Robert E. Howard – Schwarze Krallen (Gruselkabinett 70)

Action-Horror: Panthermenschen in den Südstaaten

In den Südstaaten der USA, 1935: Der junge Wissenschaftler Joel Brill gerät durch ein einziges Telefongespräch zum Haus von Jim Reynolds, einem Experten für west-afrikanische Volksstämme, in eine haarsträubende Geschichte, die ihn mit Gefahren konfrontiert, von denen er nicht einmal in seinen kühnsten Träumen geahnt hatte, dass sie auf dem amerikanischen Kontinent existieren … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor

Der Texaner Robert E(rvin) Howard (1906-36) ist am besten bekannt als Schöpfer der Figur des mächtigen Kriegers Conan. Der Brieffreund von Howard Philips Lovecraft schuf aber in der Zeit der Großen Depression noch viele weitere Gestalten, allesamt Abenteurer und Outlaws, so etwa Bran Mak Morn, Solomon Kane (ein Pirat des 16. Jahrhunderts) und King Kull. Seine rund 160 Erzählungen für „Weird Tales“, die er ab 1925 veröffentlichte, umfassen neben Western, Piratengeschichten und dergleichen auch exzellente, vielfach abgedruckte Horrorgeschichten.

Durch seine Handhabung verschiedener Motive und Themen beeinflusste er die heroische Fantasy, insbesondere die Variante der Sword & Sorcery, im restlichen 20. Jahrhundert. Obwohl er weder Sword & Sorcery noch Heroic Fantasy erfand, etablierte er doch den diffusen Hintergrund eines Schauplatzes, der zwischen dem legendären Irland, prähistorischen Reichen wie Atlantis (bei Conan Hyperborea usw.) und dem alten Norwegen oszilliert. Von den nordischen Sagen (Islands Eddas) stammt möglicherweise der Fatalismus sowie die Verachtung für krankhaft wirkende Zivilisationen, die seine einzelgängerischen Helden an den Tag legen.

Jede Menge Zauberei schwingt in den Erzählungen mit, gewirkt von meist boshaften, egoistischen Magiern und Hexern beiderlei Geschlechts, denen der HELD sich entgegenstellen muss, um zu überleben. Hervorragende Kampffähigkeiten helfen ihm dabei, doch er gewährt selten Gnade. Er ist, wie gesagt, ein fatalistischer Einzelgänger, obwohl er Gefährten, die es verdienen, treu sein kann. Gegenüber Frauen ist der Barbarenkrieger oft rauh und zupackend, doch stets ohne Bösartigkeit.

Howards Artikel in der „Encyclopedia of Fantasy“, aus dem ich zitiert habe, umfasst nicht weniger als 4,5 Spalten, was für einen Unterhaltungsschriftsteller, der nur zwölf Jahre lang schrieb, erstaunlich viel ist. Der Grund für diese Länge ist die Aufzählung der ungeheuer vielen CONAN-Romane und -Erzählungen, die in Howards Nachfolge geschrieben wurden, sowie die Aufzählung von Howards anderen Werken, die der Artikel sonst nicht abdeckt. Herausgeber wie Lin Carter und L. Sprague de Camp ergänzten und veränderten Howards nachgelassene Manuskripte (genau wie viele von HPLs Manuskripten), so dass der Sammler aufpassen muss.

Der mittlerweile wohlhabende Autor erschoss sich im Alter von 30 Jahren, kurz vor Fertigstellung eines Romans, wohl aus Kummer über den Tod seiner Mutter. Die englische Wikipedia bietet zu REH einen umfassenden Artikel.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher:

Joel Brill: Konrad Bösherz
Buckley: Ronald Nitschke
John Galt: Hans-Jürgen Wolf
Yut Wuen: Dirk Petrick
Ali: Sebastian Schulz
Jugra Singh: Martin Kautz
Guya: Benjamin Kiesewetter
Ansage: Hasso Zorn

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den Planet Earth Studios statt und wurde bei Kazuya abgemischt. Die Illustration stammt von Ertugrul Edirne.

Handlung

Eines Abends im September 1935 vertraut sich der junge Wissenschaftler Joel Brill dem Detective Barclay an, den er aus einem Klub seiner Stadt kennt. Er soll für seinen Chef, der das Museum leitet, Fakten über westafrikanische Ritualtänze finden. Der Weltreisende Jim Reynolds sei als Koryphäe für solche Tänze am Ort bekannt. Als er bei ihm angerufen habe, habe ihm jedoch dessen chinesischer Diener Yut Wuen gesagt, Mr Reynolds sei schon vor einer Stunde aufgebrochen, um ihn, Brill, am White Lake zu treffen. Wie kann das sein? Barclay sagt ihm seine Hilfe bei dieser merkwürdigen Geschichte zu.

Am White Lake ist es verdächtig still. In Jim Reynolds‘ Wochenendhütte rührt sich nichts, um auf Brills Klopfen zu reagieren. Im Haus brennt kein Licht, obwohl Reynolds‘ Wagen davor steht. Reynolds ist Brill allerdings als ängstlich bekannt. Ob er sich etwa verbarrikadiert habe, will Barclay wissen. Doch Brill hat einen Schlüssel, den ihm der Hausherr anvertraut hat, und geht im Licht von Barclays Feuerzeug ins Haus.

Das Schlafzimmer ist verwüstet und alle Möbel des Wohnzimmers sind zertrümmert. Als Beweis, dass hier ein Kampf stattgefunden hat, findet sich auch Blut auf dem Teppich. Da liegt ein Körper! Wie Brill es befürchtet hat, ist es Reynolds selbst: tot. Um wieder Strom ins Haus zu bekommen, gehen sie hinaus zum Sicherungskasten und drehen die Sicherung wieder hinein. Wer hat sie bloß herausgedreht, fragt sich Barclay.

Jetzt gehen im Haus in allen Zimmern die Lampen an. Es sieht aus, als habe der Hausherr vor etwas Angst gehabt. Alle Türen sind von innen abgeschlossen. Der Täter, der Reynolds den Hals wie ein Tier zerfetzt hat, muss allerdings intelligent sein, denn er hat ja vor der Attacke erst die Sicherung herausgedreht. Ein merkwürdiger Widerspruch, findet Brill. Bevor er starb, hat Reynolds einmal mit seinem Revolver schießen können, und die Kugel findet sich im Fensterrahmen. Hätte Brill nicht durch Barclay ein Alibi, müsste er ihn unter Mordverdacht festnehmen. Wer also lockte Reynolds per Telefon an diesen Ort?

Am nächsten Tag wird es eng für Joel Brill: Die drei Diener von Jim Reynolds nehmen ihn gefangen und entführen ihn in ein Versteck, denn sie halten ihn für den Mörder ihres Dienstherrn. Dass er durch die Polizei ein Alibi hat, kümmert sie wenig. Sie sind gerade dabei, ihn auf exquisite Weise zu foltern, als der Strom ausfällt und ein tierisches Fauchen erklingt. Dann beginnen die Schreie …

Mein Eindruck

Dies ist beileibe nicht der erste Titel von Robert E. Howard. Die Hörspiele mit Stoffen des Texaners zeichnen sich durch Exotik und Action aus, weniger durch sorgfältig erzeugte Stimmung oder lange Rückblenden auf vergangene Zeiten. „Schwarze Krallen“ bildet in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Das Hörspiel wendet sich an ein vorwiegend männliches Publikum – Frauen kommen überhaupt nicht vor. Die Action wird sorgfältig vorbereitet und steigert sich von der ersten Andeutung über einen Kampf im Finstern zu einem finalen Showdown.

In der Südstaatenstadt, in der Joel Brill lebt, gibt es 1935 gleich zwei Großwildjäger und Afrikareisende, nämlich Jim Reynolds und John Galt. Sie erinnern etwas an Ernest Hemingway. Diese beiden sind einander offenbar nicht besonders grün, sondern wäre die Handlung schwer zu erklären. Worauf die Rivalität beruht, wird erst in der finalen Szene verraten. Es ist Galt, der eine ganz besondere Art von Waffe gegen seinen Rivalen einsetzt. Galt weiß ja, dass Reynolds ein ängstlicher Typ ist.

