David Baldacci – Abgerechnet (Atlee Pine 4)

Schwestern finden sich, Schwestern hauen sich

Der fulminante Abschluss der Erfolgsserie um FBI-Ermittlerin Atlee Pine. Was wurde aus Mercy? – Ihr Leben lang hat Agentin Atlee Pine nach ihrer Zwillingsschwester Mercy gesucht. Endlich hat sie Anlass zur Hoffnung. Denn Mercy konnte ihren Entführern vor Jahren entkommen. Doch seitdem ist sie nie wieder aufgetaucht. Sinnt sie auf Rache? Ist sie wirklich noch der Mensch, an den sich Atlee erinnert? Auf ihrer Flucht hat Mercy eine Leiche zurückgelassen, und das ist nicht das einzige Verbrechen, mit dem sie in Verbindung gebracht wird. Zudem hat sie sich gefährliche Feinde gemacht. Ein Rennen gegen die Zeit beginnt. Denn nicht nur Atlee ist ihrer Schwester auf den Fersen …. (Verlagsinfo)


Der Autor

David Baldacci wurde 1960 in VirginiPa geboren, wo er heute lebt. Er wuchs in Richmond auf; sein Vater war Mechaniker und später Vorarbeiter bei einer Spedition, seine Mutter Sekretärin bei einer Telefongesellschaft. Baldacci studierte Politikwissenschaft an der Virginia Commonwealth University (B. A.) und Jura an der University of Virginia. Während des Studiums jobbte er u.a. als Staubsaugerverkäufer, Security-Guard, Konstrukteur und Dampfkesselreiniger. Er praktizierte neun Jahre lang als Anwalt in Washington, D.C., sowohl als Strafverteidiger als auch als Wirtschaftsjurist.

Neben seiner Arbeit als Schriftsteller engagiert sich Baldacci für eine Reihe karitativer und gesellschaftlicher Institutionen, darunter der National Multiple Sclerosis Society, der Barbara Bush Foundation for Family Literacy, der Virginia Foundation for the Humanities, der America Cancer Society, der Cystic Fibrosis Foundation und der Virginia Commonwealth University. David Baldacci ist verheiratet und hat zwei Kinder. (Verlagsinfo)

Romane

Amos Decker

1: Memory Man (2016; Originaltitel: Memory Man, 2015) ISBN 978-3-453-27060-2
2: Last Mile (2017; Originaltitel: The Last Mile, 2016) ISBN 978-3-453-27061-9
3: Exekution (2020; Originaltitel: The Fix, 2017) ISBN 978-3453271609
4: Downfall (2021; Originaltitel: The Fallen, 2018) ISBN 978-3453272347
5: Redemption (2019, Flashback, 2023))
6: Walk The Wire (2020, noch nicht auf Deutsch erschienen) (Crossover mit der Will-Robie-Serie)

Camel Club

1: Die Wächter (2007; Originaltitel: The Camel Club, 2005) ISBN 978-3-7857-2273-2
2: Die Sammler (2008; Originaltitel: The Collectors, 2006) ISBN 978-3-7857-2354-8
3: Die Spieler (2010; Originaltitel: Stone Cold, 2007) ISBN 978-3-7857-2380-7
4: Die Jäger (2011; Originaltitel: Divine Justice, 2008) ISBN 978-3-7857-2420-0
5: Der Auftrag (2014; Originaltitel: Hell’s Corner, 2010) ISBN 978-3-7857-2484-2

Sean King und Michelle Maxwell

1: Im Bruchteil der Sekunde (2004; Originaltitel: Split Second, 2003)ISBN 978-3-404-15500-2
2: Mit jedem Schlag der Stunde (2006; Originaltitel: Hour Game, 2004)ISBN 978-3-404-15793-8
3: Im Takt des Todes (2009; Originaltitel: Simple Genius, 2007)ISBN 978-3-404-15968-0
4: Bis zum letzten Atemzug (2011; Originaltitel: First Family, 2009) ISBN 978-3-404-16553-7
5: Fünf vor Zwölf (2014; Originaltitel The Sixth Man, 2011) ISBN 978-3-404-16994-8
6: In letzter Minute (2016; Originaltitel King and Maxwell, 2013) ISBN 978-3-404-17309-9

