John Connolly – Todbringer [Charlie Parker 7]

Der rachsüchtige Vater eines eliminierten Serienmörders schickt dem Killer-Duo Louis und Angel einen Attentäter hinterher, der mit dem Paar selbst ein Hühnchen zu rupfen hat … – Charlie Parker bleibt in dieser düsteren Geschichte von Rache, Schuld und Vergeltung Nebenfigur; seine Gefährten Louis und Angel erleben eine gewaltreiche Odyssee, die durch zu viele Rückblenden gebremst wird: „Todbringer“ bietet nur Variationen bekannter Motive und ist der schwächste Teil der „Parker“-Serie.

Das geschieht:

Während Privatdetektiv a. D. Charlie „Bird“ Parker eine Auszeit von den kriminellen und übernatürlichen Heimsuchungen, mit denen er sich plagen muss, genießen kann, sind es dieses Mal seine Freunde und Mitstreiter Louis und Angel, die den Groll der Unterwelt auf sich gezogen haben. Die beiden Killer kommen nicht nur in die Jahre, sondern morden nur noch im Dienst der Gerechtigkeit.

Gleichwohl bewahrt sie dies nicht vor den Folgen vergangener Taten. Vor einigen Jahren haben sie den sadistischen Serienkiller Luther Berger aus dem Verkehr gezogen. Zurück blieb dessen untröstlicher Vater Arthur Leehagen, der die Schreckenstaten des missratenen Sprösslings ausblendet und seither auf Rache sinnt. Endlich hat Leehagen herausgefunden, wo Louis und Angel leben. Er will sie nicht einfach töten, sondern zuvor ihre Welt mit allen Freunden zerstören. Deshalb lässt Leehagen ihre wenigen Freunde terrorisieren und hetzt ihnen das FBI auf den Hals.

Für diese Mission konnte Leehagen den psychopathischen Killer Glueck rekrutieren. Dieser hasst Louis sogar noch stärker als der wütende Vater, denn vor vielen Jahren hat Louis versucht, ihn umzubringen. Beinahe wäre es ihm gelungen, und noch heute leidet Glueck schmerzhaft an den Folgen des Anschlags, was seinen Zorn noch steigert.

Louis und Angel finden zwar schnell heraus, dass Glueck sich an ihre Fersen geheftet hat. Dem schieren Irrwitz seines Racheplans sind selbst die beiden Profis jedoch nicht gewachsen. In der Not muss Louis alte Kontakte reaktivieren. Lehrmeister Gabriel und seine „Schnitter“ gewähren nur unwillig Unterstützung. Louis und Angel geraten in eine diabolische Falle, aber ihre Feinde triumphieren ein wenig zu früh …

Helden aus der zweiten Reihe

Der siebte Band der „Charlie-Parker“-Serie bietet eine Überraschung: Der Titelheld glänzt durch Abwesenheit bzw. lässt sich erst gegen Ende blicken. Stattdessen dreht sich die Handlung um das Killer-Duo Louis und Angel, die Parker buchstäblich den Rücken decken, wenn dieser gegen Serienkiller und Teufel antritt.

Wer sind Louis und Angel, und wie sieht ihr Leben aus, wenn sie nicht als Parkers Schatten aktiv werden? Parker legt derzeit eine Fahndungspause ein, was seinen beiden Freunden die Muße lässt, sich um eigene Probleme zu kümmern. Dass ein Killer-Leben auch für Vollprofis kein Zuckerschlecken ist, hat Autor Connolly schon in frühere Bände einfließen lassen. Louis und Angel sind ‚gute‘ Mörder, die der Umgang mit Parker geläutert hat. Gekillt werden seither nur noch die richtig üblen Strolche, denen das Gesetz nicht beikommen kann, weil es durch Regeln gebunden ist oder genannte Strolche Dämonen sind und reinkarniert auf die Erde zurückkehren, was in keinem Diensthandbuch vorgesehen ist.

Charlie Parker und damit auch Louis und Angel stehen mit je einem Bein in der ‚realen‘ Welt und in einem Zwischenreich, dessen übernatürlichen und unheimlichen Bewohner nur von jenen Zeitgenossen registriert werden, die über das berühmt-berüchtigte „zweite Gesicht“ verfügen. Bisher blieb es Parker vorbehalten. Nun erfahren wir, dass auch Louis über Erfahrungen mit dem Jenseits verfügt.

Nochmal zurück auf Anfang?

Wollen wir das wissen? Können wir das glauben? „Nicht unbedingt“ und „Nicht wirklich“ lauten die Antworten. Louis und Angel waren bisher Nebenfiguren in einem düsteren Epos, das Charlie Parker in den Mittelpunkt stellte und gut daran tat. EIN von den Mächten des Jenseits Gezeichneter reicht vollauf. In sechs Bänden (und einer Novelle) hat John Connelly seinem Parker immer neue Seiten abgewonnen. Schon dabei musste er feststellen, sich in eine Sackgasse manövriert zu haben, als er Parker in „Der brennende Engel“ als Wiedergeburt eines Engels ‚outete‘, der einst half, Luzifers abtrünnige Horden in den Abgrund der Hölle zu stürzen. Im nächsten Band war davon keine Rede mehr. Connolly bemühte sich, möglichst unauffällig in etwas irdischere Gefilde zurück zu rudern.

