Wallace Stroby – Geld ist nicht genug (Crissa Stone 2)

Verhängnisvoller Traum: die Lufthansa-Millionen

Metallteile und Plastik schlittern über den Asphalt. Volltreffer. Crissa Stone hebelt den Geldautomaten mit der Schaufel eines Frontladers aus der Verankerung und balanciert die Beute auf die Ladefläche ihres Pick-ups. Sie liebt saubere Lösungen. Crissa hat das System des Bankraubs perfektioniert, aber ihre Partner verlieren die Nerven. Gangster, die sich gegenseitig umbringen: wie unprofessionell.

Zum Glück wartet schon ein neuer Job: Ein verstorbener Mafiaboss soll die Millionen eines Raubs jahrelang versteckt haben. Leider ist Crissa nicht die Einzige, die es auf das Geld abgesehen hat. Sie gerät zwischen die Fronten und muss fliehen: Vor dem Gesetz und einer Mafia-Gang aus New York. (Verlagsinfo)

Der Autor

Der US-amerikanische Autor Wallace Stroby, geboren 1960, wuchs südlich von New York City in Ocean Grove auf. Er arbeitete als Polizeireporter und wurde mehrfach für seine Buch- und Filmkritiken ausgezeichnet. Mit seiner Profi-Diebin Crissa Stone erfand er eine Figur, die bislang in vier Krimis auftrat.

Die Crissa Stone Reihe

1) Kalter Schuss ins Herz
2) Geld ist nicht genug
3) Fast ein guter Plan

»Crissa hat ebenso männliche wie weibliche Leser. Frauen mögen sie, weil sie ein starker Charakter und eben kein Opfer ist. Die männlichen Leser schätzen die Crissa-Romane als gut erzählte, vorwärtstreibende Geschichten.« (Wallace Stroby)

Handlung

Crissa Stone hat gerade den sechsten Bankomaten geraubt. Bislang ist alles gut gegangen, doch diesmal kriegen sich ihre beiden Helfer in die Haare. Rorey ist ein weißer Macho, und was er verbal vom Stapel lässt, kann Hollis, der Schwarze, nicht auf sich sitzen lassen. Kaum ist der jüngste Bankomat aufgeschweißt und der Zaster – immerhin um die 140 Mille – verteilt, ziehen die beiden ihre Waffen und schießen sich gegenseitig über den Haufen. Na, großartig. Echte Profis. Crissa beeilt sich, die beute zusammenzupacken und sich aus dem Staub zu machen. Spuren hat sie keine hinterlassen, denkt sie, als sie Richtung New York City fährt.

Mafiosi im Clinch

Benny Roth ist aus dem Zeugenschutzprogramm raus und arbeitet als Koch in einem kleinen Diner, da holt ihn seine Vergangenheit ein. Taliferro und sein Handlanger sind scheißfreundlich, als sie ihn abholen und nach Hause fahren. Dort hat Scherge Nummer zwei die junge Marta, Bennys Freundin, in Schach gehalten. Alle sagen, sie wollen bloß reden, doch Benny ahnt, worauf das hinausläuft. Taliferro will wissen, ob Benny Infos darüber hat, wo die Millionen aus dem Raub am Lufthansa-Fracht-Terminal abgeblieben sind. Manno, das war 1978, und fast alle haben inzwischen den Löffel abgegeben – bis auf Benny. Eins führt zum anderen, und als er mit Marta abhaut, bleiben drei schwer angeschlagene Mafiosi im Haus zurück. Eine weitere verbrannte Brücke.

Crissa, New York City

Crissa schwimmt in Geld – heißem Geld. Das ist echt ein Problem, denn jetzt muss sie es waschen, und das bringt Verlust. Sie fragt ihren Anwalt Walter Rathka und er bietet ihren einen zwielichtigen Typen namens Cavanaugh an. Der hat jedoch Männer der salvadorianischen Mafia um sich und legt sie herein: Für das restliche Geld, das er ihr schuldet, soll sie für ihn Koks verticken. No way! Nacheinander schaltet sie die drei schrägen Typen aus und entschlüpft der bereits anrückenden Polizei um Haaresbreite. Nun hat sie die Leute von Cavanaugh an den hacken. Wenigstens musste sie keinen umlegen.

