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Grünwald, Jan G. – Male Spaces – Bildinszenierungen archaischer Männlichkeit im Black Metal

Vor ein paar Monaten habe ich im Fernsehen eine Reportage über Männer auf der Suche nach ihrer Männlichkeit gesehen: Nachdem die Frauen heute alle Männerdomänen erobert haben – sei es nun in Sport, Beruf oder Politik -, treffen sich die suchenden Männer der Gegenwart beim Männerseminar im Indianercamp, springen nackt ums Feuer und spüren ihren verborgenen archaischen Anteilen nach.

Bands wie IMMORTAL, EMPEROR und DIMMU BORGIR haben es da einfacher. Sie dürfen sich unsanktioniert als archaische Kerle präsentieren, die den Frauen überlegen sind und die raue Natur beherrschen. Um all das auszuleben, erweist sich der Black Metal als ungemein praktisch. Mithilfe des Musikvideos steht den Künstlern eine geeignete Bühne zur Verfügung, auf der sie sich abseits des Zeitgeistes archaisch selbst inszenieren können.

Wen interessiert das? Die Rezipienten des Black Metal – vermutlich doch zu einem höheren Anteil Männer – werden kaum einräumen, dass Black Metal eine wunderbare Projektionsfläche für ihre archaischen Träume ist.

Bleibt also wieder mal nur die Wissenschaft, die den Metal und seine Spielarten als Forschungsfeld für sich entdeckt hat. Diesmal ist es der Fachbereich Neue Medien am Institut für Kunstpädagogik in Frankfurt am Main. Hier forscht Jan G. Grünwald, seines Zeichens Dr. phil. und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Dunstkreis von Prof. Birgid Richard, die dem forschungsinteressierten Metalfan bereits von der Braunschweiger Tagung „Metal Matters“ aus dem Jahre 2010 bekannt ist, bei der Richard und Grünwald sich mit einem Vortrag bereits des Themas „Mediale Bilder archaischer Männlichkeit im Black Metal“ annahmen.

Nun liegen unter dem Titel „Male Spaces – Bildinszenierungen archaischer Männlichkeit im Black Metal“ Grünwalds komplette Forschungsergebnisse vor. Und man muss es noch einmal deutlich sagen: Das ist eine wissenschaftliche Arbeit. Staubtrocken, mit vielen Fußnoten sowie der Anforderung an den Leser, Hintergrundwissen aus dem Bereich der Medienanalyse mitzubringen. Wer das nicht hat, für den wird die Lektüre des Buches zu einem harten Nüsschen.

Und so geht es auch inhaltlich überwiegend darum, darzulegen, mit welchen Methoden Filme gemacht und analysiert werden. Man lernt dabei, dass in einem Musikvideo unterschiedliche Räume inszeniert werden, die die Medienwissenschaftler als ‚Naturraum‘, ‚Filmraum‘, ‚Andere Orte‘ oder als ‚Heterotopie‘ kategorisieren. Wer Lust hat, sich mit derartig intellektueller Akrobatik zu befassen, der ist bei Jan G. Grünwald richtig.

Der Erkenntnisgewinn speziell zum Black Metal ist für mich hingegen nicht besonders groß. Die Hauptbotschaft legt ja bereits der Buchtitel offen, nämlich, dass Black Metal sich archaischer Männlichkeitsbilder bedient. Beim Durchkämpfen des Buches habe ich festgestellt, dass mich weniger die Frage interessiert, mit welchen Mitteln die dunklen Helden sich filmisch inszenieren als vielmehr a) warum sie das tun und vor allem b) warum archaische Männlichkeitsinszenierungen im 21. Jahrhundert, das den emanzipierten Mann kennt, so erfolgreich sind.

Aber das ist wohl eine andere Forschungsarbeit, die eher am Fachbereich Soziologie denn bei den Neuen Medien geleistet werden müsste.

Wer sich trotzdem an die Bildanalyse heranwagen will, der findet „Male Spaces“ für 34,90 € im Frankfurter |Campus|-Verlag.

|229 Seiten, Broschur
ISBN-13: 978-3-593-39645-3|
http://www.campus.de

_Erika Becker_

Kugelberg, Johan / Beste, Peter – True Norwegian Black Metal

Das Feuer der norwegischen Black-Metal-Szene scheint in den vergangenen Jahren ein wenig erloschen. Die Protagonisten haben sich partiell zurückgezogen oder aber in den Sumpf der fragwürdigen Comebacks begeben, die wenigen verbliebenen Originale wiederum nutzen ihren Explorationswillen, um ihren Sound in die Moderne zu rücken; und auch wenn noch eine gute Handvoll Individualisten die Flamme der zweiten Generation am Lodern hält, so ist das, was vor gut anderthalb Dekaden noch als faszinierende Subkultur gestartet war, heute eher ein Teil des nordischen Mainstreams und größtenteils sogar salonfähig geworden.

Dennoch, der Mythos bleibt unvergessen, die Ereignisse um die Mordserien, Kirchenverbrennungen und die Hatz gegen das Christentum haben nicht nur die dortige Kultur und das soziale Wesen, sondern auch die internationale Metal-Szene nachhaltig geprägt – sei es nun in visueller Form durch das Corpsepaint, im rohen Ausdruck der rauen, hasserfüllten Musik oder eben auch in der inhaltlichen Grundaussage der schwarzmetallischen Lyrik, die auch heute noch häufig aufgegriffen wird, aber eben nicht mehr derart provokant und außergewöhnlich daherkommt wie dies eben zu Beginn des letzten Jahrzehnts der Fall war.

