Wallace Stroby – Der Teufel will mehr (Crissa Stone 04)

Crissa lässt sich mit Soldaten ein

Seit einem Jahr hat Crissa Stone keinen Job mehr angenommen, sorgfältig darauf bedacht, kein Aufsehen zu erregen. Das geraubte Geld aus ihren Beutezügen hat sie geschickt angelegt. Als ihr aber das flüssige Geld auszugehen droht, wird sie unruhig und lässt sich von einem reichen Kunstsammler als Diebin anheuern. Ziel des Raubs ist ein LKW voll geraubter Kunstschätze aus dem Irak, die Crissa stehlen soll, bevor sie wieder in ihr Heimatland zurückgeführt werden müssen und der Kunstsammler sein Geld verliert. Der Job scheint einfach, nimmt jedoch eine überraschende Wendung, weil keiner die Beute teilen will. (Verlagsinfo)

Der Autor
Wallace Stroby wurde 1960 geboren und wuchs südlich von New York in Ocean Grove auf. Er studierte Journalismus und Medienwissenschaften. Bei einer Zeitung arbeitet er als Polizeireporter. Stroby wurde mehrfach für seine Buch- und Filmkritiken ausgezeichnet. Seit 2003 veröffentlichte Stroby zahlreiche Romane, darunter 4 Crissa-Stone-Krimis, die auf Deutsch bei Pendragon erschienen sind.

Alle Romane

The Barbed-Wire Kiss (2003) ISBN 0-312-99547-4
The Heartbreak Lounge (2005) ISBN 0-312-93912-4
Gone ‚Til November (2010) ISBN 978-0-312-67319-2

Cold Shot to the Heart (2011) ISBN 978-0-312-56025-6
Kings of Midnight (2012) ISBN 978-1-250-00037-8
Shoot the Woman First (2013) ISBN 978-1-250-000385
The Devil’s Share (2015) ISBN 978-1-250-065759

Some Die Nameless (2018) ISBN 978-0316440202
Heaven’s a Lie (2021)

Crissa Stone Reihe

1) Kalter Schuss ins Herz (Cold Shot to the Heart, 2015)
2) Geld ist nicht genug (Kings of Midnight, 2017)
3) Fast ein guter Plan (Shoot the Woman First, 2018)
4) Der Teufel will mehr (The Devil’s Share, 2019)

»Crissa hat ebenso männliche wie weibliche Leser. Frauen mögen sie, weil sie ein starker Charakter und eben kein Opfer ist. Die männlichen Leser schätzen die Crissa-Romane als gut erzählte, vorwärtstreibende Geschichten.« (Wallace Stroby)

Sara Cross Reihe

1) Zum Greifen nah (Gone til November, 2020)

Handlung

Ein Jahr ist vergangen, seit Crissa Stone einen verlustreichen Auftrag ausgeführt hat (in „Fast ein guter Plan“). Jetzt hat sie wieder Bedarf für finanziellen Nachschub. Durch einen verschwiegenen Mittelsmann erfährt sie von der Anfrage des reichen kalifornischen Kunsthändlers Emile Cota, der schon Ende sechzig zu sein scheint, als sie in seiner Villa besucht. Die Villa ist bis obenhin mit Kunstobjekten vollgestopft, doch Crissa versteht nichts von Kunst. Ihr geht’s ums Geld.

Der Auftraggeber

Ein durchtrainierter Typ namens Randall Hicks holt Crissa in einem wenig unauffälligen Wagen am Flughafen LAX ab. Er gibt an, im Irak gekämpft zu haben, wo er in Falludscha ein paar gute Mitkämpfer verloren zu habe. Er soll an Cotas Stelle an dem Coup teilnehmen, den Crissa planen wird. Die einzige andere Person, die Zeugin dieser Unterredung wird, ist Katya, das Hausmädchen. Crissa ist die einzige, die nichts trinkt, denn sie will weder DNA noch Fingerabdrücke hinterlassen.

Der Plan

Die versprochene Belohnung ist anständig und soll jedem Teilnehmer des Coups zukommen. Cota will seine eigenen drei Kunstobjekte, die aus dem Irak stammen, rauben lassen, damit er sie nicht dem irakischen Außenminister übergeben muss. Vielmehr will er sie einem Sammler verkaufe, der sich nach der Unterzeichnung des „Auslieferungsvertrag“ für diese Raubkunst gemeldet hatte. Cota muss jetzt so tun, als würde er weder vom Verkauf noch dem Raub der Objekte. Das Ziel für die Objekte ist San Diego, und sie kommen anscheinend aus Arizona oder Nevada.

Crissa baldowert die optimale Stelle für den Überfall aus: 40 Meilen westlich von Las Vegas, mitten in der Wüste, aber noch fern vom Death Valley. Den Sendemast neben der Straße müssten sie als erstes außer Gefecht setzen – „nicht sprengen!“, wie Hicks vorschlägt. Bloß kein Aufsehen, Mann! Sie ahnt nicht, dass Hicks gerade eine Altlast aus dem Irak-Feldzug beseitigt hat: einen paranoiden Mitkämpfer. Er kann nur hoffen, dass bei der Explosion des Wohnwagens sowohl der Veteran als auch dessen Frau und sein Hund verbrannt sind. Denn solche Ereignisse tendieren dazu, die Cops auf den Plan zu rufen.

Vorspiel

Vier Wochen der Rekrutierung vergehen. Während Crissa ihren früheren „Mitarbeiter“ Bobby Chance fragt, ob er bei dieser Sache mitmachen will und ein „Vielleicht“ erhält, holt Hicks einen seiner Exkameraden an Bord: Sandoval. Keegan und McBride besorgt Crissa aus Boston. McBride, der auffällig schweigsam ist, gefällt Bobby von Anfang an nicht. Wie ein schlafender Drache.

Aber Hicks hat die Waffen und C4-Sprengstoff besorgt und unversehens gibt er den Ton an. Weil Crissa stockbesoffen mit ihm geschlafen hat, glaubt er zudem, sich ihr gegenüber Freiheiten herausnehmen zu können. Bobby ist keineswegs blind, was zwischenmenschliche Beziehungen anbelangt, und kapiert sofort, dass zwischen Crissa und Hicks was läuft. Und sie glaubt immer noch, das Kommando zu haben. Wie man sich doch irren kann. Es scheint ihr vor allem um die Kohle zu gehen, die pünktlich eintrifft.

D-Day

Alles klappt zunächst wie am Schnürchen, und dann läuft alles aus dem Ruder. Der Truck mit den Kunstobjekten, darunter eine gewaltige, dreiteilige Torwächterfigur, wird gestoppt, ebenso die beiden Begleitfahrzeuge, insgesamt fünf Männer, von denen nur der Security-Mann bewaffnet ist. Am Ende sind alle tot, von Sandoval und Hicks erschossen, Crissa versucht die Fassung zu bewahren und Bobby Chance, der den LKW übernommen hat, zu beruhigen.

Nachwehen

Stinksauer schafft sie es nach Hause und ruft Hicks an. Er hat keine Entschuldigungen, was sie noch wütender mach. Sie verlangt mehr Geld als Wiedergutmachung, und den Rest in Cash. Kein Problem, beruhigt sie Hicks erneut. Doch nun rufen Keegan und McBride an: Auch sie wollen mehr Geld und zwingen sie, die Kohle schnellstmöglich zu besorgen. In einer Kneipe wird klar, dass vor allem McBride, der eine Kanone mitgebracht hat, Crissa misstraut. Also muss es ein Treffen geben, am besten auf halbem Wege: ein Parkhaus im Geschäftsviertel von Phoenix, Arizona.

Phoenix

Sandoval hat den Pkw mit den 300.000 Dollar wie vereinbart im Parkhaus abgestellt und den Schlüssel auf eine der zahlreichen Ü-Kameras abgelegt. Keegan und McBride sind schon ganz hibbelig, denn sie gieren nach dem Geld und haben einen Plan, diese hochnäsige Frau auszuschalten. Doch sie haben die Rechnung ohne Hicks gemacht.

Auls sie wie vereinbart die Reisetasche wie ausgemacht aus dem Kofferraum holen wollen, ist da nichts – nur ein verdächtiger Draht. Crissa springt zur Seite, aber zu spät. Ein greller Blitz, ein Krachen, dann Dunkelheit…

Mein Eindruck

Diesen geradlinig erzählten Krimi kann man an nur einem Nachmittag schaffen, denn er besteht vorwiegend aus Dialogen. Die Action kommt nicht zu kurz und gipfelt in zwei bemerkenswert packenden Showdowns. Den Hinterhalt im Parkhaus hat Crissa ebenso wenig erwartet wie die fünf Leichen beim Raubüberfall auf einen simplen Kunsttransport. Doch die zwei Finali muss sie erwartet haben, denn die Sache in Phoenix, bei der sie um ein Haar draufgegangen wäre, hat ihr deutlich gemacht, dass weder Cota noch Hicks gewillt sind, irgendwelche Zeugen zu hinterlassen.

Immer wieder bekommt Crissa es mit den Altlasten der Vergangenheit zu tun. Sind es diesmal Exsoldaten, die sich als Söldner eines Kunsträubers verdingen, so war es im Vorgängerband ein Expolizist, der sich als Söldner der Mafia verdingt. Beide Arten von Söldner sind auf den Lohn angewiesen, den man ihnen versprochen hat, doch irgendwie scheint es ihnen auch Vergnügen zu bereiten, andere Menschen zu beseitigen, besonders wenn es sich um lästige Zeugen handelt. Es sind Menschen, die sich ihre Zukunft erkaufen.

Crissa ist diesbezüglich mit ihnen auf einer Linie, doch mit einem entscheidenden Unterschied: Sie will eine Zukunft nicht für sich, sondern für ihren Geliebten Wayne, der im Knast sitzt, und für ihre Tochter Maddie, die bei einer Pflegefamilie aufwachsen muss. Um diese leben und ihre Zukunft nicht zu gefährden, ist Crissa ist zum Äußersten bereit und gibt niemals auf, selbst wenn es ihr Kontrahent x-al von ihr verlangt. Und sie hat immer eine Reservewaffe zur Hand. Man kann ja nie wissen. Bobby Chance ist ähnlich eingestellt, denn er sorgt für seine Freundin Lynette.

Alle Figuren existieren, mit sehr wenigen Ausnahmen, am kriminellen Rande der Gesellschaft. Crissa und Bobby gehören zu den „guten“ Verbrechern, die es ehrlich meinen und nur ihren Job machen wollen. Hicks und Cota sind hingegen Einzelgänger, denen andere Menschen nichts bedeuten und die sich ihre Zukunft auf Kosten anderer erkaufen. Cota ist der paranoidere von beiden und nötigt daher Hicks, seinen Handlanger, auch noch einen Exkameraden auszuschalten.

Ob Hicks das gegen den Strich geht und er dies bedauert, erfahren wir mit keiner Silbe. Das ist die Herausforderung, die ein so knapper, kühler Stil dem Leser bietet: Die Emotionen findet man nicht in den Dialogen, sondern in den Zeilen dazwischen. In diesem Stil, der auf Hammetts und Chandlers Stil beruht, befindet sich der Autor mit Meistern wie Robert B. Parker und Elmore Leonard.

Der Unterschied liegt bei Strobys Krimis jedoch in der Hauptfigur: Crissa Stone ist die einzige Kriminelle auf weiter Flur, welche von Männern dominiert wird. Für Stroby liegt daher die Herausforderung darin, eine empfindende Frauenfigur zu schaffen, die es dennoch mit hartgesottenen Männern aufnehmen kann. Der Shootout auf Bobby Farm ist klasse inszeniert und zeigt, wie entschlossen sich Crissa gegen vier Kriegsveteranen zu behaupten weiß.

Im finalen Todeskampf mit Hicks erweist sich genau diese Emotionalität als auschlaggebender Vorteil: Crissa ist wild entschlossen zu überleben und greift zu allen Mitteln. Es kommt für den Leser als Schock, als sie sich sogar eine Klinge durch die Hand stechen lässt, um ihren Gegner auszutricksen (ähnlich wie John Wick im finalen Showdown des ersten „Kapitels“). Statt Worte benutzen kriminelle Waffen, aber auch Kommunikationsmittel sind extrem wichtig. Crissa macht Fehler und hat eine Schwäche: Sie ist alkoholabhängig. Das macht sie menschlich, lässt sie aber auch unterlegen aussehen. Selber schuld, wer sich davon täuschen lässt.