Shaw und Katie James

1: Die Kampagne (2009; Originaltitel: The Whole Truth, 2008) ISBN 978-3-404-27074-3
2: Doppelspiel (2013; Originaltitel: Deliver Us From Evil, 2010) ISBN 978-3-404-16842-2

Will Robie

1: Der Killer (2014, Originaltitel: The Innocent, 2012), ISBN 978-3-7857-2512-2
2: Verfolgt (2015, Originaltitel: The Hit, 2013), ISBN 978-3-7857-2540-5
3: Im Auge des Todes (2016, Originaltitel: The Target, 2014), ISBN 978-3-7857-2563-4
4: Falsche Wahrheit (2017, Originaltitel: The Guilty, 2015) ISBN 978-3785725894
5: Der Feind im Dunkeln (2018, Originaltitel: End Game, 2017) ISBN 978-3785726396

John Puller

1: Zero Day (2013; Originaltitel: Zero Day, 2011) ISBN 978-3-453-26906-4
2: Am Limit (2015, Originaltitel: The Forgotten, 2012) ISBN 978-3-453-26926-2
3: Escape (2015, Originaltitel: The Escape, 2014) ISBN 978-3-453-27010-7
4: No Man’s Land (2018, Originaltitel: No Man’s Land, 2016) ISBN 978-3453271616

Atlee Pine

1: Ausgezählt (2019; Originaltitel: Long Road to Mercy, 2018) ISBN 978-3-453-27228-6
2: Abgetaucht (2020; Originaltitel: A Minute To Midnight 2019)ISBN 978-3453273122
3: Eingeholt (2021; Originaltitel: Daylight 2020) (Crossover mit der John-Puller-Serie) ISBN 978-3453273450
4: Abgerechnet (2022; Originaltitel: Mercy 2021) ISBN 978-3453274006

Vega Jane
(bisher noch nicht auf Deutsch erschienen)

1: The Finisher (2014)
2: The Keeper (2015)
3: The Width of the World (2017)
4: The Stars Below (2019)

Aloysius Archer
(bisher noch nicht auf Deutsch erschienen)

1: One Good Deed (2019)
2: A Gambling Man (2021)
3: Dream Town (2022)

Sonstige Bücher

Der Präsident (1996; Originaltitel: Absolute Power, 1996)
Das Labyrinth (1999; Originaltitel: Total Control, 1997)
Die Versuchung (1998; Originaltitel: The Winner, 1998)
Die Wahrheit (1999; Originaltitel: The Simple Truth, 1998)
Die Verschwörung (2000; Originaltitel: Saving Faith, 1999)
Das Versprechen (2002; Originaltitel: Wish You Well, 2000)
Der Abgrund (2003; Originaltitel: Last Man Standing, 2001)
Das Geschenk (2003; Originaltitel: The Christmas Train, 2002)
Auf Bewährung (2012; Originaltitel: True Blue, 2009)
Das Glück eines Sommers (2012; Originaltitel: One Summer, 2011)
Todeszeiten (2013, Kurzgeschichte; Originaltitel: No Time Left, 2010)
Der Komplize (2014, Kurzgeschichte; Originaltitel: Bullseye, 2014)
Herausgeber: FaceOff. Doppeltes Spiel. (Originaltitel: FaceOff, 2014) Wilhelm Goldmann Verlag, München 2014, ISBN 978-3-442-48189-7
Finstere Lügen (The 6:20 Man, 2022)

Freddy and the French Fries
(bisher noch nicht auf Deutsch erschienen)

