Auf der Jagd nach dem Schneemenschen
„Ein atemberaubender Thriller: Gibt es den Yeti noch?
Jack Furness, ein kalifornischer Bergsteiger will einen der höchsten Gipfel Nepals bezwingen.
In einer tückischen Eiswand stürzen er und seine Begleiter ab. Doch in einer Gletscherspalte macht Jack einen aufsehenerregenden Fund…“ (Verlagsinfo)
Der Autor
Philip Kerr (* 22. Februar 1956 in Edinburgh, Schottland; † 23. März 2018 in London)[1] war ein britischer Krimi-, Thriller- und Fantasy-Autor. Für seinen Roman „Das Wittgensteinprogramm“ und seinen High-Tech-Thriller „Game Over“ erhielt er den Deutschen Krimi Preis.
Philip Kerr studierte Jura und Rechtsphilosophie an der University of Birmingham und arbeitete anschließend in einer Werbeagentur. 1989 erschien sein erster Roman March Violets (deutsch Feuer in Berlin), der in den 1930er Jahren in Berlin spielt, eine Mischung aus historischem Roman und Thriller, der international Anerkennung fand und in Frankreich mit dem Prix du Roman d’Aventures und Prix Mystère de la critique ausgezeichnet wurde. Aus dem Debüt entwickelte sich die Krimitrilogie Berlin Noir um den Privatdetektiv und ehemaligen Kriminaloberkommissar Bernhard Gunther.
Diese Reihe führte Kerr mit den zwischen 2006 und 2009 erschienenen Romanen „The One from the Other“ (deutsch „Das Janus-Projekt“), „A Quiet Flame“ (deutsch „Das letzte Experiment“) und „If The Dead Rise Not“ (deutsch „Die Adlon-Verschwörung“) fort.
Mit den in diesen Romanen eingebauten Vorgeschichten erzählen sie das Leben Bernhard Gunthers von 1932 zu seiner Zeit bei der Berliner Kriminalpolizei vor der Machtergreifung der Nazis über seine Flucht auf den Rattenlinien nach Buenos Aires (1952) bis zu seiner Ankunft 1954 auf Kuba.
2010 erschien ein weiterer Band mit dem englischen Titel „Field Grey“ (dt. „Mission Walhalla“), in dem es den Protagonisten von Kuba in das Grenzdurchgangslager Friedland verschlägt. Das achte Buch der Reihe, das 2011 unter dem Originaltitel „Prague Fatale“ (dt. „Böhmisches Blut“) erschien, befasst sich überwiegend mit den Ereignissen um das Prager Attentat auf Reinhard Heydrich und ist zwischen 1941 und 1942 angesiedelt.
2013 erschien „A Man Without Breath“. Hier werden Geschehnisse im Umfeld der Ermittlungen zu den Massengräbern im Wald von Katyn im Jahre 1943 geschildert. In „The Lady From Zagreb“ (2015) lebt Bernie Gunther an der Côte d’Azur und erinnert sich an eine Schauspielerin und damit zusammenhängende Aufträge von Goebbels und Schellenberg in Kroatien und in der Schweiz. 2016 erschien „The Other Side Of Silence“, und 2017 erschien mit „Prussian Blue“ der zwölfte und 2018 mit „Greeks Bearing Gifts“ der dreizehnte Roman. 2019 soll postum der vierzehnte Band der Reihe, Metropolis, erscheinen, den der Autor vor seinem Tod Anfang 2018 (Blasenkrebs) noch vollenden konnte.
Seit 2004 schrieb er als P. B. Kerr an der Fantasy-Jugendbuch-Serie „Children of the Lamp“ über die zu Beginn zwölfjährigen magischen Zwillinge John und Philippa Gaunt aus New York, die durch allerlei merkwürdige Ereignisse erkennen, dass sie keineswegs normale Kinder sind, sondern Nachfahren der Dschinn, „Kinder der Lampe“, wie die Geister aus Tausendundeiner Nacht.
Children of the Lamp – Zyklus (Die Kinder des Dschinn)
Bd. 1 – The Akhenaten Adventure. Scholastic Press, London 2005, ISBN 0-439-95951-9.
Das Akhenaten Abenteuer. Rowohlt, Reinbek 2006, ISBN 3-499-21301-X (EA Reinbek 2004).
Bd. 2 – The Blue Djinn of Babylon. Scholastic Press, London 2005, ISBN 0-439-95950-0.
Gefangen im Palast von Babylon. Übers.: Ulli und Herbert Günther, 4. Auflage. Rowohlt, Reinbek 2011, ISBN 978-3-499-21302-1.
Bd. 3 – The Cobra King of Kathmandu. Scholastic Press, London 2006, ISBN 0-439-95958-6.
Das Rätsel der neunten Kobra. Rowohlt, Reinbek 2008, ISBN 978-3-499-21300-7 (EA Reinbek 2006).
Bd. 4 – Day of the Djinn Warriors. Scholastic Press, London 2007, ISBN 978-1-4071-0476-8.
Entführt ins Reich der Dongxi. Rowohlt, Reinbek 2009, ISBN 978-3-499-21451-6 (EA Reinbek 2007).
Bd. 5 – The Eye of the Forest. Scholastic Press, London 2009, ISBN 978-1-4071-0387-7.
