Beatrix Gurian – Prinzentod

Dass verbotene Liebe unschöne Konsequenzen haben kann, weiß man spätestens seit Shakespeares „Romeo und Julia“. Diese Erfahrung muss auch Lissie machen, die Heldin in Beatrix Gurians Thriller „Prinzentod“.

Lissie lebt in München und soll nun zu ihrer Freundin Bernadette ziehen, da ihr Vater, ein Koch, für längere Zeit mit einem Kreuzfahrtschiff unterwegs ist. Bernadette hat eine eigene Wohnung im Haus ihrer Eltern, so dass die beiden Mädchen ihre Ruhe vor den Erwachsenen haben. Oder besser gesagt: haben sollten. Bereits bei ihrem Einzug läuft Lissie Kai, Bernadettes Stiefvater, über den Weg und es kommt zu einem verhängnisvollen Kuss zwischen Umzugskartons. Obwohl Kai deutlich älter als Lissie ist, verlieben sich die beiden ineinander, und bald wird mehr aus den romantischen E-Mails, die er ihr schreibt.

Die beiden beginnen sich zu treffen, immer darauf bedacht, ihre Beziehung geheimzuhalten. Lissie belastet dies sehr, da Brigitte, Bernadettes Mutter, sehr freundlich zu ihr ist und sie gegen eine winzige Miete in dem Haus wohnen lässt. Lissie beschließt, dem Ganzen ein Ende zu setzen und macht nach einem Streit mit Kai Schluss – mit ungeahnten Folgen. Am nächsten Tag ist Kai verschwunden, und als sie in ihr Liebesnest zurückkehrt, findet sie ihn dort tot auf.

Als ob das noch nicht genug wäre, beginnt ein Unbekannter ein perfides Spiel mit dem Mädchen: Er schickt ihr Bilder, auf denen sie mit Kai zu sehen ist, verfolgt sie, ängstigt sie, sabotiert sogar ihr Fahrrad. Lissie ist verzweifelt. Sie kann mit niemandem darüber reden, weil dies bedeuten würde, ihre Beziehung mit Kai preisgeben zu müssen. Sie spürt, dass der Täter in ihrem Umfeld zu suchen ist, doch wer kann es sein? Jeder in dem Haus, in dem sie wohnt, hätte ein Motiv: Brigitte als gehörnte Ehefrau, Bernadettes Bruder Nico, ihr Ex, weil sie ihm das Herz gebrochen hat, Vio, Bernadettes verrückte Schwester, oder vielleicht sogar Bernadette selbst? Lissie beginnt mit Nachforschungen, die für sie beinahe tödlich enden …

Trotz des märchenhaften Titels geht es in „Prinzentod“ ganz schön zur Sache. Beatrix Gurian schreibt jugendgerecht und macht dennoch keinen Halt vor Intrigen, Hass und sogar Mord. Das ist gut, denn dadurch wirkt das Buch sehr handfest und wird richtig spannend. Leider liegt diese Spannung nicht immer auf hohem Niveau, aber phasenweise kann man das Buch tatsächlich nicht aus der Hand legen. Die Autorin baut in den Alltag eines jungen Mädchens eine sehr authentisch wirkende Geschichte ein, deren Anfang leider ein wenig kränkelt. Gerade die Beziehung zu Kai wird etwas zu oberflächlich dargestellt und zu voreilig abgehandelt, obwohl sie einen wichtigen Platz einnimmt. Immerhin ist sie Schuld an der ganzen Misere, doch leider wird dem Leser nicht ganz klar, was Kai wirklich für Lissie bedeutet.

Das hängt auch mit der Personenzeichnung zusammen, die ein wenig oberflächlich erscheint. Lissie und Co. unterscheiden sich kaum von Charakteren anderer Jugendbücher, obwohl die Gedanken und Gefühle der aus der ersten Person erzählenden Protagonistin sehr viel Platz einnehmen. Leider gelingt es der Autorin aber nicht, ihren Figuren genügend Ecken und Kanten zu verpassen und diese entsprechend darzustellen. Das Ensemble wirkt austauschbar, auch wenn die Figuren lebensnah gezeichnet sind.

Lob verdient Gurians Schreibstil, der flüssig und anschaulich aus Lissies Perspektive erzählt. Gurian wählt dazu einen zeitlosen Ton und verzichtet auf den Einsatz von Jugendsprache, weshalb das Buch ebenso gut von Erwachsenen gelesen werden kann. Die Autorin schafft es dabei, eine Brücke zwischen der jugendlichen Gedankenwelt und einer nüchternen, sachlichen Sprache zu schlagen. Sie versucht nicht, sich jugendlich zu geben, sondern bietet denen, die auf dem Weg zum Erwachsenendasein sind, eine Geschichte, die gleichzeitig ihr Leben reflektiert und herausfordert.

„Prinzentod“ ist nicht das einzige Buch mit einem märchenhaften Titel und einer eiskalt-spannenden Handlung. Im |Arena|-Verlag gibt es eine ganze Reihe solcher Bücher, unter anderem von namhaften Autorinnen wie Krystyna Kuhn. Die Idee für diese Reihe ist keine schlechte, schließlich wachsen Jugendliche aus der Phase, in der sie sich für seichte, romantische Literatur oder Pferdebücher interessieren, heraus. „Prinzentod“ bietet einen guten Übergang zwischen solchen Büchern und „echter“ Erwachsenenliteratur. Spannend erzählt, aber dennoch jugendaffin – eine gelungene Mischung.

Taschenbuch: 240 Seiten
www.arena-verlag.de