Freddy and the French Fries: Fries Alive! (2005)
Freddy and the French Fries: The Mystery of Silas Finklebean (2006)
(Quelle: Wikipedia.de)

David Baldacci auf Buchwurm.info:

[Mit jedem Schlag der Stunde 2400
[Im Bruchteil der Sekunde 836
[Das Geschenk 815
[Der Abgrund 414
[Die Verschwörung 396
[Das Versprechen 361
[Die Versuchung 676

Mehr Infos: www.david-baldacci.com . (Verlagsinfo)

Vorgeschichte

In Andersonville, Georgia, ist FBI-Agentin Atlee Pine auf die Vergangenheit ihrer Eltern gestoßen. Sie befanden sich in einem Zeugenschutzprogramm, denn zuvor hatte ihre Mutter in New York City gegen den Mafiaboss Bruno Vincenzo ausgesagt. Offenbar wollten die Behörden, die die Mafia bekämpften, ihre Mutter schützen. Doch jemand muss Atlees Eltern verraten haben, denn einer aus der Vincenzo-Familie entführte in einer Nacht vor rund 30 Jahren ihre Zwillingsschwester Mercy und verletzte sie selbst schwer. Sie nimmt an, dass es Brunos Bruder Ito war, denn wie hätte Bruno das Gefängnis verlassen können?

Trenton, New Jersey

Wie auch immer: Atlees Vater ist tot, ihre Mutter untergetaucht und ihre Schwester verschleppt. Wie mag sie wohl heute aussehen, fragt sich Atlee, als sie in Trenton im Bundesstaat New Jersey eintrifft. Hier hatte die Vincenzo-Familie ihr Zentrum. Ito ist unauffindbar, sein Sohn Teddy sitzt im Knast, und das Haus von Teddys Sohn Tony befindet sich jetzt direkt vor Atlees Nase. Tony haut ab und Atlee wird von einem alten Bekannten gestoppt: John Puller von der Kriminalpolizei der US Army, der im nahen Fort Dix einen Drogenring ausheben will. Tony Vincenzo sei einer der Rädelsführer.

Pullers Fall bestimmt den weiteren Verlauf der Geschehnisse, die Atlee und er nur knapp überleben. Erst als sie auf Tonys Strandhaus stößt, bekommt sie ein Foto in die Hände, das ihre Schwester Mercy zeigt. Sie wird als Becky bzw. Rebecca bezeichnet und steht neben einem Vietnam-Veteranen und seiner Frau. Ito Vincenzo, Tonys Großvater, Mercy verschleppt und sie diesen Menschen anvertraut. Doch der Wohnwagen von Leonard Atkins und seiner Frau Wanda ist leer und wird nur von Giftschlangen bewohnt. Wie sich herausstellt, hat Leonard Becky seinem Sohn Joe und dessen geistesgestörter Frau Desiree anvertraut, bevor er untertauchte.

Als Atlee Sheriff Robbins befragt, berichtet er, dass Joe ermordet worden sei und dass von Desiree und Becky jede Spur fehle. Die jetzigen Bewohner von Joes Haus, die Simmons, berichten von einer Erdhöhle. Als alle dort nachschauen, wird klar, dass Becky alias Mercy hier jahrelang wie ein wildes Tier gefangen gehalten und von Desiree gefoltert worden ist. Alle sind extrem erschüttert. Doch ein Überwachungsvideo, das Atlee in einem Versteck findet, zeigt den Ausbruch ihrer Schwester aus diesem Gefängnis. Hat Mercy also Joe Atkins auf dem Gewissen?

