Nina George – Das Lavendelzimmer

Mit zielsicherem Blick verkauft der Buchhändler Jean Perdu seinen Kunden in seiner literarischen Apotheke, einem zu einem Bücherschiff umgebauten Lastkahn, genau das Buch, das sie in der jeweiligen Situation benötigen, um Rat und Trost zu finden. Er will „Gefühle behandeln, die nie von Ärzten diagnostiziert werden. All diese kleinen Gefühle, Regungen, für die sich kein Therapeut interessiert, weil sie angeblich zu klein und zu unfassbar sind. Das Gefühl, wenn wieder ein Sommer zu Ende geht. Oder zu erkennen, nicht mehr ein ganzes Leben Zeit zu haben, um seinen Platz zu finden. Oder die kleine Trauer, wenn eine Freundschaft doch nicht in die Tiefe geht und man weitersuchen muss nach einem Lebensvertrauten. Oder die Schwermut am Morgen des Geburtstags. Heinweh nach der Luft seiner Kindheit. So etwas.“

So erfolgreich er damit bei seinen Patienten ist, so sehr ist er jedoch bei der Auseinandersetzung mit seinem eigenen Verlust gescheitert: Vor zwanzig Jahren hat ihn Manon, die große Liebe seines Lebens verlassen und ihm nichts weiter als einen Brief hinterlassen, den Perdu bis heute nicht einmal zu lesen wagte. Seine Erinnerung hat er im Lavendelzimmer eingesperrt, das er nach Manons Fortgang nie wieder betreten hat. Doch als die von ihrem Mann verlassene Catherine in das Mietshaus in der Pariser Rue Montagnard einzieht und nicht einmal einen Tisch oder einen Stuhl besitzt, öffnet Perdu das Lavendelzimmer, um ihr zu helfen. Damit setzt er ungewollt auch einen Prozess in Gang, der ihn samt seinem Bücherschiff und dem von Fans und Presse verfolgten, erfolgreichen Jungautor Max aus der Großstadt hinaus in die Weite der Provence treibt. Es beginnt eine Reise, die für alle Passagiere des Bücherkahns „Lulu“ gleichsam eine Suche nach der Vergangenheit und nach der Zukunft wird.

Nina George hat ein ganz zauberhaftes Buch über die verschiedenen Arten von Liebe und das Verarbeiten des Verlassenwerdens geschaffen, das trotz seines traurigen Aufhängers nie ins rührselige abgleitet, sondern sogar dort noch leisen Humor versprüht oder eine tiefgehende Wahrheit vermittelt, wo man am liebsten weinen möchte. Ihre Protagonisten sind trotz ihrer schwierigen Vergangenheiten und Schrullen allesamt liebenswert. Der Süden Frankreichs bis hin zum Meer ist Kopfkino für den Leser und bildet einen sonnigen, duftenden und farbgeladenen Hintergrund für die Suche der Figuren nach Liebe und einen Platz im Leben.

Die Autorin verweist auf eine große Zahl von existierenden und fiktiven Romanen, die ganz selbstverständlich in den leicht und flüssig zu lesenden Roman eingeflochten und im Anhang noch einmal nebst ihrer „medizinischen“ Wirkung aufgelistet werden. Da stellt sich so mancher Aha-Effekt ein. Dabei wird aber auch klar, dass „Das Lavendelzimmer“ ein Roman für Büchermenschen wie Jean Perdu ist, die das geschriebene Wort zum Überleben brauchen, die sich an neuen Wörtern erfreuen, wie Kinder an Spielzeugen und die von der Liebe nie genug bekommen können.

Hardcover: 384 Seiten
ISBN-13: 978-3426652688
www. droemer-knaur.de

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