Lockwood Co.:
Band 1: „Die seufzende Wendeltreppe“
Seit Jahrzehnten wird England von einer Geisterplage heimgesucht, deren Ursache niemand kennt. Und weil Erwachsene Geister nicht wahrnehmen können, sind es die Kinder und Jugendlichen, die den Kampf gegen die nächtlichen Schrecken aufnehmen. So auch die fünfzehnjährige Lucy Carlyle, die sich aufgrund ihrer besonderen Begabung eine gute Stellung bei einer der renommierten Agenturen Londons erhofft hat. Doch stattdessen landet sie bei der winzigen, unbekannten Agentur des Anthony Lockwood. Ein echter Glücksgriff … zumindest, wenn man es aus der entsprechenden Perspektive betrachtet …!
Lucy ist nicht unbedingt tough, aber sie läßt sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen. Natürlich hat sie nach acht Jahren als Agentin auch einiges an Erfahrung, und sie verfügt über einen ziemlich sicheren Instinkt. Und wie alle Mädchen hat sie etwas dagegen, wenn man sie unter der Kategorie „schwaches Geschlecht“ einordnet.
Anthony Lockwood ist ein gutaussehender junger Draufgänger mit Charme und Charisma sowie einer gehörigen Portion Ehrgeiz. Seine Familie allerdings scheint ein wunder Punkt zu sein, denn darüber spricht er nicht.
George Cubbins wiederum ist schroff, eher unansehnlich und noch dazu schlampig und hat eine Vorliebe für Donuts. Aber er verfügt über einen scharfen Verstand mit dem richtigen Riecher dafür, wo man nach etwas suchen muss. Obwohl er vorwiegend für die Recherche zuständig ist, ist er auch für den praktischen Einsatz qualifiziert.
Das mag nicht die tiefschürfendste aller Charakterzeichnungen sein, und auch nicht die außergewöhnlichste. Trotzdem ist die Darstellung des Trios ausgesprochen liebenswert geraten. Ihrem Geplänkel untereinander zuzuhören, ist stets unterhaltsam, ob sie sich nun zoffen oder nur necken.
Auch die Idee des Plots fand ich interessant, wobei der bisher noch gar nicht wirklich angefangen hat. Die Frage nach der Ursache der Geisterplage wurde bisher noch so gut wie ausgespart, von der Lösung des Problems ganz zu schweigen. Statt dessen dürfte dieser Aspekt den roten Faden für die Fortsetzungen bilden. Das schadet aber nichts, denn die Symptombekämpfung ist allemal spannend genug. Der Autor trödelt auch nicht lange herum damit. Gleich zu Beginn der Geschichte stehen Lockwood und Lucy vor einem Haus, dessen Spuk ihnen gehörig zu schaffen machen wird, und zwar das gesamte Buch über. Dabei wird der Leser mit den üblichen Spukbekämpfungsmitteln und -methoden vertraut gemacht wie Eisenketten, silbernen Degen, dem Aufspüren von Spukquellen und dem Bannen derselben.
Gleichzeitig ist der Leser auch mit einem Rätsel konfrontiert. Denn Lucy hat – durch ihre besondere Gabe des Hörens – herausgefunden, dass der Spuk eine enge Beziehung zu seinem Mörder hatte. Und so ist die Gruppe nicht nur damit beschäftigt, den Spuk als solchen zu beenden, sondern auch damit, eine Antwort auf die Frage nach der Identität des Mörders zu finden. Schließlich ist das alles noch nicht so lange her, dass der Mörder bereits nicht mehr am Leben sein könnte.
Natürlich ist es nicht so, dass die drei ihren Ermittlungen ungehindert nachgehen könnten! Bei einem so gravierenden, nationalen Problem wie der Geisterplage kommt die Welt selbstverständlich nicht ohne eine entsprechende Behörde aus! Und wie es sich gehört, machen Behörden zunächst einmal nichts als Ärger.
Um dem Ganzen noch eins draufzusetzen, hat Lockwood offenbar auch persönliche Feinde. Ein gewisser Quill Kipps ist dafür zuständig, provokant und lästig zu sein, aber auch für die zu große Klappe. Woher genau Kipps‘ und Lockwoods Feindschaft stammt, fällt vorerst noch unter die Kategorie „Geheimnis für Später“, doch die Szene in der Bibliothek war auch so unschlagbar, nicht zuletzt wegen Georges trockener, ungerührter Kommentare.
All diese Details sorgen dafür, dass es dem Leser bis zum Showdown nicht langweilig wird. Und der hat es dann auch wirklich in sich! Spannend, ein wenig gruselig, temporeich und mitreißend erzählt. Wen stört da noch die Frage, warum in aller Welt jemand beim Wiederaufbau des niedergebrannten Klosters diesen besonderen Geheimgang angelegt hat? Nicht einmal die Tatsache, dass ich spätestens ab der Zugfahrt ahnte, wer der Mörder war, konnte dem noch Abbruch tun.
Das einzige, was mir wirklich nicht zusagte, war die Hörprobe auf der vom Verlag zusätzlich beigefügten CD. Die Sprecherin Judith Hoersch liest zu sehr und spricht zu wenig. Durch diesen Mangel an pointierter Betonung geht viel von Lucys Temperament und Ausstrahlung verloren.
Unterm Strich fand ich diesen gedruckten Einstieg in Jonathan Strouds neuen Zyklus rundum gelungen. Die Charaktere sind sympathisch und ideale Sympathieträger für Jugendliche, die Geschichte bietet wunderbar unheimliches Flair, eine Fülle von Ideen, eine intelligente Geschichte ohne Logikfehler, dafür mit einer Menge Abwechslung und einen roten Faden mit viel Potenzial für die Fortsetzungen. Ich hatte ungeheuren Spaß beim Lesen. So sollten alle Jugendbücher sein. Ich bin jetzt schon gespannt auf die Fortsetzung.
Jonathan Stroud ist Brite und schrieb schon als Kind Geschichten. Nach einem Universitätsabschluss in Englischer Literatur arbeitete er zunächst als Lektor und schrieb nebenher weiter. Inzwischen ist er seit zwölf Jahren hauptberuflich Schriftsteller. Sein größter Erfolg bisher war seine Serie Bartimäus, außerdem stammen aus seiner Feder „Die Eisfestung“, „Valley – Tal der Wächter“, „Spur ins Schattenland“ und weitere. Zur Zeit schreibt der Autor am zweiten Teil seines neuen Zyklus.
Gebundene Ausgabe 427 Seiten
Originaltitel Lockwood & Co. – The Screaming Staircase
Deutsch von Katharina Orgaß und Gerald Jung
ISBN-13: 978-3570156179
www.jonathanstroud.com
www.randomhousechildrens.co.uk/lockwood
www.randomhouse.de/cbjugendbuch
Der Autor vergibt: