Die drei ??? und das Tuch der Toten (Band 171)

Zur Story

Der Wanderausflug ins benachbarte Sycamore Valley verläuft zunächst auch wie ein solcher. Die drei ??? lassen die Seele baumeln, besuchen ein Heimatmuseum in Hidden Hills und erkunden die Gegend um das mysteriöse Whisper Valley, in welchem dem Mythos nach die Geister der Verbrecherbrüder Carlson, die vor etwa 200 Jahren nach einem Shootout mit dem Sheriff spurlos in den Wäldern verschwanden, gelegentlich flüsternd zu hören sein sollen. Tatsächlich raunt dort im Unterholz irgendwer vernehmlich. Allerdings stellt sich der vermeintliche Geist als der Mexikaner Guillermo heraus, der vorm leise brabbelnden Radio eingenickt ist. Guillermo gehört als Helfer zu einem Forschungsteam, welches sich in der Gegend aufhält, um Überreste eines verschollenen Volksstammes von prähistorischen Menschen zu finden. Den ältesten nordamerikanischen Ureinwohnern – aufgrund ihrer markanten Kopfform auch „Pferdemenschen“ genannt.

Leiterin ist Grace Powell, Anthropologie-Professorin an der Universität von Los Angeles, die hier mit Guillermo sowie ihrem Assistenten Stanley Morgan seit zwei Jahren nach angeblichen Höhlenmensch-Leichnamen sucht, welche der alte Pastor von Hidden Hills, Hoverman, vor gut hundert Jahren in seinem Tagebuch beschrieb und deren Fundort er mit einem Rätsel verschlüsselte. Die Zeit drängt, wenn Grace nicht bald greifbare Ergebnisse vorweisen kann, werden ihr die Mittel gestrichen und sie muss ihre – wie sie hofft – bahnbrechende Forschung aufgeben. Erschwerend kommt hinzu, dass das Nervenkostüm aller derzeit auch anderweitig schwer angeschlagen ist: Auch wenn’s keiner der drei gern zugibt, so hat jeder von ihnen mindestens einmal bereits eine seltsame Gestalt im Wald herumstreifen sehen, die verdammte Ähnlichkeit mit den gesuchten Pferdemenschen hat. Die drei ??? bieten ihre Dienste an herauszufinden, was es mit der seltsamen Erscheinung auf sich hat und auch Hovermans Tagebuch zu enträtseln.

Eindrücke

Der Einband erinnert irgendwie an den „Schrecken aus dem Moor“, der übrigens auch von Marco Sonnleitner stammt und zudem eine gewisse Ähnlichkeit zumindest beim Grundthema aufweist. Museen spielen beispielsweise hüben wie drüben ebenfalls eine wichtige Rolle. Nur diesmal ist es keine Moorleiche aus dem australischen Outback, die angeblich quietschfidel umher wandelt, sondern ein prähistorischer Mensch. Das wiederum ist so neu auch nicht, man beachte die Parallelen zum Fall „Höhlenmensch“ aus grauer Vorzeit der Serie. Es wird nach inzwischen über 170 Bänden offenbar immer schwerer sich originelle Settings auszudenken, ohne in Verruf zu geraten sich Versatzstücke anderer Autoren und/oder Geschichten anzueignen. Die Kombination klassischer Elemente kann aber auch Vorteile haben, sofern die Mischung mit ein paar frischen Ideen passt und die Handlung schlüssig und spannend abläuft. Das kann man durchaus behaupten und mit der einen oder anderen Überraschung kann der Plot auch aufwarten. Nach kurzer Zeit schwenkt der Fall nämlich in eine komplett andere Richtung, als das Vorgeplänkel erahnen lässt.

Der vergleichsweise aufreißerische Titel ist ohnehin Augenwischerei und scheinbar nur dazu da, das Buch im Regal interessanter dastehen zu lassen und Leser anzulocken. Das Tuch, welches die Pferdemenschen angeblich bekleidete und somit auch deren angeblichen Mumien, hat nur einen kurzen und relativ unwichtigen Gastauftritt. Streng genommen zu kurz und unwichtig um daraus eine griffige Bezeichnung für den Fall abzuleiten – doch Marketing ist und bleibt eben Marketing. Wie gesagt, ändert sich die Story ohnehin. Weg von den anfänglichen Erscheinungen im Wald hin zu einem handfesten Kriminalfall, bei dem Justus nach langer Zeit auch mal wieder sein Motorrad einsetzen darf – in der Biker/Rocker-Szene. Hier sträubt sich des Biker-Herz des Rezensenten ob der verwendeten Sprache, die vor extrem klischeehaftem „Ey, Mann!“ & Co. nur so strotzt. Soll man als passionierter Motorradfahrer nun beleidigt sein? Sei’s drum. Die angepeilte Zielgruppe wird die ziemlich stereotype Ausgestaltung der bikenden Zunft kaum jucken – und der radelnde Rezensent (er)trägts mit Würde.

Fazit

Wieder mal ein Fall, dessen Titel ziemlich irreführend daherkommt, da er zur eigentlichen Handlung nur sehr wenig Bezug hat. Der Etikettenschwindel hat durchaus zwei Seiten. Obwohl man geneigt ist, ob der erprobten – aber nichtsdestoweniger oftmals verfluchten – Marketingmasche reflexartig einen missmutigen Flunsch zu ziehen, hat der abrupte Richtungswechsel des Plots auch etwas Positives, da er andererseits ein willkommenes Überraschungsmoment generiert. So fällt die Bewertung der Geschichte dann auch recht zwiegespalten aus. Wären da nicht ein paar Holprigkeiten in Sachen Plausibilität und Handlungsbogen sowie das eine oder andere Klischee zu viel, könnte sich „Das Tuch der Toten“ durchaus besser positionieren, als im stabilen Mittelfeld. So jedenfalls geht der waagerecht ausgestreckte Rezensentendaumen nahtlos-solidarisch in den Motorradfahrergruß über.

142 Seiten, Hardcover
Erzählt von Marco Sonnleitner basierend auf den Figuren von Robert Arthur
© 2013 – Franckh-Kosmos, Stuttgart
Redaktion: Anja Herre
ISBN 9783440135829

www.kosmos.de

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