(Spoiler!)

Brills Pech ist es herauszufinden, um was oder wen es sich bei dieser Waffe handelt, John Galt erklärt es ihm gerne: Der Schwarze, der sich da verwundet und schmerzvoll am Boden windet, ist ein Egbo, der Angehörige eines Stammes von sogenannten „Panthermenschen“ aus Kamerun. Dieser spezielle Egbo hält sich für den Henker eines Schamanen des Panthergottes.

Der Egbo namens Guya wandte sich in Kamerun an Galt, um sich an Reynolds dafür zu rächen, dass er den Egbo und Ekoy ihr Gold geraubt hatte. Durch die „Hinrichtung“ des Missetäters wollte sich Guya rehabilitieren, Galt half und versteckte ihn bei sich. Es war daher Galt selbst, der Reynolds zum White Lake in eine Falle lockte. Zu unserer Verblüffung erfahren wir, dass Galt nicht bloß ein Großwildjäger ist, sondern ein perfekter Stimmenimitator. So hatte er ein perfektes Alibi, während Brill unter Mordverdacht geriet.

Nun muss Brill wählen: Lässt er mit dem versteckten Ekoy-Gold zum Schweigen bringen oder muss ihn Galt auf der Stelle erschießen? Doch etwas Unerwartetes kommt dazwischen … Überhaupt spielen unerwartete Wendungen eine bedeutende Rolle, um die Spannung aufrechtzuerhalten. Hier spürt man deutlich die Herkunft der Story aus dem Pulp Fiction Genre. Brill, der Afrika-Experte, ist nämlich in der Lage, Guyas Sprache zu verstehen. Dadurch erkennt er, dass sich Galt lediglich verstellt.

Am Schluss versetzt uns Brill noch die Pointe: Was, wenn sich der Panthermensch wirklich in ein reißendes Raubtier verwandeln konnte? Die Andeutung, dass sich afrikanische Magie (in Südafrika heißt sie „muti“) als wirksam erweisen könnte, bewirkt im amerikanischen Leser ein tiefes Unbehagen, eine unterschwellige Furcht vor dem, was aus exotischen, fremden Ländern eingeschleppt werden könnte. Dieser Trick hat schon Conan Doyle in seinen Sherlock-Holmes-Detektivgeschichten eingesetzt, meist mit Personal, das aus dem indischen Subkontinent in die Heimat zurückkehrt („Das gefleckte Band“ u. v. a.).

Die Sprecher/Die Inszenierung

Brill und Barclay haben weder Vergangenheit noch Zukunft, das heißt, sie sind typische Abziehbilder, die in einer Story ohne viel Psychologie ihren Part spielen und danach wieder in der Versenkung verschwinden – bis sie erneut gebraucht werden. Darin unterscheiden sie sich erheblich von einem ähnlichen dynamischen Duo, nämlich Holmes und Watson. Tatsächlich ist Barclay drauf und dran, Brill festzunehmen, als Galt sich als der eigentliche Bösewicht outet.

Die Sprecher von Brill und Barclay haben also keine unüberwindbare Aufgabe gestellt bekommen. Sie sollen bloß beide als Akteure darstellen: Der Wissenschaftler ist ängstlich und überlegend, der Cop zupackend und misstrauisch. Sie bekommen es allerdings mit einem höchst berechnenden und skrupellosen Gegner zu tun. John Galt, gesprochen von Hans-Jürgen Wolf, ist ein durchtriebener Hundesohn und schreckt auch vor einem Mord keineswegs zurück.

Ironischerweise sind es vielmehr die Nebenrollen, die den übrigen Sprechern höhere Anforderungen stellten. Yut Wuen, Ali und Jugra Singh sprechen alle mit dem Akzent, der ihre Herkunft verrät, also chinesisch, indisch und arabisch. Guya, der Afrikaner, bildet eine Ausnahme, denn er kann sich nur durch eine Art Röcheln und Grollen verständlich machen – und wird dennoch von Brill „verstanden“.