Handlung

Eloise „El“ Cain betritt den Kampfkäfig. Wieder einmal tritt sie für Geld in einem Mixed-Martial-Arts-Kampf an. Preisgeld: immerhin 1000 Dollar. Den Rest bekommt der Kampfvermittler Sam. Ihre Gegnerin bekommt ein Trostpflaster. Die Kleine ist zwar schnell und beweglich, ahnt aber bis zu letzten der 15 Minuten nicht, wie groß Els Reichweite wirklich ist. Als es dann soweit ist, schlägt El und bricht ihrer überraschten Gegnerin den Unterkiefer. El holt sich bei Sam das Preisgeld, doch als er ihr Avancen macht, hält sie ihm ihre Knarre an den Kopf. Er macht schnell einen Rückzieher.

El hat keine Ahnung, dass sie von ihrer Schwester per FBI-Sendung gesucht wird. El ist natürlich nur der Deckname, den sie bei ihrem Vermieter oder ihren beiden Arbeitgebern angegeben hat: Sie kann sich vage erinnern, dass vor 16 oder 17 Jahren als Becky ihren Peinigern entkommen konnte. Wenn sie es noch richtig weiß, hießen sie Joe und Desiree Atkins. Sie hielten sie in einer Erdhöhle im Wald gefangen und überwachten sie mit einer versteckten Kamera. Desiree machte sich einen Spaß daraus, sie zu quälen und zu foltern, ganz egal, wie sie als ihre Sklavin schuftete. Eines Tages überlistete sie Joe und flüchtete. Was aus Joe und Desiree wurde, weiß sie nicht.

Als sie von ihrer Nachtschicht als Security in einer Gated Community zurückkehrt, findet sie das Türschloss zu ihrer Wohnung ausgetauscht vor, ein Vorhängeschloss versperrt ihr den Zugang. Mit einem Trick verschafft sie sich von einem Kollegen den Generalschlüssel und kann ausziehen. Das neue Zimmer ist eine Bruchbude, muss aber im Voraus bezahlt werden. Als sie im Hof ein Sandwich verzehrt, hört sie Schreie – nur sie. Gleich darauf läuft eine junge Frau aus Ken Haustür auf den Hof, verfolgt von einem wütend aussehenden Typen, der seinen Gürtel wie ein Peitsche schwingt. Ken Buckley ist allen als krimineller Drogendealer bekannt und gefürchtet.

Statt ihm wie alle anderen Hausbewohner aus dem Weg zu gehen, schlägt El ihn zusammen. Als er eine Pistole zieht, schlägt sie ihn bewusstlos. Sie zieht mit Rosa, dem Mädchen aus und steckt Rosa ins Frauenhaus, das sie selbst bestens kennt. Nachdem sie ihre Miete zurückbekommen hat, verlässt sie diesen Ort. Schon bald werden die Cops aufkreuzen, aber sie will auf keinen Fall wieder in den Knast. Sie ahnt nicht, dass sie sich einen Todfeind geschaffen hat.

Atlee Pine

Auf ihrer langen Suche nach ihrer entführten Schwester Mercy (s.o.) ist es FBI-Agentin Atlee „Lee“ Pine gelungen, die neuen Pflegeeltern Mercy ausfindig zu machen: Leonard Atkins und seine Frau Wanda. Sie leben in einem bescheidenen Heim, weil ihnen Ito Vincenzo monatlich 500 Dollar überwiesen hat. Sie sind beide krank und brauchen das Geld für Medikamente, aber nach Itos Tod fließt es nicht mehr. Atlee will von den Atkins nur die Adresse von Desiree, ihrer Schwiegertochter. Indem sie heimlich filmt, wie Wanda die Telefonnummer in ihr Tastentelefon eintippt, bekommt sie auch die Adresse heraus: Asheville, North Carolina.

