Mc Lean, die schreibt: „dieses Buch wird zum Hinweis- und Zeichenlieferant in Ihrem Leben“. Dem mag sich der Rezensent nicht ganz anschließen, kann aber gehobene Unterhaltung versprechen, wie auch Anregungen zur Reflexion über wesentliche Aspekte des Lebens und natürlich des Todes.
Ungewöhnlich ist der für das Buch gewählte Schriftsatz. Auf Blocksatz wurde verzichtet und die Schrift linksbündig gesetzt (zumindest in der mir vorliegenden 1. Auflage) was den Lesefluss aber in keiner Weise beeinträchtigt. Zahlreiche Illustrationen von Maria Anna Schmitt, die schlicht aber schön sind, schmücken dieses Buch.

_Martin Dembowsky_
für die [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de

Gierdahl, Knut – Goldene Equinox, Der

In Anlehnung an die zwischen 1909 und 1913 von der „Großen Weißen Bruderschaft“ zu den Tag- und Nachtgleichen im Frühling und Herbst (Äquinoxe) herausgegebenen Bände des Äquinox (insgesamt 11 Bände), nennt der Autor Knut Gierdahl, Redakteur des legendären Okkultmagazins AHA, seinen Band „Der Goldene Equinox“. Ebenso setzt er sich mit der Wahl des Titels von den in der Schweiz, vom Verlag Psychosophische Gesellschaft (in limitierter und nummerierter Auflage, ohne Jahr) herausgegebenen Äquinoxen ab, bei denen es sich jedoch nicht um Übersetzungen der englischen Ausgaben handelt, sondern um die Herausgabe einzelner Werke von Aleister Crowley (z.B. „Das Herz des Meisters“, „Kleine Aufsätze die zur Wahrheit führen“, etc.).

Sieht Gierdahl die Schwerpunkte der damaligen Äquinoxe in der Klärung der Eckpunkte und Wurzeln von Thelema in der Sprache der Magie, so soll sein Goldener Equinox dem Leser Anregung und Hilfe sein, „Magick als Set von Methoden [zu] verstehen, um ihren Wahren Willen zu erschaffen und zu leben“ (Vorwort, S. 6). Dazu wählt er, gemäß dem damaligen Motto des Äquinox: „Die Methode der Wissenschaft – Das Ziel der Religion“, die wissenschaftliche Sprache, „um Thelema als sinnstiftende Lebensform weiter zu entwickeln“ (ebd. S.7).
In 13 Abhandlungen, eine in Zusammenarbeit mit Michael D. Eschner, geht der Autor auf vielseitige Themen wie Gnostizismus, Logik, Liber Al, Schuld und Verantwortung, Kult der Sonne etc. ein und bringt sie in Zusammenhang mit Thelema. Neben den Artikeln befindet sich in diesem Band auch eine Kurzgeschichte, „Der Grasgrünfärber“, die an einen Zen-Koan erinnert, sowie eine praktische Anleitung zur Ausübung der yogischen Sonnengrüße mit photographischen Abbildungen der einzelnen Stellungen im Anhang, nebst Einführung in das System des Yoga mit Bedeutung von Atem, Tipps zur Vorbereitung und dergleichen mehr. Allgemein wird immer wieder Theorie mit Praxis verbunden und auf die Umsetzung in den Alltag hingewiesen. So gibt auch das Kapitel über „Willenstraining“ eindeutige Handlungsanweisungen.

Die einzelnen Artikel lassen einen roten Faden erkennen, beginnend mit den Wurzeln Thelemas im Gnostizismus – Gnosis als Erkenntnis, die nicht vermittelt, sondern erlebt wird – und der Bedeutung vom Kult der Sonne bei Ägyptern, Indianern und Hindus, bis hin zu Thelema als „Designer-Religion“ des Neuen Äons mit verschiedenen, individuellen Entwicklungswegen und -modi. Dabei werden zentrale Themen wie Ideologie, Weltanschauung und Logik angesprochen (wie z.B. in „Open-Source-Kultur und die schenkende Tugend“ oder „Fuzzylogik und die Tattwas“).
Knut Gierdahl wählt einen lockeren, den Leser ansprechenden Stil mit humorvollen Ansätzen. Stets erläutert er seine Aussagen mit konkreten Beispielen aus Alltag, Geschichte oder Technik, fügt Zitate ein oder nennt Literaturstellen zur Weiterführung.
Negativ fallen der Drucksatz und oberflächliches Lektorat ins Auge. So werden mal einzelne Worte oder Absätze wiederholt oder der Drucksatz wechselt von Block- in Flattersatz. Ebenso hätten bei den zitierten Quellen nähere Angaben (z.B. Erscheinungsjahr, Band- /Seriennummer) erwähnt werden können.
Insgesamt wird Knut Gierdahl seinem Anspruch mehr als gerecht und der Goldene Equinox ist für jeden an Magie, Thelema und/oder Entwicklung Interessierten mit Gewinn zu lesen.
Eine Fortsetzung, wie als „Open-Source-Projekt“ geplant, wäre ebenso wünschenswert wie eine thematische Ausweitung über Thelema relevante Themen hinaus.

_Martin Dembowsky_
für die [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de

Ergänzung des Lektors: Zum Bereich Thelema hat K. Gierdahl bzw. die Zeitschrift „AHA“ ein umfangreiches Sonderheft für 9 € herausgebracht, das man auf der Homepage bestellen kann. Dies könnte man als Fortsetzung des hier beschriebenen Bandes betrachten, wenngleich die Artikel hier von verschiedenen Autoren stammen – umso interessanter.

Michaela Diers (Hrsg.) – Mystik

Ein Lesebuch für Nachdenkliche

Mystik ist in unserer Zeit ein schwer fassbarer Begriff, der nur allzu oft mit abgehobenen Phantastereien und Wundern einer transzendierten, weltscheuen Esoterikelite in einen Kontext gebracht wird. Dass hier ein deutliches Missverständnis durch Unkenntnis der eigentlichen Materie vorliegt, macht Michaela Diers, Herausgeberin des Buches „Mystik“, in ihrer stimmungsvollen Einleitung deutlich, mit der die Problembereiche und das Fundamentale des Mystikbegriffes mit klaren, wohlgesetzten Worten zum Punkt gebracht werden und welche den Leser wunderbar auf das Nachfolgende einzustimmen vermag.

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Berzin, Alexander – Kalachakra – Das Rad der Zeit. Geschichte, Wesen und Praxis der bedeutendsten tantrischen Initiation

Der heute in Berlin lebende Amerikaner Berzin lebte 30 Jahre bei den sich im indischen Exil befindlichen Tibetern und studierte alle vier tibetischen Schulen. Er ist ein enger Vertrauter des Dalai Lama. Er gilt als wichtigster westlicher Experte der Kalachakra-Initiation und da diese im Herbst 2002 durch den Dalai Lama in Graz in einer spirituellen Massenveranstaltung übertragen wurde, wagte sich der Barth-Verlag an die Übersetzung des bereits fünf Jahre zuvor in den USA erschienenen Buches.

Kalachakra bedeutet die Fähigkeit, mit allen Situationen zu jeder Zeit umgehen zu können. Dies gelingt dem Autor in einfacher Weise – aber einzigartig umfassend – darzustellen. Für diejenigen, die wissen wollen, ob Kalachakra ein für sie begehbares System sein könnte, ist das Buch Pflichtlektüre. Kalachakra steht in engem Zusammenhang mit dem geheimnisvollen Shambhala-Reich, aber das Ziel von Kalachakra ist es nicht, Shambhala zu erreichen.
Eine Kalachakra-Initiation ist auch nicht dazu gedacht, Menschen zum Buddhismus zu bekehren, sondern gemäß den Idealen ihrer eigenen Religion zu leben und sich in Brüder- und Schwesternschaften mit anderen zu vereinigen, die dies ebenfalls tun. So unübersehbar dieses System in seiner Komplexität auch scheint, empfiehlt es sich für jeden, der die schon erwähnte Fähigkeit erwerben möchte, mit allen Situationen umgehen zu können, und das zu jeder Zeit und in jedem Umfang. Besonders wir westliche Menschen brauchen solche Systeme.
In unserer modernen Gesellschaft führen viele ein fragmentarisches Leben. Wir fühlen uns entfremdet von vitalen Komponenten, wie z.B. unserem Körper, unseren Gefühlen, unserer Kreativität oder unseren Eltern. Es ist schwierig, alles im Gleichgewicht zu halten und es zu integrieren. Es ist so, als ob wir viele Leben gleichzeitig führen würden – ein öffentliches und ein privates, ein Büroleben, ein Familienleben, dazu ein soziales, intellektuelles, spirituelles, ein Sport-, Vereins-, Ferien-, Muße- und ein politisches Leben. Die Situation wird sogar noch komplizierter, wenn es zu Scheidungen und Wiederverheiratungen gekommen ist.