In diesem Zusammenhang ist es kontraproduktiv, Louis in eine Art Parker 2.0 zu verwandeln. Plötzlich hat auch er eine an (recht unwahrscheinlichen) Tragödien reiche Vergangenheit und sogar einen wahrlich heißen Draht ins Jenseits; er wird vom „brennenden Mann“ heimgesucht. Das Muster ist bekannt, denn obwohl Parker und Louis kaum etwas gemein zu haben scheinen, wirken ihre Biografien viel zu ähnlich, um jeweils spannend zu sein. Damit bestätigt sich, dass Louis und Angel sparsam eingesetzte und bei der Leserschaft beliebte Nebenfiguren hätten bleiben sollen: Mythentiefe bekommt ihnen nicht, und ihre ‚menschliche‘ Seite kennen wir. Neues erfahren wir nicht. Stattdessen wird Bekanntes aufgerührt und mit künstlicher Tragik dargeboten.

Action-Thriller mit ständiger Ladehemmung

Dieses Manko schlägt sich negativ auf den Geschichtsfluss nieder. „Todbringer“ ist ein Roman der ständigen Rückblenden. In kursiver Schrift erzählt Connelly ausgewählte Episoden aus Louis‘ abenteuerlichen und nunmehr künstlich dramatisierten Leben. Dabei schwelgt er in Südstaaten-Klischees der besonders ausgelaugten Art und raunt von bitterbösen weißen Rassisten und stolzen Schwarzen, die einander möglichst niederträchtig zu Tode bringen.

Zudem weitet Connelly das Feld der Nebenfiguren aus. Louis und Angel erhalten ihre eigenen Sidekicks: Willy und Arno, zwei philosophische Automechaniker. Auch Willys Biografie wird vor uns ausgebreitet; beschrieben mit der Geschmeidigkeit, die (auch dem übersetzten) Connolly eigen ist, aber trotzdem nicht unbedingt interessant.

Die eigentliche Story muss dagegen immer wieder pausieren. Bis Louis und Angel und ihre kleine Killer-Armee endlich aufbrechen, um es mit dem vor Rachsucht wahnsinnig geworden Leehagen und dem dämonischen Glueck aufzunehmen, sind knapp zwei Drittel der Seiten durchgelesen. Jetzt endlich nimmt die Geschichte Fahrt auf, auch wenn sie nur bedingt originell in einer Killer-Schlacht à la „The Tournament“ mündet.

An ihrem Aussehen sollt ihr sie erkennen

Wie üblich symbolisiert Connelly das Böse zusätzlich, indem er es in bizarre Gestalten zwängt. Arthur Leehagen ist ein vom Krebs zerstörter lebender Leichnam, den nur die pure Rachsucht am Leben hält, während er an tausend Schläuchen hängt und künstlich beatmet werden muss. Killer Glueck – schon der Name ist reine Ironie – überlebte eine brutale, eigentlich tödliche Mordattacke, die ihn nicht nur entstellte, sondern seine psychotische Bosheit noch einmal steigerte. Auch hier erreicht Connolly nicht die alte Form. Man hat den Eindruck, er spare die wirklich exotischen Schurken für die ‚echten‘ Parker-Romane auf. Zu denen kehrt John Connolly hoffentlich möglichst bald zurück.

Anscheinend traut der deutsche Verlag dem Verkaufserfolg von „Todbringer“ nicht so recht. Die letzten Parker-Romane erschienen zunächst fest gebunden und hochpreisig. „Todbringer“ ist eine Taschenbuch-Erstausgabe – ein kluger Entschluss, denn mit diesem Buch tut Connolly weder seiner Serie noch deren Lesern einen Gefallen. Das Experiment eines literarischen „spin-off“ ist zwar aufgrund Connollys ungebrochen suggestiver und bildreicher Schreibe nicht gescheitert aber auf keinen Fall gelungen.

Autor

Obwohl er die Odyssee eines US-amerikanischen Privatermittlers beschreibt, wurde John Connolly 1968 im irischen Dublin geboren, wuchs dort auf, studierte und arbeitete (nach einer langen Kette von Aushilfsjobs) als Journalist (für „The Irish Times“), was er fortsetzt, obwohl sich der Erfolg als freier Schriftsteller inzwischen eingestellt hat. Die amerikanischen Schauplätze seiner Charlie-„Bird“-Parker-Thriller kennt Connolly aber durchaus aus eigener Erfahrung; schon seit Jahren verbringt er jeweils etwa die Hälfte eines Jahres in Irland und den Vereinigten Staaten.

Verwiesen sei auf die in Form und Inhalt wirklich gute Connolly-Website, die nicht nur über Leben und Werk informiert, sondern quasi als Bonus mehrere Gruselgeschichten und Artikel präsentiert.

Taschenbuch: 475 Seiten
Originaltitel: The Reapers (London : Hodder & Stoughton 2008/New York : Atria Books/Simon & Schuster 2008)
Übersetzung: Georg Schmidt
http://www.ullsteinbuchverlage.de

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