Desiree nennt sich jetzt ganz anders und führt einen Alden für Okkultes. Aber dort wohnt sie nicht, sondern in einer feinen Villa, die abgelegen liegt. Wie kann sie sich diese noble Hütte nur leisten, fragt sich Atlee, aber ihre Assistentin Carol Blum weiß auch keine Antwort. Nachts steigt Atlee in das Haus ein, das verlassen erscheint. Alles ist tipptopp aufgeräumt, als hätten die Heinzelmännchen eifrige Dienste geleistet. Im Keller stößt sie auf einen Verschlag in dem ein ängstliches Mädchen eingesperrt ist. Sie ist Desirees Sklavin, die alles sauber hält. Sie befreit sie und verständigt die örtliche Polizei. Da öffnet sich die Tür und Desiree hält ihr einen Revolver unter die Nase…

Buckley

Als Peter Buckley von dem „Unfall“ seines Bruders Ken erfährt, besucht er ihn im Krankenhaus. Doch was die Ärzte schon befürchtet haben, tritt ein: Ein Hirnaneurysma beendet Kens Leben vorzeitig. Peter hat bislang Kens Gegnerin nur Vergeltung geschworen, doch nun ist klar, dass sie sterben muss. So lautet das Gesetz, das ihm sein Vater, der Patriarch der Sekte, vorgelebt hat. Erst die Bundespolizei bereitete der Existenz dieser stolzen Religionsgemeinschaft ein blutiges Ende, dem Peter und seine Geschwister entkommen konnten. Ihr Vater starb im Gefängnis, nachdem ihn seine Frau, Peters Mutter, verraten hatte. Frauen sind doch alle niedere Kreaturen und des Satans. Genau wie diese El Cain.

Asheville

Ohne zu ahnen, dass ihre Schwester Atlee im gleichen Hotel wie sie selbst abgestiegen ist, macht sich El Cain alias Becky Atkins auf die Suche nach Desiree, ihrer bösen Stiefmutter. Als sie im Fernseher der bar des Hotels sieht, dass sie selbst anhand eines Video-Screenshots gesucht wird, verschluckt sie sich an ihrem Bier. Wie immer ist ihre erste Reaktion Panik, bevor sie ihrem Fluchtinstinkt gehorcht.

Sie kann anhand von Wandas Auskünften Desirees Laden ausfindig machen, doch hier wimmelt es von Polizei. Ein Cop murmelt etwas von Drogen, und den Rest kann sich El zusammenreimen: Desiree ist zu Geld gekommen. Indem sie mit Drogen handelte oder sie selbst herstellte. Für eine Methküche braucht man nicht viel an Zutaten. Aber sie muss Desiree unbedingt wiedersehen, um mehr über ihre Vergangenheit zu erfahren.

Seit Jahren wird sie von Träumen heimgesucht, in denen sie gebrandmarkt wird. Und sie erinnert sich an eine Szene, in der ihre Mutter nach einem Mädchen ruft, das in einen Baum geklettert ist. Becky – oder wer auch immer sie damals war – beruhigt ihre Mutter und nennt ihre Schwester „Lee“. Sie findet sie Desiree im Knast. Desiree ist gehässig wie immer und verrät nichts. Nur, dass ein Anwalt sie rausholen werde. Gleich darauf entdeckt El einen solchen Rechtsverdreher auf dem Gang, wie er zu Desiree vorgelassen werden will.

Sie hat einen Einfall und wartet, bis der teuer aussehende Anwalt herauskommt und in seinen Cadillac steigt. Sie folgt ihm unauffällig zu einer Villa am Stadtrand. Von der Rückseite des weitläufigen Grundstücks kann El sehen, wie der Anwalt mit einem gut betucht aussehenden Mann redet, der ans Fenster kommt. Als sie abends einzubrechen versucht, sind schon alle wieder ausgeflogen. Als sie durch Eingangstür ihres Hotels tritt, begegnet ihr eine Frau, die ihr irgendwie vertraut vorkommt…

Stunden später

Nach der ersten Aussprache mit ihrer Schwester, die jetzt erfährt, dass sie „Mercy Pine“ heißt, geht Atlee an die Tür ihres Hotelzimmers und starrt in die Mündung eines Revolvers. „Mitkommen!“ befehlen die zwei stark aussehenden Typen und entführen sie mit einem Auto. Für Atlee ist klar, dass hier eine Verwechslung vorliegt: Sie wird für ihre Zwillingsschwester gehalten. Aber wer will sie unbedingt sie entführen und was hat er mit ihr vor?