Peter Beste, seines Zeichens passionierter und studierter Fotograf, hat sich im Laufe seiner Ausbildung und Studienzeit ebenfalls von diesem Phänomen beeindrucken und prägen lassen und vor allem die ungewöhnliche Optik der Musiker zur Faszination schlechthin erklärt. Gleichzeitig hat er gedanklich bereits ein Projekt ins Leben gerufen, das in dieser Form längst überfällig war und die eigenwillige Ästhetik der Szene wiedergeben sollte – nämlich einen Bildband aus der direkten Umgebung, der nicht nur die Darsteller selbst, sondern auch ihre direkte Umwelt, die inspirative Natur und auch die Klischees, die auch im Back Metal eine große Rolle spielen, einfängt. Unter dem Titel „True Norwegian Black Metal“ erscheint nun ein monströses Bildwerk, für das Beste einen großen Teil der letzten sechs Jahre aufbrachte und gleich dreizehnmal nach Norwegen reiste, Freundschaften knüpfte und schließlich in das Mysterium der Musik eintauchte.

Und in eben diesem Werk beschäftigt sich der Fotograf vorwiegend mit den noch verbliebenen Helden der Szene, wobei er es besonders auf Bands wie |Gorgoroth| abgesehen hat, deren Frontmann Gaahl er hier gleich in mehreren Posen zeigt. Dazu gibt es haufenweise Material von Bands wie |Carpathian Forest|, |Darkthrone|, |Mayhem|, |Enslaved| und |1349| nebst einigen Dokumentationen der Szenerie zu Beginn der Neunziger, als die ersten Kirchen brannten und Protagonisten wie Euronymus der Unmenschlichkeit mancher Mitglieder zum Opfer fielen.

Hier gibt es abseits der vielen gelungenen Ablichtungen der Musiker in ihrer privaten und beruflichen Umgebung (also der Bühne) reproduzierte Zeitungsausschnitte, die sich vor allem mit der brisanten Blütezeit des Genres beschäftigen. Die |Mayhem|-Morde werden nachgezeichnet, das Schicksal des zwielichtigen Varg Vikernes noch einmal aufgenommen, aber auch einige Original-Briefe eingeflochten, um noch näher in das Mysterium jener Zeit abzutauchen. Ergänzend gibt es schließlich noch Fotos, die jedoch anderen Quellwerken entnommen sind, aber eben einige der Leute zeigen, zu denen Beste nicht mehr vordringen konnte. Um die Sache rund zu machen, kommt auch ein langjähriger Wegbegleiter von Bands und Szene zum Wort, nämlich Metalion vom norwegischen |Slayer|-Mag, der von Anfang an dabei war und gerade die Krise aus nächster Nähe miterlebte. Auch wenn ihm gerade einmal eine Doppelseite geschenkt wird, so ist der Informationsgehalt doch immens – zumal sein Bericht tatsächlich aus erster Hand stammt.

Das Problem an diesem Werk besteht lediglich in seiner mangelnden Vollständigkeit. Beste hat relativ spät mit den Aufnahmen begonnen und ist zu einer Zeit gestartet, als die große Welle bereits vorüber war. Daher muss er gerade im Hinblick auf die eigentlichen Vorreiter der Szene Einbußen hinnehmen und auf Archivaufnahmen zurückgreifen, was natürlich insofern nicht so glücklich ist, als von ihnen erst diese ganz spezielle Faszination ausging, von der die nun porträtierten Musiker erst im Nachhinein zehren konnten. Gerade diesbezüglich kann der Mann hinter diesem Bildband den hohen Ansprüchen an ein solches Projekt nicht ganz gerecht werden.

Andererseits sind manche Bilder, die Beste hier veröffentlicht gibt, wirklich genial getroffen und strahlen genau jenen Mythos aus, von dem die meist maskierten Musiker profitieren und der letztendlich auch die Szene ausmacht. Es sind ebensolche Momentaufnahmen wie das definitive Chaos im letzten Jahrzehnt, vielleicht diesmal aus einem anderen Blickwinkel, aber dennoch nicht weniger majestätisch und elegant als die rauen Visualisierungen der ersten Stunde. Damit ist dem Autor und Fotografen trotz des inhaltlichen Einschnitts ein wahrhaft grandioses Porträt einiger Menschen gelungen, deren Äußeres bereits faszinierend ist und deren unnachahmlichem Ausdruck man sich auch in Zeiten, in denen der Black Metal nur noch eine Nebenrolle in der Szene spielt, kaum entziehen kann. Der Preis für das Werk mag zwar ein wenig abschreckend sein, aber der Gegenwert dieser teils einmaligen Aufnahmen rechtfertigt die Investition in jedem Falle und macht „True Norwegian Black Metal“ zu einer ganz besonderen Veröffentlichung, die man sich als passende Ergänzung zur „Lords of Chaos“-Chronik nicht entgehen lassen sollte.

|ISBN-13: 978-0-95580-151-8|