Keith Roberts – Drachenpiloten. SF-Roman

Tollkühne Drachenflieger über Englands Küsten

In einer Parallelwelt bewachen Krieger auf großen Papierdrachen eine isolierte Insel, die sich vor Dämonen fürchtet. Bis es eines Tages zur Invasion kommt. Dies ist einer der besten Science Fiction-Romane des britischen Erzählers und Illustrators Keith Roberts. „Drachenpiloten“ ist ein Episodenroman aus acht Kurzgeschichten und längeren Erzählungen, der bereits 1985 in England erschien.

Der Autor

Keith John Kingston Roberts ((https://de.wikipedia.org/wiki/Keith_Roberts)) (* 20. September 1935 in Kettering, Northamptonshire; † 5. Oktober 2000 in Salisbury, Wiltshire) war ein britischer Science-Fiction-Autor und Illustrator. Er veröffentlichte auch unter den Pseudonymen Alistair Bevan, John Kingston und David Stringer.

Roberts’ erste beiden Kurzgeschichten veröffentlichte er 1964 im britischen SF-Magazin Science Fantasy, bei dem er 1966 selbst Herausgeber wurde (es hieß zu diesem Zeitpunkt „Impulse“). Weitere Erzählungen von Roberts erschienen in Folge auch im Magazin New Worlds.

Dem Erstlingsroman „The Furies“ (1966, dt. Der Neptun-Test, Goldmann) folgte bereits zwei Jahre später sein wohl wichtigster Roman: „Pavane“ ((https://en.wikipedia.org/wiki/Pavane_(novel))), in Deutschland zunächst von Heyne vertrieben als „Die folgenschwere Ermordung Ihrer Majestät Königin Elisabeth I.“, spätere Auflagen unter dem Originaltitel. In „Pavane“ geht es um eine Alternativwelt, in der Königin Elisabeth I. ermordet wurde und die spanische Armada siegreich war. England ist deshalb in Folge im 20. Jahrhundert durch die Herrschaft der Katholischen Kirche geprägt.

Im Jahre 1990 wurde ihm die Diagnose Multiple Sklerose gestellt, zehn Jahre später erlag er den Folgen der Krankheit. (Quelle: Wikipedia.de)

Romane

• The Furies (1966)
• Pavane (1968) (übersetzt)
• Anita (1970) (übersetzt)
• The Inner Wheel (1970)
• The Boat of Fate (1971)
• The Chalk Giants (1974)
• Molly Zero (1980) (übersetzt)
• Kiteworld (1985) (übersetzt)
• Kaeti & Company (1986)
• Gráinne (1987)
• The Road to Paradise (1989)
• Kaeti on Tour (1992)
• Drek Yarman (2000)

Auf Deutsch erschienen:

1) Pavane
2) Die Kreideriesen
3) Drachenwelt
4) Molly Zero
5) Die Hexe Anita

Handlung

Nach einer globalen Katastrophe fallen die Überlebenden einer Parallelwelt in die archaische Vorstellung zurück, ihre Welt werde von Dämonen und Monstern bedroht. Um möglichen Überfällen aus der Luft vorzubeugen, bewacht die Kriegerkaste der Drachenpiloten, deren Gondeln von großen Papierdrachen in die Luft befördert werden, die Grenzen der bewohnbaren Gebiete. Denn sie wissen durch die Varianzkirche, dass die Dämonen ringsum darauf lauern, beim geringsten Anzeichen der Unachtsamkeit über das Reich der Menschheit herzufallen. Die Drachenwache überfliegt jedoch von ihren Stützpunkten aus das gesamte Reichsgebiet, um die „splendid isolation“ zu bewahren.

In den einzelnen miteinander verwobenen Kapiteln schildert der Autor die Schicksale einer Handvoll Menschen, die versuchen, ihr Leben zu meistern und dabei häufig in Situationen geraten, mit denen sie nicht oder nur schwer fertig werden. Aus diesen Bausteinen entsteht das Bild einer Welt, die den Keim des Zerfalls und des blutigen Untergangs bereits in sich trägt.

Dies wird denn auch im letzten Kapitel, das den unheilvollen Titel „Drachentöter“ trägt, zu grausamen Realität: Abweichler, die die Dogmen der Varianzkirche anzweifeln, treten gegen ultrakonservative Dogmatiker an, was bald zum Kampf aller untereinander führt. Dies erinnert an den Zustand am Hofe Dänemark in Shakespeares „Hamlet“, nachdem der schwermütige Dänenprinz getötet wurde: Chaos regiert.

Auftritt Fortinbras und Armee: Als Besucher von einem hochtechnisierten Nachbarplaneten die globale Isolation durchbrechen und mühelos mit ihren an Libellen erinnernden Hubschraubern landen, zerrinnt die Illusion der absoluten Sicherheit zu nichts. Eine dramatische Umschichtung aller Werte setzt ein. Hoffentlich zum Besseren.

Unterm Strich

Keith Roberts hatte sich vor „Drachenpiloten“ 1968 in der Science Fiction-Gemeinde mit seinem Episoden-Roman „Pavane“ unsterblichen Ruhm erworben. (Ich kann dieses Buch ebenfalls empfehlen.) In diesem Parallelwelt-Roman wird Königin Elisabeth I. von einem katholischen Fanatiker erschossen und die spanische Armada trägt 1588 den Sieg über die englische Flotte unter Sir Francis Drake davon. Als Folge davon wird die römisch-katholische Kirche in ihre alten Rechte eingesetzt, die Heinrich VIII. abgeschafft hatte, und jeglicher technische Fortschritt streng reglementiert.

Auch in „Drachenpiloten“ steht eine mächtige Kirche im Zentrum des Geschehens. Die handelnden Personen sind überzeugend geschildert und handeln glaubhaft. Besonders beeindruckend fand ich die Figur des Drachenmeisters Justin, dessen Schwester autistisch ist. Merke: Es ist was faul im Staate Dänemark. Und das weist auf ein Detail hin, das uns mit Unbehagen erfüllt: Sexuelle Beziehungen sind manchmal mit Gewalt und seelischer Folter verbunden.

Die „Times“ meinte zu dem Buch: „Roberts schuf eine mythische Welt zu denkbar glaubwürdigen Bedingungen und mit der Klarheit einer Halluzination. Eine bemerkenswerte Leistung zeitgenössischer Science Fiction.“ Schade, dass dieses Werk schon bald nach seiner Veröffentlichung in der Versenkung verschwand, weil es mit kaum einer Besprechung bedacht wurde. Das mag an den angesprochenen Szenen gelegen haben. Auch das gewöhnungsbedürftige deutsche Titelbild dürfte einige Leser abgeschreckt haben.

Taschenbuch: 475 Seiten
Originaltitel: Kiteworld, 1985.
Aus dem Englischen von Horst Pukallus.
ISBN-13: 9783453054066

www.heyne.de

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