Die Übersetzung

Die Übersetzung von Alf Mayer anstelle von Bernd Gockel angefertigt hat, ahmt exakt die trockene, knappe Sprache des Originals nach, welches wiederum die Hardboiled-Noir-Krimis von Chandler und Hammett imitiert.

S. 172: „Ganz ruhig, dann passiert niemanden etwas.“ Statt „niemanden“ müsste es korrekt „niemandem“ etwas, denn hier ist der Dativ gefragt.

S. 268: „Sie kam auf die Knie, teastet[e] um sich herum…“ Das E für die Vergangenheitsform fehlt.

Alles in allem hat mich diese Übersetzung begeistert, nicht nur durch den Hardboiled-Stil, sondern auch die nahezu fehlerfreie Textform. Und rechnen kann der Autor diesmal auch (ich hab all die vielen Beträge nicht zusammengezählt).

Unterm Strich

Ich habe den Krimi in nur drei Tagen gelesen. Wie üblich bei methodisch aufgebauten Kriminalromanen ist das erste dritte Drittel durch sorgfältigen Aufbau gekennzeichnet. Doch sobald der Coup aus dem Ruder gelaufen ist – siehe auch den Vorgängerband – beginnen die Dinge nicht nur interessant, sondern auch brisant zu werden. Keine der Figuren ist so nett, dem Leser ausführlich mitzuteilen, was sie plant und als nächstes vorhat. Das ist zwar unverschämt, aber damit muss der Krimi-Fan eben leben. Andererseits trägt dies sehr zur Spannung bei. Wozu sind Cota und Hicks fähig, fragt sich der Leser nägelkauend.

Mit wachsender Bestürzung erkennt der Leser allmählich, dass Cota und Hicks zu allem bereit sind. Der paranoide Cota hat von Anfang geplant, alle Zeugen zu beseitigen. Er hat nicht damit gerechnet, dass Hicks Gier vor Loyalität stellen könnte. Gut möglich, dass die Ermordung eines Kriegskameraden emotional das Fass zum Überlaufen gebracht hat, so dass Hicks genug davon hat, Cotas Befehle auszuführen und nun den ihm zustehenden Lohn verlangt. Solche Emotionen muss der Leser zwischen den Zeilen erspüren. Daher ist es ratsam, keine längeren Pausen einzulegen, sondern das Buch in einem Rutsch zu lesen.

Die Herausforderungen, denen sich Crissa stellen muss, wachsen mit jedem Band der nunmehr abgeschlossenen Reihe. Detektive, Mafiosi, Ex-Cops und nun Ex-Soldaten. Sie mögen vielleicht keine Marines sein, aber bis an die Zähne bewaffnet sollten sie in der Lage sein, jedes gewöhnliche Farmhaus zu erstürmen. Falsch gedacht – Crissa zeigt ihnen, wo der Hammer hängt.

Das Thema des Krimis ist nicht etwa der in dieser Reihe ständig durchexerzierte Zweikampf unterschiedlicher Gruppen von Kriminellen, den „Guten und den Bösen, sondern vielmehr internationaler Kunstraub in großem Stil. Die Raubkunst kommt diesmal aus den von Amis befreiten Gebieten im Nord-Irak, also aus Kurdistan. Statt also den Irakis und Kurden ihre Kunst zurückzuerstatten, fügen die Amis der Zerstörung, die sie im Kampf gegen Saddam und IS angerichtet haben, auch noch Plünderung hinzu.

Damit sind sie in moralischer und juristischer Hinsicht keinen Deut besser als die organisierten Räuber der Nazi-Herrschaft, allen voran Hermann Göring, der „Reichsjägermeister“. Diese Demontage vermeintlicher oder behaupteter US-amerikanischer Überlegenheit ist die versteckte Kritik des Autors an seiner Gesellschaft. Der Raubtierkapitalismus hat alle in seinem Griff, auch und ganz besonders solche „guten“ Verbrecher wie Crissa Stone.

Taschenbuch: 316 Seiten
ISBN-13: 9783865326461

www.pendragon.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)