Geräusche

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. Das Telefon klingelt, Schüsse fallen, Türen schlagen – alles wie gewohnt. Nur das Käuzchen, ein klassischer Todesbote, ruft ein paarmal zu oft.

Die Geräusche sind besonders wichtig, wenn es um die Darstellung der zwei Actionszenen geht (die erste Action bekommen wir ja nun in ihren Folgen geschildert). Kampflärm, Schreie, Fauchen usw. sind zu hören, so dass hier wirklich die Post abgeht. Der Showdown ist eher durch Anspannung gekennzeichnet, und der Dialog zwischen Brill und Galt ist reichlich lang. Doch er unabdingbar, um dem Hörer zu erklären, wie es zu diesen Ereignissen kommen konnte. Die Schüsse fallen völlig unerwartet.

Musik

Die Musik entspricht diesmal nicht gerade dem Score für ein klassisches Horrormovie. Vielmehr verblüfft den Hörer ein Intro, das einen langsamen Gesellschaftstanz der dreißiger Jahre zitiert. Ich kenne mich damit nicht aus, aber ich halte es für einen langsamen Swing oder Slow Fox, komplett mit Piano und Klarinette. (Ich lasse mich gerne korrigieren). Der Tanz spielt auf das Grundthema der afrikanischen Ritualtänze an.

Der Tanz wird auch als Outro verwendet und entlässt den Hörer aus längst vergangenen Zeiten in die Gegenwart. Ansonsten gibt es keine Hintergrundmusik, was bedeutet, dass Spannung und Stimmung allein von den Dialogen und den beschriebenen Aktionen herrühren.

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

Das Booklet

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher.

Im Booklet finden sich Verweise auf die kommenden Hörspiele aufgeführt:

Nr. 71: M.R. James: Der Eschenbaum (11/12)
Nr. 72: R.L. Stevenson: Markheim (03/12)
Nr. 73: A. Conan Doyle: Das Grauen im Blue-John-Stollen (03/12)
Nr. 74: E. Nesbit: Die Macht der Dunkelheit (04/12)
Nr. 75: Mary Fortune: Weiß (04/12)
Nr. 76: Bram Stoker: Das Teufelsloch (05/12)
Nr. 77: R. E. Howard (!): Das Feuer von Asshurbanipal (05/12)

Unterm Strich

Nach dem Anhören dieses Hörspiels kann sich der Hörer durchaus fragen, warum er sich hätte gruseln sollen und was dies bitteschön mit Horror zu tun hat. Am Anfang gibt es mehrere Rätsel und alles deutet auf eine Bestie à la „Wolf Man“ (1941) hin. Die Erklärung, erworben durch Action und Dialoge, beraubt uns des Mysteriums. Alles scheint eine rationale Begründung zu finden, und wir müssen ja nicht unbedingt jedes Wort glauben, das uns der Schurke John Galt auftischt.

„Panthermenschen“ kann es doch gar nicht geben oder? Genauso wenig wie Werwölfe und andere Gestaltwandler. Doch woher stammen dann Guyas schwarze Krallen, sein Fauchen und die tiefen Wunden in Reynolds‘ Hals? Brill versetzt uns einen Tiefschlag, als er eine letzte, verräterische Beobachtung erwähnt. Diese Pointe, die die Existenz von Panthermenschen als Gestaltwandler andeutet, versetzt das Hörspiel dann wieder zurück an seinen rechten Platz: ins Horrorgenre. Was er davon hält, ist jedem Hörer selbst überlassen.

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Die Atmosphäre, die von den Geräuschen und Dialogen erzeugt wird, ist vor allem actionreich und lösungsorientiert. Da kommt herzlich wenig Stimmung auf. Man kann nicht behaupten, dass hier „überproduziert“ wurde.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Synchronsprecher vermitteln das richtige Kino-Feeling.

Audio-CD mit 57 Minuten Spieldauer
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https://www.luebbe.de/luebbe-audio