Kaum hat Mercy sie ihre Schwester wiedergefunden, verschwindet diese auch schon wieder. Sie folgt ihr, nicht ahnend, dass sie in eine hinterlistig ausgelegte Falle tappt…

Mein Eindruck

Atlee findet endlich ihre Schwester wieder. Man könnte zu recht erwarten, dass dies ein tränenreicher Moment ist. Doch der Autor unterläuft solche Erwartungen, und die Leser können die bereitgelegten Taschentücher für die Schlussszene aufheben. Denn Mercy Pine alias Rebecca Atkins alias Eloise Cain, wie sie sich jetzt nennt, ist keineswegs scharf darauf, mit dem FBI oder anderen Cops nähere Bekanntschaft zu schließen. Auch vom Reichtum ihrer gut betuchten Schwester, die mittlerweile von ihrem leiblichen Vater Jack Lineberry zur Erbin eingesetzt worden ist, hält El wenig: Sie ackert lieber in Kreisen der prekären Aushilfsjobber. Und wenn ihr einer blöd kommt, gibt’s was auf die Fresse.

Wolfskind

El muss man respektieren. Wer hätte gedacht, das diesem gequälten Wolfskind, das in einer Erdhöhle aufwuchs, einmal eine gewiefte Geschäftsfrau würde? In der Schilderung ihres Werdegangs macht der Autor ein wenig Werbung für Leihbibliotheken und die dort tätigen Bibliothekare sowie den üblicherweise installierten Internetzugang. Er ist ebenso für die Alphabetisierung der Jugend tätig wie sein ebenso erfolgreicher Landsmann James Patterson. Ohne sie, so der Verdacht, würde amerikanische Kinder nur noch auf Tastaturen von Smartphones herumhacken oder auf Tablet Webseiten wegwischen. Die Education Gap würde sich weiter auftun, mit der Folge, dass Bildung und damit Macht den finanziell gut ausgestatteten Angehörigen der Oberschicht vorbehalten wäre.

Patriarchen

An dieser Stelle kommt der Selfmademan Peter Buckley ins Spiel, der Spross einer Sippe von Outlaws. Seine Gegner benutzen immer wieder den Namen David Koresh, um seinen Vater zu bezeichnen. David Koresh war der Sektenführer in Waco, Texas, der vom FBI & Co. erschossen wurde. Koresh ist die Vorlage für patriarchale Sektenführer.

Peter Buckley hatte null Bildungs- und Aufstiegschancen – siehe seinen missratenen Bruder Ken, der von El Cain zu Boden geschickt wird. Er stieg auf, weil es skrupelloser und gewalttätiger, aber auch besser vernetzt war als die Sprösslinge der Machtelite. Er ist reich genug, sich eine private Auftragskillerin namens Britt Spector zu leisten. Mit diesem Werkzeug ist er endlich in der Lage, Gegner, die sein Netzwerk aufspürt, auszuschalten.

Britt ist jedoch ziemlich befremdet, als Peter sein wahres Gesicht zeigt: das des Patriarchats, das von seinem ermordeten Vater verkörpert worden war. Er ahnt es nicht, doch Britts Vater war ebenfalls gewalttätig und missbrauchte sie, während ihr ihre Mutter die kalte Schulter zeigte. Als El Cain auftaucht und exakt das gleiche Schicksal vorzuweisen hat, gerät Britt in einen moralischen Zwiespalt. Es braucht nur noch die Überredungskunst von Carol Blum, um aus einer Killerin eine Freundin zu machen, hofft der Leser.

Im Fight-Käfig

Buckleys Plan ist einfach, aber denkbar perfide. Er lässt die beiden gefangenen Schwester gegeneinander antreten. Der Fight Käfig steht in einer Festung, die er nach dem Vorbild seines Vaters wiederaufgebaut hat. Symbole über Symbole: Buckley dreht die Uhr zurück und kehrt zum gewalttätigen Patriarchat zurück, in dem Mädchen und Frauen rechtlos waren und sexuell ausgebeutet wurden. Nun kommt es für die beiden Schwestern darauf an, genügend Solidarität füreinander aufzubringen, um Buckleys fiesen Plan durchkreuzen zu können.

Die Übersetzung

An Norbert Jakobers Übersetzung gibt es nichts auszusetzen. Auch Fehler konnte ich keine entdecken. Eine fehlerlose Übersetzung ist schon ziemlich bemerkenswert.

Unterm Strich

Auch diesen Abschlussband der Atlee-Pine-Serie habe ich in zwei Tagen gelesen. Ich erwartete ein paar rührselige Wiedersehensszenen zwischen den zwei lange getrennten Schwestern, aber das trat nicht ein. Das Familien- und Geschwisterdrama, das die Serie von Anfang begleitet hat, tritt jetzt zwar endgültig in den Vordergrund, aber El Cain ist eine derart taffe Frau, dass ihr Tränen echt schwerfallen. Die fließen eher aus Atlees Seite. Beide müssen mit vielen Aspekten ihres Lebens zurechtkommen, besonders mit der Frage, warum ihre gemeinsame sie im Stich gelassen hat. Und dass ihr leiblicher Vater Jack Lineberry so einen lausigen Job gemacht hat. Diese Fragen werden erst ganz am Schluss beantwortet. Auf diese Weise bleibt der Spannungsbogen bis zum Buchende erhalten.

Die beiden Schwestern gegeneinander antreten zu lassen, ist ein ebenso fieser wie genialer Einfall. Da haben sie es in ihrer jeweiligen Liga zu taffen, erfolgreichen Frauen gebracht, und dann sollen sie sich auf Geheiß eines Patriarchen gegenseitig fertigmachen. Und eine dritte Frau soll sogar noch die Schiedsrichterin spielen, die über Leben und Tod entscheidet. Symbolischer geht’s kaum noch. Doch zum Glück kommt es erstens anders und zweitens als frau denkt.

Finaler Shootout

Der Hauptteil des Buches mündet in eine regelrechte Schlacht zwischen Frauen auf der einen Seite und Männern auf der anderen Seite. Das klingt etwas schematisch, aber man sollte berücksichtigen, dass besagte Frauen ausgelöscht werden, wenn sie nicht ebenso stark sein können wie die fiesen Kerle um Buckley. Solidarität wird zwischen den Frauen groß geschrieben, denn sie sind nur hier, um Carol Blum zu befreien. Die Männer sind hingegen nur angeheuerte Söldner und geben keineswegs hundert Prozent. Mit einem Sieg der Frauen wäre der Wert von Solidarität und Loyalität bewiesen.

Wie die Sache ausgeht, darf hier nicht verraten werden. Aber dass die Schlacht in Idaho stattfindet, passt zum real existierenden Hintergrund: Dort gibt es in den großen Wäldern viele Aussteiger-Communitys und Sekten. Sogar einer von Greg Bears Zukunftsromanen spielt in dieser Region. Die Familie der Pines ist hierzu das positive Gegenbild: Obwohl die Pines ebenfalls eine Patchwork-Community bilden, halten sie doch zusammen wie Pech und Schwefel, allerdings erst jetzt – die Vergangenheit vor 20 oder 30 Jahren sah ganz anders aus. Taschentuch-Alarm!

Gebunden: 480 Seiten.
O-Titel: Mercy, 2021
Aus dem Englischen von Norbert Jakober
ISBN-13: 9783453274006

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)