Das wenige Geld, das sie aus dieser Situation retten konnte, erweist sich zur Hälfte als Blüte. Also sind ihr von 150 Mille nur noch zehn geblieben, gerade genug zum Überleben. Da bietet ihr Jimmy Falcone, der alte Ex-Gangster, einen Kontakt zu einem gewissen Leonard an. Es handelt sich um Benny Roth, und der hat ja bekanntlich das gleiche Problem wie sie: Geldnot und Verfolgung. Angeblich weiß „Leonard“, wo sich die Lufthansa-Millionen befinden. Echt jetzt – nach 30 Jahren? Crissa hat kein gutes Gefühl bei dieser Sache. Sie soll sich nicht täuschen…

Mein Eindruck

Im Startband der Reihe kämpfte Crissa Stone, die coole Räuberin, um eine Zukunft mit Mann und Kind. Nur um zu erleben, wie das Heim für diese Zukunft bis auf die Grundmauern niederbrannte. Sie selbst entkam nur um Haaresbreite den tödlichen Kugeln eines eiskalten Killers.

Doch sie berappelt sich und hat Erfolg, mit der peinlichen Folge, das sie in heißem Geld schwimmt. Der ironische Widerspruch zu ihr ist Benny, einer der letzten Überlebenden des legendären LUFTHANSA-Raubs von 1978. Da er aus dem Zeugenschutzprogramm ausgebrochen ist, ist er quasi Freiwild – und noch dazu abgebrannt. Kurz vor seiner Flucht in den Westen muss er vor der Mafia flüchten und doch in New York City alles in ordnung zu bringen. Er ist sentimental, ein Gentleman alter Schule, wo Crissa eine coole Sau ist, die v.a. das Geschäft interessant – notwendigerweise.

Doch es gibt eine Verbindungsstelle: der alte Jimmy Falcone, dem sie für seine Kontakte und Tipps immer dankbar ist. Als sich Crissa mit Benny, ihrem charakterlichen Gegenteil, zusammentut, sollte eigentlich eine gute Synergie entstehen. Doch Benny hat’s einfach nicht drauf, es mit der Mafia aufzunehmen, und Crissa muss ihn wieder raushauen. Dass Benny auch noch, wie bei einm 62-Jährigen zu erwarten, auch noch Herzprobleme hat, macht die Lage keineswegs besser. Und seine junge Freundin Marta ist alles andere als eine Hilfe, sondern vielmehr ein Opfer.

Es kommt, wie es kommen muss: zu einem finsteren Showdown, zu dem Crissas Anwesenheit bereits sehnlich von Taliferro erwartet wird. Das ist wirklich ein feines Stück Gangsterkino, bei dem die Akteure entweder gewinnen oder sterben (ähnlich wie in „Game of Thrones“). In der Mitte wird der krimifreund mit einem zweiten Stück Gangsterkino erfreut: Crissa schafft es, in einer Art Hasardeur-Aktion, den Taliferro-Gangstern die LUFTHANSA-Beute abzujagen. (Siehe dazu auch den Übersetzungsfehler!)

Die Übersetzung

„Die Übersetzung ist fast so schnell wie das Original … und das ist wahrlich nicht selbstverständlich für deutsche Übersetzungen.« Reiner Busse. – Ich kann Busse nur beipflichten: Selten las ich einen Krimi, der schneller zu lesen war. Alf Mayer verzichtet auf allen Schnickschnack – und vor allem auf jedes überflüssige „und“, das nur Gemütlichkeit vortäuscht. Nichts könnte den Gangstern in diesem Krimi ferner liegen.

Der Text ist erfreulich frei von Druckfehlern, bis auf folgende zwei:

S. 153: „Das ist der auf meinen Führerschein.“ Korrekt müsste es „meinem“ heißen. Lang lebe dem Dativ!

S. 179: „auf die Waffen[,] die sie in ihren Händen hielt.“ Das Komma fehlt.

S. 239: „Crissa zielte ruhig, feuerte einmal, und der bärtige Mann fiel aufs Gesicht.“ Hier liegt eine Verwechslung vor. Es ist nämlich der Gangster Sal Bruno, ein Handlanger von Taliferro, der hier feuert.

Mehrere Indizien sprechen für eine Verwechslung (durch den Übersetzer oder den Autor, sei dahingestellt):
1) Crissa hat keinerlei Veranlassung, den „bärtigen Mann“, einen weiteren Gangster, zu erschießen, noch dazu vor den Augen von Sal Bruno.

2) Crissa kann nichts daran liegen, ihre Anwesenheit durch einen Schuss zu verraten. Denn dann hätte sie das Moment der Überraschung verloren, das sie braucht, als sie wenig später Taliferros Wagen rammt und sich die Knete krallt.

3) Sal Bruno ist erstaunt, bei dieser Kollision Crissa zu erblicken, und sagt dies auch. Das wäre er nicht, wenn sich Crissa vorher durch den besagten Schuss verraten hätte.

Der 2. Auflage von 2017 ist ein informatives Nachwort über den legendären LUFTHANSA-Raub vom 11.12.1978 beigefügt. Um diese verschwundenen 10 Millionen Dollar geht es in diesem Roman.

Unterm Strich

Bis auf den fiesen Übersetzungsfehler auf S. 239 konnte ich mich sehr an diesem zweiten Crissa-Abenteuer erfreuen. Die Handlung ist diesmal ein Geflcht aus zwei Strängen, die einander immer wieder begegnen. Die Frage ist, wer am Schluss die Oberhand behält – Crissas Team oder das von Taliferro. Letzter hat die Kaltblütigkeit und die Kanonen, Crissa den Grips.

Was Benny ironischerweise zum Verhängnis wird, ist der gleiche Traum von einer intakten Familie, den auch Crissa hegt. Wo sie aus der Distanz (über Rathka) spielt, geht Benny auf Tuchfühlung: Er redet mit seinem engsten Verwandten, der ihn ob seines Verschwindens vor 30 Jahren verachtet und abgeschrieben hat. Bennys zwei Kinder sind längst über alle Berge und die Gattin unter der Erde. Was will er also nicht in seinem alten Viertel?

Er kehrt trotzdem zurück, und tappt natürlich in die Falle, denn Taliferros Leute haben genau darauf gezählt: Bennys Sentimentalität und sein Wunsch, Gerechtigkeit oder Ehre zu erkaufen. Als ob dies je möglich wäre. Der Preis, den er für seinen Traum zahlt, ist hoch. Der Leser sollte einen robusten Magen und stabile Nerven mitbringen, denn es kommt um ein Haar zum Äußersten.

Der Autor weiß offenbar, worüber er schreibt: die Gangsterszene und -geschichte von New Jersey. Nebenbei erzählen Benny und Jimmy Falcone von vergangenen Zeiten und garstigen Typen, ja, sogar von einem Hotel-Obergeschoss, in dem Menschen spurlos verschwanden… Das „Hotel Victory“, wo der Showdown stattfindet, könnte glatt das gleichnamige Hotel in L.A. sein, wo der Showdown in James Ellroys „L.A. Confidential“ in eine üble Schießerei ausartet.

Wer die Schwarze Serie von Hammett und Chandler liebt, kommt an Strobys kühlen Noir-Krimis um Crissa Stone nicht vorbei.

Taschenbuch: 334 Seiten
Originaltitel: Kings of Midnight, 2012;
aus dem US-Englischen von Alf Mayer;
ISBN-13: 9783865325778

www.pendragon.de

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