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Lancester, Peter – Unterm Doppelmond (Die Chroniken der Anderwelten 2)

Eva, Otto und Friedrich begeben sich unter der Leitung Anders in Richtung Unterhessen, dem sagenumwobenen Land unterhalb der Erdschicht. Die Reise gerät nicht ungefährlich, da überall nicht gerade wohlgesonnene Charaktere in den dunklen Winkeln Unterhessens warten. Auch der Empfang gerät alles andere als herzlich. Für den verletzten Friedrich endet die Reise im Kerker, Eva und Otto sehen sich dahinvegetierend, ohne Habe und Dach über dem Kopf, auf der Straße wieder. Durch Unwissenheit über die Gesetze Unterhessens befinden sich auch Eva und Otto alsbald in einem saftigen Konflikt mit der Legislative des Landes. Ander kann den beiden gerade noch aus der Patsche helfen. Allerdings war es nicht das letzte Mal, dass sich kaum lösbare Probleme vor unseren Helden auftürmen …

Auch im zweiten Teil des „Chroniken der Anderwelten“-Zyklus werden die Protagonisten durch allerhand Abenteuer gescheucht. Dennoch wird der schnelle Erzählstil des [ersten Bandes 1507 gerade in der ersten Hälfte des zweiten Buchs etwas gedrosselt, in der die Gesetzeskonflikte auftreten und in der viel vor Gericht gestritten und geurteilt wird. Etwa ab der Mitte nimmt das Buch aber wieder ordentlich Fahrt auf, zieht den Spannungsbogen wie schon im ersten Band unbarmherzig an und mischt allerlei Stilelemente, von Horror über Grusel und Fantasy, zu einem stimmigen Gebräu, das die Traumthemen nach dem Einschlafen angenehm beeinflussen sollte.

Das größte Plus an Lancesters Werk ist und bleibt die Bildgewalt der Landschaften, die sich als fremde, dennoch wunderschöne Welten aus dem Nichts vor dem geistigen Auge erheben. Eine kleine Parallele sehe ich hier zu George Lucas‘ „Star Wars“-Filmen, in denen des Öfteren neue, skurrile und liebevoll gezeichnete Welten erschaffen wurden. Ähnlich gekonnt beschreibt Lancester sein Land, seine Schöpfung, die zu nicht geringem Anteil auch durch Tolkiens Schaffen beeinflusst sein sollte (aber welche Fantasy ist das heute nicht?).

Lancester verliert sich zudem nicht einzig in der Phantasie, sonderen bindet, vor allem bei den Gesetzeskonflikten, sozialkritische Fragen mit ein. Letztendlich bietet „Unterm Doppelmond“ einmal mehr spannende Unterhaltung und eine Welt, die jeder lieben wird. Man hat keine andere Möglichkeit, als gierig Seite um Seite zu verschlingen, um unsere Helden in Sicherheit zu wissen. Eine Sicherheit, die trügerisch und damit doch wieder unsicher ist. Gerade dieser Umstand gerät als wirklich quälend, denn irgendwann muss man den Roman ja mal auf die Seite legen.

Orthographisch einwandfrei zu Papier gebracht, überzeugen auch dieses Mal zudem das treffende Cover, die Schriftgröße und die Aufmachung des Buches. Lasst euch also nach Unterhessen entführen, ein Land, in dem nichts ist wie es scheint, in dem in jeder Ecke große Überraschungen warten und das im Leserhirn wie ein großer bunter Luftballon explodiert. Menschen, die mit „Herr der Ringe“ und „Krieg der Sterne“ klar kommen und denen auch ein Stück Horror und Grusel nichts ausmacht, dürften mit den „Anderwelten“-Büchern bestens unterhalten werden. Band drei kommt übrigens Ende des Jahres, die weiteren im Halbjahresrhythmus. Kaufen, es lohnt sich!

Lancaster, Peter – blaue Portal, Das (Die Chroniken der Anderwelten 1)

Eva, fünfzehn Jahre alt und mit ihren Eltern und ihrem Onkel Friedrich in einer Burg in Hessen lebend, hat ein verdammt zukunftsweisendes Aufeinandertreffen im Keller, als sie ihrem dem Alkohol verfallenen Onkel neuen Stoff für die Sinne holen will. Hinter einem Regal kommen kleine, sprechende, menschenähnliche Pferde hervor, die einem Portal in eine andere Welt entsprungen sind. Dort werden sie von den beheimateten Kreaturen als eine Art Sklaven gehalten.
Nach langer Flucht, bei der einige der Pferde ihr Leben lassen mussten, erreichen sie das bläulich schimmernde Portal über eine ellenlange Treppe, die schließlich in den Keller der Burg führt.
Nachdem sich die zwei Parteien zunächst nicht wohlgesonnen sind, kehren nach einiger Zeit Ruhe und Vertrauen im Umgang der ungleichen Schlossbewohner ein. Bis sich das Portal erneut öffnet und zum zweiten Mal Besucher anklopfen. Und die haben nichts Freundliches im Sinn …

Es folgt eine genreübergreifende Story, die jugendtaugliche Literatur über Phantastik bis hin zu Horror umfasst und auch vor geschichtsrecherchierten Fakten nicht zurückschreckt. Leider verzettelt sich der Autor (Peter Lancester; zugleich Chef des |Eldur|-Verlags) manchmal in zu vielen Querverweisen, Zeitsprüngen, Fußnoten und Charakterzeichnungen. Man muss aber sagen, dass es Lancester gelungen ist, liebevolle Typen auf seinen Seiten zu erschaffen, die abseits vom leidigen Heldenstatus als eher kauzige und unbedarfte Charaktere ihrer wahren Größe entgegensteuern.

