Mike Resnick – Jäger des verlorenen Einhorns

Der Auftakt zu einer Reihe von phantastischen Romanen um den Privatdetektiv John Justin Mallory, von Mike Resnick schon im Jahr 1987 veröffentlicht, passt gut in die Regale deutscher Buchhandlungen, die sich derzeit unter der Last dickster urbaner Fantasyliteratur biegen und knacken. Resnick war dieser Welle voraus, und so mag dem einen oder anderen Leser die Ernsthaftigkeit, mit der die aktuellen Autoren ihre Fantasien versehen, bei der leicht und lockeren, aber nichtsdestotrotz spannenden und rasanten Lektüre dieses Krimis fehlen.

Krimi deshalb. Genau. Ein Privatdetektiv erhält im selbstmitleidigen Suff und am Rande seines eigenen Abgrunds einen lukrativen Auftrag von einer Person, die er nicht so recht einzuordnen weiß. Der Elf benimmt sich merkwürdig, greift dicke Bündel Geld aus der Luft und führt Mallory in ein irgendwie anders geartetes Manhattan, in dem Gnome, Pinoccios, Einhörner, Schrumpfpferde, Magier und Dämonen hausen und ihr Unwesen treiben. Oder auch liebenswert leben. Trotz seiner Vorbehalte – immerhin könnte man das Ganze auch für eine alkoholinduzierte Fantasie halten – greift Mallory nach der Chance, seine Lebenspunkte in seinem Manhattan zu verbessern, und begibt sich auf die aberwitzige Jagd auf das Einhorn, dessen einmalige Besonderheit es ist, die Membran, die die beiden Manhattans trennt/verbindet, zu erhalten/erzeugen.

Eine der ersten Szenen, bei denen die Andersartigkeit des anderen Manhattans zur Sprache kommt, ist Mallorys Besuch in einem Museum, in dem auch prompt die Exponate zum Leben erwachen und Jagd auf die nächtlichen Besucher machen – im deutschen Sprachraum deutet alles auf einen billigen Mitschnitt aus „Nachts im Museum“ hin, doch zeigt sich, dass die dem Film zugrunde liegende Kindergeschichte aus dem Jahr 1993 schwerlich Vorlage für diese bereits 1987 erschienene Erzählung gewesen sein kann; ein Verdacht, der nur durch die späte Veröffentlichung des Romans in Deutschland genährt wird. Im Hinterkopf regt sich auch vor dieser Recherche schon das Misstrauen gegen den Verdacht, ist Resnick doch einer der produktivsten Schriftsteller seiner Zunft und laut Locus-Hitliste auf Platz vier der erfolgreichsten Preiseinheimser im Science-Fiction – Genre. Also einer, der Plagiate nun wirklich nicht nötig hat.

Es sind vor allem die Dialoge, die die Geschichte erzählen. Der Roman umfasst 384 Seiten und ist damit beileibe nicht der dickste seiner Zunft, aber dick genug, um eine Erzählung, die nur eine einzige Nacht umfasst, zu verbesondern. Resnick beschreibt nicht viel, hier mal eine Wegstrecke, dort mal eine Tätigkeit – aber nie erhält man direkten Zutritt zu den Gedanken des Protagonisten, sondern ist auf die Ereignisse und Dialoge angewiesen wie seine Mitstreiter, um seine einfallsreichen Pläne und Streiche nachzuvollziehen. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang zum Beispiel an die Szene, in der Mallory vor seinem Elf Murgelström, der ihn beschattet, zu entkommen zu versuchen scheint, bis ihn ein Straßenumzug aufhält und er ein beliebiges Geschäft betritt, das unscheinbare Bilder ausstellt. Er beginnt ein Gespräch mit der Verkäuferin und erfährt, dass man in diesen Bildern Urlaub machen könne, und so sucht er sich eines aus und kauft es. Was irgendwie mit dem magischen Stein des Einhorns in Verbindung stehen muss und mit Mallorys Versuch, ihn vor dem mächtigen Dämon Grundy und vor dem zwielichtigen Elf Murgelström zu verstecken. Mit keiner Silbe deutet Resnick Mallorys Gedanken hier an, und so erfährt man erst im Ereignismoment, was er mit diesem Bild eigentlich vorhat und ob seine Mitarbeiter wirklich den Edelstein darin versteckten … immerhin erklärt er seine Ideen im Nachhinein immer einem seiner staunenden Freunde (und uns staunenden Lesern), so dass wir gleichfalls die Kaltschnäuzigkeit bewundern können, mit der er sich im Parallelmanhattan bewegt.

Da wundert es einen nur, warum er in seiner Welt so erfolglos sein soll. Resnick bietet als Erklärung die politischen und gesetzlichen Zustände unserer Welt, die seinen Ermittlungsmethoden stets Stöcke zwischen die Beine werfen oder überführte und verhaftete Gangster nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß setzen.

„Jäger des verlorenen Einhorns“ ist wirklich kurzweilige Unterhaltung, vollgestopft mit komischen Ideen und erzählt in flotter Sprache. Das macht Spaß!

Taschenbuch: 384 Seiten
Originaltitel:
Stalking Unicorn
Deutsch von Thomas Schichtel
ISBN-13: 978-3404200085

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