Peter F. Hamilton – Die Boten des Unheils (Commonwealth-Saga 2)

„Die Boten des Unheils“ ist der zweite Band des Commonwealth-Zyklus von Peter F. Hamilton, der mit „Der Stern der Pandora“ begann.

Nachdem die Second Chance die Barriere im All rings um das Dyson Paar zum Einsturz gebracht hatte, wurde nur allzu deutlich, was sich dahinter verbarg – eine außerirdische Spezies, der das Konzept der menschlichen Individualität völlig fremd ist … und die nur eines will: zerstören. Sie bricht über die Menschheit herein, die auf vieles vorbereitet ist, nur nicht auf einen Krieg.

Und inmitten der Gewalt und Zerstörung stellen sich der Menschheit zwei existenzielle Fragen: Existiert das mysteriöse Wesen namens Starflyer wirklich, wie es Bradley Johannson schon so lange behauptet? Und versucht es tatsächlich schon seit Urzeiten, die Menschheit zu vernichten? (Verlagsinfo)

Die Expedition des Raumschiffs Second Chance zu dem fernen Dyson-Sternpaar endet in einer Katastrophe: Kaum eingetroffen, bricht die unerklärliche Barriere um das Sternensystem zusammen und die Crew wird von aggressiven Aliens attackiert. Bei der überstürzten Flucht bleiben zwei Besatzungsmitglieder zurück. (Birke)

Der Autor

Peter F. Hamilton, am 2. März 1960 im kleinsten englischen Verwaltungsbezirk Rutland geboren, wo er heute noch lebt, ist ein Senkrechtstarter im Feld der Science-Fiction. Erst ab 1987, als er eigentlich am Fließband arbeitete, musste er sich nach einem Broterwerb umsehen, den er von zu Hause verrichten konnte, damit er seine erkrankte Mutter pflegen konnte. Bereits 1989 verkaufte er seine erste Story „Death Day“ und kündigte seinen ersten Roman an: „Mindstar Rising“. Der erschien denn auch 1993 bei |Pan Books|: „Mindstar: Die Spinne im Netz“ (1998). Es war der erste Band der „Mindstar“-Trilogie, in der 1994 „A Quantum Murder“ und 1995 „The Nano Flower“ (beide 1999 bei |Bastei Lübbe| erschienen) folgten.

Seinen wirklichen Durchbruch erzielte Hamilton mit seiner Space-Opera-Trilogie „Night’s Dawn“ – deutsch als „Armageddon-Zyklus“ ab 1999 veröffentlicht. Er wird heute als wichtiger Neuerer dieses Subgenres betrachtet. Danach folgte bislang der Actionroman „Fallen Dragon“, der bei uns als in zwei Bänden als „Der Drachentempel: Sternenträume“ und „Der Drachentempel: Drachenfeuer“ erschien. „Der Dieb der Zeit“ ist also in thematischer Hinsicht ein Ausreißer. Den hatte sich Hamilton vertraglich ausbedungen. Zu seinem Vorteil. „Dieb der Zeit“ belegt, dass Hamilton mehr kann als einen Actionromanwälzer nach dem anderen zu produzieren.

Der Armageddon-Zyklus (Night’s Dawn Trilogy)

Vol. 1: The Reality Dysfunction, 1996

Band 1: Die unbekannte Macht, Bastei Lübbe, 1999, ISBN 3-404-23221-6
Band 2: Fehlfunktion, Bastei Lübbe, 1999, ISBN 3-404-23222-4

Vol. 2: The Neutronium Alchemist, 1997

Band 3: Seelen-Gesänge, Bastei Lübbe, 2000, ISBN 3-404-23227-5
Band 4: Der Neutronium-Alchimist, Bastei Lübbe, 2000, ISBN 3-404-23228-3

Vol. 3: The Naked God, 1999

Band 5: Die Besessenen, Bastei Lübbe, 2001, ISBN 3-404-23233-X
Band 6: Der nackte Gott, Bastei Lübbe, 2001, ISBN 3-404-23234-8

Die Commonwealth-Saga

Vol. 1: Pandora’s Star, 2004

Band 1: Der Stern der Pandora, Bastei Lübbe, 2006, ISBN 3-404-23290-9
Band 2: Die Boten des Unheils, Bastei Lübbe, 2006, ISBN 3-404-23293-3

Vol. 2: Judas Unchained, 2005

Band 3: Der entfesselte Judas, Bastei Lübbe, 2006, ISBN 3-404-23330-1
Band 4: Die dunkle Festung, Bastei Lübbe, 2007, ISBN 3-404-23304-2

Handlung

Das Commonwealth nimmt die Nachrichten von der |Second Chance| mit Bestürzung auf. Weitere, besser bewaffnete Expeditionsschiffe werden geplant, ebenso nehmen erste Pläne zur Aufstellung einer Commonwealth Navy Gestalt an.

Doch die fremdartige außerirdische Spezies, der Individualität völlig fremd ist, hat sich des Wissens von Dudley Bose bemächtigt: Die Koordinaten der Zentralwelten des Commonwealth und Grundkenntnisse der Wurmlochtechnologie gestatten ihr, aus ihrem Sonnensystem heraus zu expandieren, was ihr zuvor aufgrund ihrer Besonderheiten verwehrt war. Ihr Credo lässt wenig Raum für Verständigung: Ein Universum, ein Leben.

Eine verheerende Invasion bricht mit beispielloser Schnelligkeit und Brutalität über das nur unzureichend vorbereitete Commonwealth herein. Die Spitze des Commonwealth plagt derweil die Schreckensvision einer Verschwörung gegen die Menschheit: Warum fiel die Barriere gerade in dem Moment, als die |Second Chance| in dem System eintraf? Wie konnte es passieren, dass zwei Besatzungsmitglieder zurückgelassen werden mussten?

Die junge Mellanie und Chefermittlerin Paula Myo finden noch zahllose weitere Hinweise für eine Verschwörung, die bis in die Spitzen der Regierung reicht, und die nur einen Schluss zulassen: Der außerirdische „Starflyer“, dessen Agenten laut der belächelten Theorie des gesuchten Fanatikers Bradley Johansson die Menschheit unterwandert haben, um sie zu vernichten, ist real!

Spannender Thriller und komplexe Space-Opera in einem

Wurden in „Der Stern der Pandora“ zahllose nicht klar erkennbare Nebenhandlungen breit getreten und der Leser langatmig in die Gesellschaft des Commonwealth eingeführt, erinnert „Die Boten des Unheils“ an Peter F. Hamiltons ältere [Mindstar-Romane]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?idbook=1669 um Greg Mandel: Thrillerelemente rund um die Verschwörung des „Starflyers“ prägen diesen Roman, mit der Ermittlerin Paula Myo und der etwas klischeehaften naiven Schönheit Mellanie in der Rolle der Schnüffler. Deutlich actionreicher als der Vorgänger präsentiert sich dieser Roman, auch die Cybersphäre der SIs (Sentient Intelligences) hat in diesem Roman eine tragendere Rolle, eine weitere Anlehnung an die Cyberpunk- und Actionthrillerlastige „Mindstar“-Serie.

Viele zuvor unklare und langweilige Handlungsstränge erhalten nun Sinn und Zusammenhang, sogar die im Vorgänger völlig zusammenhanglose Reise Ozzies auf den Pfaden der fremdartigen Silfen. Geschickt fügt Hamilton jedem Handlungsabschnitt Puzzleteile hinzu, die Verdachtungsmomente anregen und für Spannung sorgen. Ist Präsidentin Doi eine Marionette des Starflyers, wie Johansson behauptet? Deutet die Verlegung der Werftanlagen zum High Angel darauf hin, dass die Cybersphäre beziehungsweise die Sentient Intelligences die Menschheit auslöschen wollen? Wer manipuliert die Menschheit und die aufgrund ihrer Herkunft von Dyson Alpha 1 bald nur noch „Primes“ genannten Aliens?

Die klassische Space-Opera kommt auch nicht zu kurz: Die Primes entpuppen sich als eine einzige Wesenheit. Die geschichtliche Entwicklung und Evolution „MorningLightMountains“, einem „Immotilen“, das man sich als eine Art dezentralisiertes Gehirn mit zahllosen von ihm gesteuerten Ablegern, so genannten „Motilen“, vorstellen kann, ist das Highlight des Romans.

Von den primitiven Ursprüngen bis hin zur Gegenwart und der Begegnung mit den Raumfahrern der |Second Chance| wird dem Leser eine exotische Lebensform vorgestellt und gleichzeitig eine Begründung für ihr Verhalten geliefert: Das sozialdarwinistische und sehr dogmatische, ziemlich abgedroschene „Ein Universum, ein Leben“-Motto erklärt sich schlüssig aus der Geschichte der Primes, die sich beständig erbarmungslos bekriegten, bis nur noch MorningLightMountain übrig blieb. Die Fähigkeit, Schmerz zu empfinden, ist den Primes fremd, ebenso Individualität. All seine Motilen und Industrieanlagen werden von MorningLightMountain mittels hochentwickelter Kybernetik und zahllosen spezialisierten Bestandteilen seines dezentralisierten Bewusstseins selbst gesteuert. Interstellare Raumfahrt stellt aber ein Problem dar: Ein Ableger wäre nötig, über den MorningLightMountain keine direkte Kontrolle mehr hätte. Dies hat bereits bei der Besiedlung des eigenen Sonnensystems und Fernexpeditionen zu Unabhängigkeitskriegen geführt. Das von Dudley Bose und Emmanuelle Verbeke erbeutete Wissen um die Nutzung von Wurmlöchern ist deshalb für MorningLightMountain von unschätzbarem Wert – und eine Bedrohung für das Commonwealth.

Die Vivisektion (die Primes kennen keinen Schmerz …) der beiden Raumfahrer aus der emotional unbeteiligten Sicht MorningLightMountains ist erschütternd intensiv, hier toppt Hamilton die oft heraufbeschworenen Angst vor einer Entführung und Untersuchung durch Aliens mit einer nahtlos in die Sichtweise MorningLightMountains eingebundenen Horrorepisode.

Die Invasion der Primes und die Jagd nach den Agenten des Starflyers sind actionreich und spannend – blitzartige Überfälle auf zahllose Welten in den Randgebieten des Commonwealth werden durch das „Höllentor“ genannte Riesenwurmloch der Primes mit gnadenlosen atomaren Bombardements eingeleitet, bis ihre Flotte nachsetzt und Landungstruppen absetzt. Nur wenige Welten verfügen über die nötigen Schutzschilde und Aerobots zur Abwehr der Aliens, nur drei Schlachtschiffe und wenige Kreuzer sind bereits fertig gestellt, nur durch die Hilfe der SI ist man auf dem Gebiet der elektronischen Kriegsführung den Primes überlegen, die bei Verlust des Kontakts zu MorningLightMountain keine Eigeninitiative besitzen und stur primitiven vorprogrammierten Verhaltensmustern folgen. Das apokalyptische Szenario einer Alieninvasion hat Hamilton hervorragend eingefangen, ebenso die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung auf Seiten der Menschen.

Nicht ganz gelungen ist Hamilton die Charakterisierung seiner Figuren: Zwar führt Hamilton mit Tochee, dem fetten Alien-Wurm mit Technicolor-Pelz, auf der Ozzie-Ebene eine schillernde und amüsante Figur ein, aber sowohl Admiral Wilson Kime als auch der „legendäre“ Nigel Sheldon bleiben ernüchternd blass, selbst Ozzie wird nicht wirklich überzeugend dargestellt – mit keinem kann man sich identifizieren oder mitfiebern. Ganz und gar klischeehaft ist das hübsche Sternchen Mellanie, die ehemalige Geliebte des im ersten Teil unter Mordverdacht geratenen Morton. Sie weigert sich, Pornovids zu drehen und wird stattdessen Reporterin, erhält als einer der wenigen Menschen direkten Zugang zur Cyberspäre von der SI und wird von ihr als Agentin rekrutiert. Mellanie besitzt keinerlei Schulausbildung, was mehrfach erwähnt wird, Hirn oder besondere Fähigkeiten, aber einen unheimlich knackigen Hintern, körperliche Reize im Übermaß … Ermittlerin Paula Myo hingegen ist hartnäckig, gewissenhaft und akribisch, eine unattraktive graue Maus, die niemals lacht.

Geht es überhaupt noch lächerlicher und klischeehafter? Erschreckenderweise sind diese beiden neben Senatorin Justine, die der herrschenden Oberschicht der reichen und mächtigen Clans angehört und deshalb natürlich mit einem vorzüglichen Klonkörper trotz mehreren Jahrhunderten Alters ausgestattet ist, vermutlich die letzte Hoffnung der Menschheit, einen Pakt mit Johansson zu schließen und den Starflyer aufzuhalten. Die Idee, Mellanie vom Dummchen zur Agentin mutieren zu lassen, hat zwar ihren Reiz, konnte mich aufgrund der überspitzten Klischeehaftigkeit nicht überzeugen.

Fazit:

Hamilton macht mit dem zweiten Teil der Übersetzung von |Pandora’s Star| wieder gut, was er im lahmen ersten Teil verbrochen hat. Dessen Schwäche muss man aber zum Teil der auf zwei Bände aufgeteilten Übersetzung anlasten: Dieses Buch stellt die bessere Hälfte des Originals dar, „Der Stern der Pandora“ bestand in der deutschen Fassung ausschließlich aus der langatmigen Einführung in den |Commonwealth|-Zyklus. „Die Boten des Unheils“ stellt somit nicht den zweiten Band der Original-Duologie, „Judas Unchained“, dar. Leider liegen keine Verlagsinfos vor, wie die Titel der vermutlich erneut zweigeteilten Übersetzung lauten werden.

Die Übersetzung von Axel Merz ist grundsätzlich in Ordnung, allerdings verwendet er wie bereits in „Der Stern der Pandora“ übermäßig viele und unangebrachte Anglizismen, auch das „Icewhale-Fleisch“ blieb uns erhalten, und aus einer Ermittlerin wie Paula Myo wird, wenn man den englischen Begriff nicht wirklich übersetzt, die „Investigatorin Paula Myo“.

Leider endet auch dieser Band wieder mit einem Cliffhanger, allerdings schafft er, was Hamilton bei der breit getretenen und ungelenken Einführung in „Der Stern der Pandora“ versäumt hat: Der spannende Mix aus Thriller und Space-Opera kommt in Fahrt, die eingeschobene Geschichte MountainLightMountains ist ein echter Höhepunkt, auch die bisher zusammenhanglos nebenher laufenden Handlungsstränge tragen nun zum Spannungsbogen der Verschwörung um den Starflyer bei. Die Aufteilung auf zwei deutsche Bände hat dem Originalroman ungemein geschadet; am Stück gelesen macht er wesentlich mehr Spaß. Der Fortsetzung sehe ich nun mit Spannung entgegen, Hamilton hat das Tempo erhöht und mit dem zweiten Teil von |Pandora’s Star| eine höchst spannende und unterhaltsame Space-Opera mit dem Thrillergenre kombiniert, wobei er sich seine Erfahrungen der |Mindstar|-Serie zu Nutze gemacht hat. Die Mischung brauchte zwar eine Weile, um zu zünden, dafür entschädigt sie jetzt mit Komplexität und tollen Ideen, die Hamilton trotz Schwächen in der Charakterisierung seiner Figuren überzeugend präsentiert.

Taschenbuch: 704 Seiten
Originaltitel: Pandora’s Star
ISBN-13: 978-3404232932