„Das blaue Portal“ ist ein überwiegend locker zu lesendes Buch, das hier und da mal etwas verwirrend in den Zeiten umherspringt. Man muss aber dazu sagen, dass der Roman der erste Teil von insgesamt fünf Büchern ist. Somit werden noch viele Fragen in den folgenden Bänden aufzulösen sein und Lancester wäre schön blöd, würde er sein komplettes Pulver schon zu Beginn verschießen.

Ein Publikum für diese fremde Welt zu empfehlen, fällt mir etwas schwer, da für jüngere Leute die teilweise explizit derbe Gewalt doch eine Nummer zu heftig sein dürfte. Lassen wir also die Kleinsten mal weg und fangen bei gesetzteren Jugendlichen an, die man aufgrund der medialen Alltagsgewalt sowieso durch nichts mehr schocken kann. Wer sich vom Stress des täglichen Lebens erholen will und seine Gedanken in eine andere Welt transportieren lassen möchte, ist bei Peter Lancester bestens aufgehoben.

Die Aufmachung und der Druck des Buches sind, typisch für den |Eldur|-Verlag, professionell gestaltet und ansprechend. Die Schriftgröße ist für ein Taschenbuch perfekt gewählt und verhilft trotz der Größe des Romans nicht zu blutenden Augen.
Summa summarum freue ich mich bereits auf die restlichen Teile, bleiben doch so viele Fragen offen, die Lust auf ein tieferes Eintauchen ins blaue Portal machen. The show must go on …

|Nachtrag d. Ed.: Der Roman wurde für den Deutschen Phantastik-Preis 2005 nominiert. Es handelt sich um einen Leserpreis, zu dem jeder mit seiner Stimme beitragen kann. Zum Abstimmungsformular geht es hier entlang: http://www.foltom.de/phden05.html.|

Fried, Hel / Lancaster, Peter / Ninge, Joel E. / Först, Lukas / M., Manuel / Uffer, Matthias – Fleisch … und andere Appetitverderber

Leute, Kurzgeschichten sind einfach etwas Feines! Wenn sie von einem guten Autor ersponnen und verbrochen wurden, schaffen sie es in aller Kürze, den Leser zu fesseln und ihn in eine Parallelwelt zu entführen, in die man mal so zwischendurch entfliehen kann. In der Pause auf der Arbeit, beim Thronen auf der Schüssel oder zwischen den einzelnen Sexetappen. Solche Bücher zehre ich, sofern sie entsprechend gut geschrieben wurden, gern unter Volldampf in mich hinein, so dass es auch kein Wunder war, dass ich „Fleisch … und andere Appetitverderber“, eine Shortstory-Compilation des |Eldur|-Verlags, in null Komma nix verdaut hatte.

Siebzehn Geschichten von zehn verschiedenen Autoren, voller Leichenflederei, Sex, Gewalt, Tod, Blut und viel Gedärm; hier wird einem die fette Schlachtplatte |in personae| serviert. Herausragend im eigentlichen Sinne ist bei dieser Sammlung keine Story so recht, da sie alle auf einem ähnlich hohen Niveau kompetent verfasst wurden. Lediglich im Spannungsaufbau und letztendlich im Ekelfaktor stechen einige bestialisch hervor. So zum Beispiel „Der Messi“ von Salem Stoke, der von einem etwas unreinlichen Sammler allen Schrotts erzählt, der in seiner Wohnung aber auch Gütertrennung betreibt. Auch wenn ich dies im Falle von eigentlich zusammengehörigen Gliedmaßen reichlich merkwürdig finde.
Ein weiteres Highlight absoluten Ekels stellt „Das Bad“ dar, in dem der Protagonist für 30.000 Euro in einer Wanne umherschwimmen muss. Genauer gesagt, handelt es sich bei dieser Wanne jedoch um eine Kläranlage, was die Sache schon etwas erschwert und es dem Leser auch wirklich schwierig macht, seine Magensäfte bei sich zu behalten. ‚Widerlich und pervers‘ ist die treffende Umschreibung, doch ’spaßig und köstlich‘ passt in meinen Augen ebenso gut dazu.
Ein Sahnehäubchen des Sex-Gore stellt besonders die Titelgeschichte dar, in der man in der nahen Zukunft menschliches Fleisch für die oralen Bedürfnisse kaufen kann. Ein leicht verschrobenes Pärchen stellt aber noch bizarrere Dinge mit den Klumpen an. Als ob fressen nicht schon reichen würde …

Ich will und muss, denke ich, nicht jede Geschichte im Einzelnen auflisten, da sie sich in ihren Stilistiken sehr homogen zusammenfügen und sich im Schreib- und Lesefluss nicht großartig brechen. Mal werden Psychogramme kranker Seelen gezeichnet („Amputation“, „Ein Schmerz lang glücklich“, „Aeternitas“) und mal gehen die Storys deutlich ins Phantastische („Heinrichs Abendmahl“, „The Love Craft“). All diesen Geschichten ist aber definitiv der extreme Gorefaktor gemein, der manch einem Warmduscher die Kinnlade entgleisen lassen sollte.
Ich für meinen Teil hatte einhundertneunzig Seiten, die sich lesen wie ein paar geile Comics und runtergehen wie reines Olivenöl, puren Spaß.

Das ist nun einmal der Vorteil bei Kurzgeschichten: Die Autoren müssen sich nicht erst großartig Gedanken über einen komplexen Storyaufbau und ausführliche Charakterzeichnungen machen. Compuffter an und uff die Mutti! Genau so liest sich das Material auch.
Also wünsche ich viel Spaß und einen ordentlich fetten Happen verdorbenen Fleisches. Lasst es euch gut munden …