Kalachakra befähigt, mit all diesen Elementen harmonisch eine ganze Person zu sein. Im Buch wird die Geschichte und der Hintergrund des Kalachakra erklärt, welches überraschende Bezüge zum gegenwärtigen Zeitgeschehen zutage bringt und ziemlich umfassend die vielen dabei zu leistenden Gelübde erklärt, gedeutet und kommentiert. Nach dieser umfangreichen Klärung, ob man sich überhaupt in der Lage sieht, sich auf’s Kalachakra einzulassen, folgt die Darstellung der praktischen Verpflichtung, d.h. der täglichen Arbeit. Auch wird der eigentliche Initiationsritus detailliert beschrieben.

Berthold Röth
für die [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de

Gebhardt, Lisette – Japans neue Spiritualität

New Age im Land der aufgehenden Sonne.

Dies ist das wohl umfassendste und bestrecherchierte Buch zur japanischen Spiritualität und Religion der Gegenwart.
Japan? Das Fuji-Honda-Sony-Land, in dem die Angestellten in ihrer Firma wohnen? Nein, es wird eine Kultur vorgestellt, die auf ganz andere Weise vertraut und exotisch ist. Japan hat in viel kürzerer Zeit als die westeuropäischen Staaten die Entwicklung vom Nationalstaat zur internationalen Wirtschaftsmacht vollzogen und daraus resultieren die meisten Fragen, Probleme, Spannungen und Selbstfindungsansätze, um die es in “Japans neuer Spiritualität” geht.
Was mir zuerst auffiel: die Autorin liefert einen äußerst detaillierten, facettenreichen, widersprüchlichen Überblick der spirituellen Ansätze im heutigen Japan. Dadurch wird dieser Überblick viel mehr zum Abbild der tatsächlichen Situation, als o.g. Klischeevorstellung.

Ziel des Buches ist es, “Texte der japanischen Gegenwartsliteratur vorzustellen, die Religion und Religiöses/’Spirituelles‘ thematisieren. Zum anderen versucht [es], diese Texte im Umfeld einer ’neuen spirituellen Kultur‘ zu lokalisieren.” Besonders wichtig:
1. Eine wissenschaftliche Perspektive auf das Phänomen NewAge dürfte ungewohnt sein, da hierzulande das moralisierende Geschwafel der Amtskirchen jegliches Forschungsinteresse ad absurdum führt. Wenn man aber die Wechselwirkung von ‘spirituellen’ Fragen, Gesellschaft und dem Streben nach erlebbarer Religion unvoreingenommen beobachtet, sieht man Anderes als beim Versuch, ein Feindbild zu bestätigen.
2. Die Frage nach dem Sinn des Lebens, möglichen Zukünften oder neuen Paradigmen sind komplexe Zusammenhänge. Diese können wir besser erkennen, wenn wir uns auf Entdeckungsreise ins fremde Japan begeben. Denn was uns selbstverständlich ist, sehen wir im Kontrast zum fremden Anderen.

Das Buch ist gespickt mit Quellenangaben, was das Lesen teils etwas erschwert. Buchbesprechungen, Artikel, öffentliche Diskussionen, zentrale Begriffe oder Biografien schnell vertiefen zu können, ist andererseits auch lohnenswert. Das Spektrum reicht von ‘Freaks’ über die AUM-Shinrikyo bis zu Künstlern und Schriftstellern – was ahnen lässt, dass das Intereesse an japanischer Spiritualität (was immer das genau sein mag) enorm ist.

Knut Gierdahl
Chefredakteur der [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de