Das dunkle Erbe der Inka. Rowohlt, Reinbek 2010, ISBN 978-3-499-21450-9.
Bd. 6 – The Five Fakirs of Faizabad. Scholastic Press, London 2011, ISBN 978-1-4071-0506-2.
Der Spion im Himalaya. Rowohlt, Reinbek 2012, ISBN 978-3-499-21591-9 (EA Reinbek 2010).
Bd. 7 – Grave robbers of Genghis Khan. Scholastic Press, London 2012, ISBN 978-1-4071-1764-5.
Die Kristalle des Khan. Rowohlt, Reinbek 2013, ISBN 978-3-499-21634-3.
Handlung
Jack Furness ist einer der besten Bergsteiger der Welt. Dennoch stürzt er im Himalaya in einer Lawine ab, seinen Freund Didier verlierend. Wie durch ein Wunder kann er sich in einer Höhle hoch in der Bergwand retten. Dort stößt er auf einen merkwürdig gut erhaltenen Schädel. Da trifft es sich gut, dass seine Freundin Stella Swift, die an der Universität Berkeley bei San Francisco arbeitet, ein gutes Auge für die Vorfahren des heutigen Menschen hat – aber einen solchen Schädel haben weder sie noch ihre zur Verschwiegenheit verdonnerten Kollegen jemals gesehen. Stella liegt mit ihrer Hypothese richtig: Es ist der Schädel eines Schneemenschen oder Yeti.
Kriegsgefahr
Mittlerweile versuchen Pakistanis und Inder sich in der Kaschmir-Region die Schädel einzuschlagen. Beide Seiten drohen mit Atombombenangriffen. Die CIA und das Pentagon sind beunruhigt, dass sie keine verlässlichen Informationen, geschweige denn Satellitenbilder aus der Gegend bekommen. Sie beschließen, einen Spezialisten zu schicken. Er soll zudem einen abgestürzten Satelliten bergen oder – falls dies nicht geht – zerstören, damit keine geheimen technischen Informationen an die Russen gelangen können.
Die sensationelle Entdeckung des Schädels rechtfertigt eine Expedition in den Himalaya, an der Stella, Jack und einige Kapazitäten des Fachs teilnehmen. Einmal in dem verbotenen Schutzgebiet unterhalb des Annapurna angekommen, beginnt ein Alptraum… Ein Stamm von Yetis wird entdeckt, verfolgt und vor den Militärs gerettet – mehr soll nicht verraten werden.
Am Schluss sind alle heilfroh, lebendig wieder aus dem Tal der Yetis herauszukommen. Lediglich einer der Wissenschaftler posaunt die Entdeckung der Yetis hinaus, doch selbst er kommt gegen eine Verschwörung des Schweigens der anderen nicht an…
Mein Eindruck
„Aber Esau, mein Bruder, ist ja ein haariger Mann, und ich bin ein glatter Mann.“ 1. Mose 27.11. Dieses Bibelzitat hat der Autor seinem Roman vorangestellt. Bibelfans wissen: Esau wurde von seinem Bruder Jakob für ein Linsengericht um sein Erstgeburtsrecht betrogen. Daher hatte Esau keine Chance innerhalb des Stammes Israel. Der haarige, etwas unterbelichtete Esau erinnert an das ähnliche Schicksal des Neandertalers, der bekanntlich dem etwas schlaueren und skrupelloseren Cro-Magnon-Menschen weichen musste.
Kerr zeichnet die Möglichkeit einer anders verlaufenen Evolutionsgeschichte des Menschen auf. Aber er nimmt sich auch auf einer allgemeineren Ebene des Schicksals von Ausgestoßenen, Verdrängten, von Flüchtlingen an, was heutzutage ja leider wieder sehr aktuell ist.
Man nehme nur mal die Ureinwohner von Papua-Neuguinea: Wo werden sie bleiben dürfen, wenn alle vorgelagerten Südseeinseln von der steigenden Meeresflut überschwemmt worden sind? Man wird ihnen das Land wegnehmen, um Flüchtlingslager darauf zu errichten. Sie werden sich, wie der Yeti, in die allerletzten Rückzugsgebiete zurückziehen, auf Gedeih und Verderb. Der Roman zeigt auf, dass sie genauso ein Recht auf Leben haben wie alle anderen Menschen auch.
Unterm Strich
Der Brite Philip Kerr kann bzw. konnte es leicht mit dem ähnlich gelagerten Michael Crichton an Lesbarkeit, Faktenreichtum und Spannung seiner Romane aufnehmen. Dieser Roman bringt eine neue Variante zum Thema Schneemensch: Der Yeti als alternative Entwicklungsform des homo sapiens und – im Falle eines atomaren Holocausts – vielleicht seine letzte Chance für das Überleben der Gattung homo.
Alles in allem: Erstklassiges Lesefutter mit kritischem Ansatz für Unterhaltungsfans mit Bildung. Die deutsche Ausgabe enthält zwei sehr hilfreiche Landkarten von Nepal und der Suchregion von Jack Furness.
Taschenbuch: 507 Seiten
Originaltitel: Esau, 1996
Aus dem Englischen von Peter Weber-Schäfer
ISBN-13: 9783499224805
www.rowohlt.de
Der Autor vergibt: