Ein Klon, aber doch kein Spider-Man!
Sind menschliche Klone irgendwelche Monster, die zu Spezialzwecken gezüchtet werden? Dass Klone auch Menschen wie du und ich sein können, macht Eschbach in diesem Jugendroman deutlich. In einer fesselnden, humorvollen und anrührenden Geschichte berührt er Fragen, die nach dem fragen, was uns zu Menschen macht und worin eigentlich das Verbrechen des Klonens bestehen soll.
Der Autor
Andreas Eschbach, Jahrgang 1959, kennt man hierzulande besonders wegen seines Thrillers „Das Jesus-Video“. Seine Jugendbücher wie „Kelwitts Stern“ oder „Das Marsprojekt“ gilt es noch zu entdecken. Auch „Perfect Copy. Die zweite Schöpfung“ richtet sich an ein junges Publikum ab etwa 16 Jahren.
Handlung
In Wolfgang Wedebergs Klasse grassiert seit Wochen das so genannte Klonfieber, und es geht dem sechzehnjährigen Schüler schwer auf den Geist. Ein kubanischer Wissenschaftler hat zugegeben, vor 16 Jahren zusammen mit einem deutschen Mediziner einen Menschen geklont zu haben. Das Medienecho ist denkbar groß. Nun sucht alle Welt nach diesem Klon, der ungefähr in Wolfgangs Alter sein müsste.
Und Wolfgangs Vater, der gestrenge Chefarzt der Kurklinik in den Tiefen des Schwarzwalds, hat den Kubaner, so findet Wolfgang per Zufall heraus, zur fraglichen Zeit gekannt: Es existieren nämlich Urlaubsfotos von Wolfgangs Mutter vor der berühmten Festung von Havanna. Bis dahin hatte Wolfgang immer geglaubt, das Foto stamme von der Hochzeitsreise seiner Eltern durch Spanien.
Als jedoch eine große Boulevardzeitung mit Wolfgangs Foto und der Schlagzeile „Ist das der deutsche Klon?“ auf der Titelseite erscheint, ist in dem idyllischen Kurstädtchen die Hölle los – und Wolfgangs Leben wird auf den Kopf gestellt. Ist er wirklich ein Monstrum, ein Freak?
Mein Eindruck
Das Buch lässt sich leicht in einem Tag lesen, und doch hinterlässt es einen bleibenden Eindruck – ein Zeichen für eine gut erzählte Geschichte. Wir identifizieren uns mit Wolfgang, dem Helden der Geschichte, und seinem bemerkenswerten Schicksal und sind dann froh, wenn alles überstanden ist.
Anhand der Inhaltsangabe merkt ihr schon, dass dies keineswegs eine weitere Super- oder Spiderman-Geschichte ist. Wolfgang ist ein ganz normaler junger Mann, mit allen Komplexen und Zweifeln, besonders gegenüber dem schönen Geschlecht.
Wolfgang dachte immer, er sei wie alle anderen, nur dass er mehr Cello üben müsse als die anderen. Sein Vater bestand darauf, dass er Talent habe; aber warum glaubte dieser das? Zunehmend erkennt Wolfgang, dass es ihm überhaupt keinen Spaß macht, dieses Instrument zu spielen, und dass er keineswegs ein Genie ist. Was sein Vater nicht einsehen will: Es liegt keineswegs an den Genen, wenn aus Wolfgang kein Cello-Genie wird.
Was Eschbach subtil damit sagen will: Gene sind nicht alles, was einen Menschen ausmacht, selbst wenn es sich dabei um einen Klon handelt (und Wolfgang ist, wie sich als Pointe zeigt, doch ein Klon). Und damit sind wir wieder bei der uralten Frage, ob das Leben eines Menschen stärker von seinem Erbgut, also von Mütterchen Natur, oder von der menschlichen Umgebung oder doch von seinem freien Willen bestimmt wird. Dem Determinismus erteilt der Autor mit Wolfgangs Schicksal eine klare Absage, so ungern das einige Leute hören mögen. Die Jungen, die dieses Buch lesen, werden die Botschaft umso lieber vernehmen.
Wolfgangs neue Freundin Svenja spielt bei Wolfgangs Ausbruch aus dem Gefängnis des Elternhauses eine entscheidende Rolle. Die Liebe zu Svenja und die Erkenntnis, dass er das Cellospielen überhaupt nicht liebt, führen Wolfgang zu ganz neuen Horizonten der Erfahrung und Erkenntnis.
Natürlich gehört es sich, dass auch dieser wissenschaftlich fundierte Thriller eine Art Showdown hat. Doch das ist eher Nebensache. Im Mittelpunkt stehen die menschlichen Aspekte. Und so lernen wir auch die Gründe kennen, die Wolfgangs Vater dazu bewogen, einen Sohn zu töten und einen Klon zu schaffen …
Unterm Strich
Obwohl sich das Buch formal an einen Thriller anlehnt, handelt es sich doch eher um die anrührend erzählte Geschichte einer Selbstentdeckung, nämlich die des Klons: der Horror sozusagen aus dem Blickwinkel des Betroffenen. Und das sorgt dann doch für einige positive Überraschungen.
Wer allerdings Action am laufenden Band und literweise Blut sucht, wird hier kaum fündig und sollte sich anderen Genres zuwenden.
Taschenbuch: 248 Seiten
Auflage: Juli 2004
Arena-Verlag